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Zucker – Gift oder Glück?

Zuletzt aktualisiert am 08. Dezember 2021 Erstmals publiziert am 04. Juni 2020

Unser Gehirn steht auf Zucker, obwohl zu viel davon dem Körper nicht guttut. Besonders schwer zu erkennen sind versteckte Zucker in verarbeiteten Lebensmitteln. Aber auch zu viele Früchte können ungesund sein.

Bonbons, Limonade, Eiscreme, Pralinen, Torten – schon beim Anblick läuft uns das Wasser im Mund zusammen. Die meisten Erwachsenen mögen Zucker, Kinder sowieso. Schon bei Babys löst der in der Muttermilch enthaltene Milchzucker Glücksgefühle aus. Das liegt an den auf unserer Zunge verteilten Geschmacksknospen. Nehmen sie Süsses wahr, schüttet das Gehirn das Glückshormon Dopamin aus. Unser Gehirn steht auf Zucker – und das hat entwicklungsgeschichtliche Gründe. Für unsere Vorfahren war eine wertvolle Energiequelle wie Zucker aus Früchten selten verfügbar. Hinzu kommt, dass keine einzige in der Natur vorkommende süsse Frucht giftig ist. Deshalb hat unser Gehirn Süsses unter «selten und gefahrlos» abgelegt. Kein Wunder, schickt es beim ersten Bissen ein eindeutiges Signal: «Essen, und möglichst viel davon!». Am liebsten ist unserem Gehirn der Einfachzucker Glucose, wie er in zuckerhaltigen Speisen und auch in Früchten vorhanden ist, weil er die Hirnzellen schnell mit Energie versorgt. Das Gehirn braucht besonders viel davon – es verschlingt rund 75 Prozent der aufgenommenen Glucose. Das erklärt den Glückskick, den wir quasi als Belohnung bekommen. Allerdings müssten wir gar keinen Zucker essen, um unseren Körper mit Glucose zu versorgen – und das wäre erst noch gesünder.

Zucker ist kein Grundnahrungsmittel

Unser Körper kann Glucose aus vielen Nahrungsmitteln selbst herstellen, etwa aus Kartoffeln, Linsen, Getreide, Gemüse und Früchten. Deshalb fehlt Zucker auf der Liste der Grundnahrungsmittel. Wir können das spüren, wenn wir ein Stück Brot länger kauen und es plötzlich süss schmeckt. Dann werden in unserem Speichel vorhandene Enzyme aktiv, die aus Kohlenhydraten, wie sie im Brot zu finden sind, Einfachzucker wie Glucose herstellen. Die weitere Aufspaltung von Kohlenhydraten findet im Dünndarm statt. Von dort gelangt die Glucose ins Blut. Weil unser Körper ständig Energie braucht, schwimmt immer Glucose in unserem Blut – die Menge messen wir als Blutzucker. Normale Werte liegen bei gesunden Menschen am Morgen, bevor sie etwas gegessen haben, zwischen 70 und 110 Milligramm pro Deziliter, nach dem Essen steigt der Blutzuckerwert auf maximal 140 Milligramm pro Deziliter an. Dass sich der Blutzuckerspiegel einpendelt, liegt am Insulin. Denn Zucker sorgt auch dafür, dass die Bauchspeicheldrüse anspringt und Insulin ausschüttet. Dieses Hormon sorgt dafür, dass die Zellen den Zucker aufnehmen und ihn dann «verbrennen» können. Essen wir nun Pralinen oder andere Süssspeisen, schnellt der Blutzuckerspiegel schlagartig nach oben – und fällt genauso schnell wieder ab. Denn sobald der Zucker aus den Pralinen weggeschafft ist, signalisiert das im Blut zirkulierende Insulin: Ich will mehr Zucker! An Tagen mit hohem Zuckerkonsum werden wir so zu regelrechten Zuckerjunkies – mit den entsprechenden Blutzuckerspitzen.

