Auch wenn es der Volksmund oft so sagt: Selbstverständlich haben weder Blutgerinnsel noch die Bluterkrankheit tatsächlich etwas mit zu dickem oder zu dünnem Blut zu tun. Vielmehr kann eine Störung der für den Menschen lebenswichtigen Blutgerinnung zu einer Gefahr werden.
Thrombose
Thrombosen – also Blutgerinnsel in Venen oder Arterien – sind die Ursache für einige der häufigsten und schwerstwiegenden Notfälle in Spitälern. Diese Blutpfropfen können in der Blutbahn mitgespült werden, bis sie an eine zu enge Stelle geraten und das Blutgefäss verstopfen.
Warum sind Thrombosen so häufig?
Venöse Thrombosen treten vorrangig in den Blutgefässen der Extremitäten auf, meist in den Beinen. Einer der wichtigsten Gründe ist die Immobilität der Person, beispielsweise nach einer Operation. Aber auch eine partielle Immobilität, wie ein Gipsverband an Arm oder Bein, begünstigt eine Thrombose. Ein weiterer Risikofaktor sind Östrogene, ganz allgemein sind darum mehr Frauen von venösen Thrombosen betroffen. Zudem spielen östrogenhaltige Medikamente hierbei eine Rolle. Aber auch eine Schwangerschaft und das anschliessende Wochenbett sind potenziell begünstigend für eine Venenthrombose. Rauchen ist hingegen vorrangig ein Risikofaktor für Plaque an den Gefässwänden von Arterien. Diese Art der Gefässverengung ist keine eigentliche Thrombose, wenn auch nicht weniger problematisch.
Was tun bei einer Thrombose?
Viele Thrombosen können durch den Hausarzt behandelt werden. Treten sie jedoch wiederholt auf oder sind sie lebensbedrohlich, sind die Spezialistinnen im Spital gefragt. «Verschiedenste Kliniken kümmern sich um Thromboseerkrankungen, je nachdem, wie sie behandelt werden müssen. In der Regel erfordern Thrombosen eine zeitlich befristete oder unbefristete medikamentöse Blutverdünnung. In manchen Fällen werden sie auch durch eine Intervention entfernt, was heute am USZ oft minimalinvasiv möglich ist», erläutert Jan-Dirk Studt, Oberarzt meV der Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie. Das Risiko für eine erneute Thrombose ist besonders hoch, wenn das Erstereignis nicht durch provozierende Faktoren wie zum Beispiel eine vorausgehende Operation erklärt werden kann, sondern als unprovoziert zu bewerten ist. «Daher ist für die Planung der Dauer einer blutverdünnenden Therapie sehr wichtig, die Krankengeschichte genau zu erheben. In vielen Fällen werden ergänzende Laborabklärungen auf Thrombophilien durchgeführt. Das langfristige Behandlungskonzept ist am erfolgreichsten, wenn alle diese Umstände möglichst genau berücksichtigt werden», präzisiert Jan-Dirk Studt.
Hämophilie
Jedes Kind hat schon von der Bluterkrankheit gehört. Das ist insoweit erstaunlich, als dass die Erbkrankheit selten ist. Die Hämophilie wird über das X-Chromosom vererbt und betrifft Männer. Es werden zwei Formen unterschieden: die Hämophilie A, bei der der Blutgerinnungsfaktor VIII vermindert ist, kommt bei 1:5000–10 000 Männern vor, die Hämophilie B, bei der der Faktor IX betroffen ist, bei 1:25 000–50 000. Durch den Mangel des jeweiligen Faktors funktioniert die Blutstillung nur eingeschränkt.
Plötzliche Blutungen
«Was viele nicht wissen, ist, dass schwere Hämophilieformen unbehandelt immer wieder spontane Blutungen in Gelenken und Muskeln verursachen. Das zerstört mit der Zeit die Gelenke. In schweren Fällen werden die Betroffenen invalide», erläutert Jan-Dirk Studt. «In Europa sieht man das dank der guten Behandlung glücklicherweise nur selten. Wir haben aber schon mehrfach Patienten aus anderen Ländern behandelt, deren Gelenke leider bereits komplett zerstört waren.»
Normales Leben
Bei vielen Patienten mit einer schweren Hämophilie wird der fehlende Gerinnungsfaktor in Form einer vorbeugenden Dauerbehandlung verabreicht. Situationen mit hohem Blutungsrisiko, beispielsweise Operationen, müssen zudem gut geplant werden. «Ansonsten führen viele Hämophile in der Schweiz ein weitgehend normales Leben – aus ärztlicher Sicht vielleicht mitunter ein etwas zu normales, denn Sportarten mit einem hohen Verletzungsrisiko sind natürlich nicht ideal», erklärt Jan-Dirk Studt.
Neue Therapien
Die Therapie mit Gerinnungsfaktoren funktioniert gut, beseitigt aber die Ursache nicht. «Bei der Hämophilie kann der Körper einen Gerinnungsfaktor nicht herstellen. Eine optimale Therapie würde den Faktor nicht einfach von aussen zuführen, sondern dem Körper ermöglichen, ihn selbst herzustellen», erklärt Jan-Dirk Studt. Deshalb wird an Gentherapien geforscht, die genau dies ermöglichen sollen. Der Spezialist ergänzt: «Die Gentherapie gibt es bereits in fortgeschrittenen Studienprogrammen. Sie ist also nicht ferne Vision, sondern eine sehr realistische Chance auf Heilung für Hämophilie-Patienten.»