Reserven in der Leber und in Fettdepots

Nehmen wir viel mehr Zucker auf, als wir brauchen, speichert unser Körper die Energie für knappere Zeiten. Auch daran ist das Insulin beteiligt: Es signalisiert der Leber, unserem Stoffwechselzentrum, dass es aus dem einfachen Zucker Glucose den Vielfachzucker Glykogen herstellen und auf Vorrat halten soll, bis er gebraucht wird. Auch die Muskeln können Glykogen speichern, aber zu einem geringeren Teil als die Leber. Die Brennstoffreserve lässt sich schnell mobilisieren, zum Beispiel bei schwerer körperlicher Arbeit – und ist auch schnell wieder aufgebraucht. Nach 12 bis 18 Stunden ohne Nahrungsaufnahme sind die Speicher der Leber leer. Deshalb sorgt die Leber gleich doppelt vor: Sobald ihre Speicher gefüllt sind, produziert sie aus der überschüssigen Glucose Fett. So macht sie das mit allen Kohlenhydraten, die der Körper nicht verbraucht. Übertreiben wirs nicht mit dem Zuckerkonsum, passt das alles schön zusammen, und der Zuckerspiegel ist weder zu hoch noch zu niedrig. Gefährlich wird es, wenn die Zuckerzufuhr hoch bleibt oder sogar allmählich ansteigt. Dann wachsen die Fettdepots an, und der Blutzuckerspiegel gerät ausser Kontrolle: Fettleibigkeit, Fettleber und Altersdiabetes können die Folgen sein, auch Herz und Nieren können Schaden nehmen. Das Gleichgewicht kann auch in die andere Richtung ausser Kontrolle geraten: Nehmen wir über längere Zeit zu wenig Kohlenhydrate auf, produziert der Körper selbst Glucose, indem er körpereigenes Eiweiss zum Beispiel aus den Muskeln abbaut.

Fructoseschub durch Smoothies

Ernähren wir uns ausgewogen, benötigt unser Körper keinen zusätzlichen Zucker. Idealerweise stammen 45 bis 60 Prozent der Energiemenge, die wir verbrennen, aus komplexen Kohlenhydraten, wie sie im Vollkornbrot oder in Nüssen enthalten sind. Weil diese nur langsam abgebaut werden, liefern sie Energie über mehrere Stunden und halten so den Blutzuckerspiegel konstant. Früchte und Gemüse gelten als weitere Bestandteile einer gesunden Ernährung, weil sie den Körper zudem mit Vitaminen und Ballaststoffen versorgen. Allerdings sollte man nicht mehr als zwei Portionen Früchte pro Tag essen. Denn Früchte enthalten neben Glucose vor allem Fructose, die der Körper nur schlecht verwerten kann – ein grosser Teil davon landet deswegen direkt in der Leber, wo der Zucker als Fett abgelagert wird. Verzehrt man die ganze Frucht, steigt der Blutzuckerspiegel langsamer an als bei einem Obstsaft. Beim Modegetränk Smoothie oder in getrockneten Früchten kann die Fructose-Konzentration ungesunde Werte erreichen, wenn grössere Mengen davon verzehrt werden. Auch Honig, ebenfalls ein Naturprodukt, ist nur in kleinen Mengen gesund, weil er zu fast 80 Prozent aus einem Zuckergemisch besteht.

27 Zuckerwürfel pro Tag

Maximal 25 Gramm Zucker pro Tag empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation für eine erwachsene Person; das entspricht etwa 6 Zuckerwürfeln à 4 Gramm und ist bereits in einem viertel Liter Cola enthalten. Tatsächlich aber verspeisen Schweizer im Schnitt täglich 110 Gramm Zucker, was etwa 27 Zuckerwürfeln entspricht. Mass zu halten, ist jedoch schwerer als gedacht. Denn die grösste Gefahr geht von Lebensmitteln aus, die gesüsst sind, ohne dass uns dies bewusst ist. Im fertig gekauften Salatdressing oder in der ebenfalls sauer schmecken- den Essiggurke, selbst in Kartoffelchips ist Zucker drin. Bei verarbeiteten Lebensmitteln hilft nur, auf die Zutatenliste und die Kalorienzahl zu achten – ist die Zahl hoch, kann das ein Hinweis auf versteckte Zucker sein. Manche Produkte lässt man am besten im Regal stehen: Süssgetränke wie Eistee, Cola oder Energy Drinks, die mit reinem Zucker oder Fruchtzucker gesüsst sind. Denn wenn wir ständig süss essen, braucht es immer mehr davon, bis wir das Gefühl haben, dass es süssist. Aus diesem Grund sind auch Süssstoffe oder die stark süssende Pflanze Stevia nicht empfehlenswert. Völlig unterdrücken lässt sich die Lust auf Süsses kaum. Ernährungsberater empfehlen deshalb, einmal am Tag geplant Süsses zu sich zu nehmen. Dann kann man ihn ganz bewusst geniessen, den kleinen Glückskick, den unser Gehirn schickt.

Text: Helga Kessler

 

​Wie gesund ist Fruchtzucker?
Viele Lebensmittel sind mit Fruchtzucker gesüsst. Sind sie nun gesünder, und machen sie weniger dick? Wie ganz normaler Zucker hat auch Fruchtzucker Kalorien, die zu Übergewicht und Fettbildung beitragen. Es ist nachgewiesen, dass Fruchtzucker, in grösseren Mengen konsumiert, stärker als andere Zuckersorten bei Übergewicht zu Folgeproblemen wie Insulinresistenz, Diabetes oder Fettleberentwicklung beitragen können. Man sollte daher darauf verzichten, Fertigprodukte zu konsumieren, die mit ​Fructose gesüsst sind.