Baby mit Neurodermitis im Gesicht

Story

Wenn es ständig juckt

Zuletzt aktualisiert am 06. Juni 2024 Erstmals publiziert am 28. Juli 2022

Neurodermitis ist eine der häufigsten chronischen Krankheiten bei Kindern. Aber auch zahlreiche Erwachsene sind betroffen. Heilbar ist die Krankheit nicht. Doch gibt es viele Wege, wie man gut mit ihr leben kann. Und nicht selten hört das Jucken der Haut plötzlich von alleine auf.

Die Haut ist trocken und empfindlich, rötet sich, bildet Schuppen – und juckt: ein typischer Fall von Neurodermitis. Und dies, obschon Angela sehr gewissenhaft ist, was ihre Körperpflege anbelangt. Das Eincremen nach der täglichen Dusche gehört bei ihr zur Routine. Sie kann ihre Dermatitis einigermassen in Schach halten, aber bei sehr trockener Luft erleidet sie trotzdem immer wieder einen neuen Schub.

«Das ist leider ein sehr typischer Fall», sagt Claudia Lang. Die Dermato-Allergologin ist auf Neurodermitis oder atopische Dermatitis spezialisiert und erforscht die Krankheit. «Das ist für die Patientinnen und Patienten oft frustrierend. Wir können inzwischen deutlich besser helfen, aber die Krankheit ist auch heute nicht heilbar.»

Genetische Veranlagung

Neurodermitis ist bei Kindern und Jugendlichen weltweit stark verbreitet, nahezu jedes fünfte Kind ist davon betroffen. Oft wächst sie sich bis ins Erwachsenenalter aus. Aber immerhin rund fünf Prozent aller Erwachsenen in der Schweiz leiden weiterhin an dieser entzündlichen Hauterkrankung. Die Diagnose wird dabei aufgrund des klinischen Bildes gestellt: Passt die Lokalisation der betroffenen Stellen? Verläuft die Erkrankung schubweise? Ist sie chronisch? Besteht Juckreiz? Die genaue Ursache ist auch weiterhin nicht vollständig geklärt. Nicht zuletzt, weil oft verschiedene Faktoren zusammenkommen. Es gibt aber eine genetische Veranlagung für die Entwicklung einer atopischen Dermatitis. «Wir wissen heute, dass bei sehr vielen dieser Patientinnen ein Protein, das für den Zusammenhalt der Hautzellen sorgen sollte, verändert ist», erklärt Claudia Lang. «Man kann sich das wie eine Mauer vorstellen: Die Steine sind die Hautzellen, der Mörtel dazwischen wird durch das Protein gefestigt. Ist dieses Protein fehlerhaft, beginnt die ganze Mauer zu bröckeln und wird durchlässig.»

Gestörte Schutzfunktion

Mit diesem Bild versucht die Spezialistin, den betroffenen Menschen zu erklären, was mit ihrer Haut passiert. Die Folgen sind gewichtig: Die Haut wird trocken und spröde. Das führt einerseits zum Juckreiz. Weil der Kitt oder Mörtel zwischen den Hautzellen fehlt, verliert die Haut zudem ihre Schutzfunktion, Erreger oder Allergene können viel einfacher eindringen. Sie lösen lokale Entzündungen aus, die den Juckreiz zusätzlich verstärken. Und je nach Erreger kann so aus einer entzündlichen rasch eine infizierte Neurodermitis werden, zum Beispiel aufgrund einer Herpes-Infektion. «Umso wichtiger ist die konsequente Hautpflege», unterstreicht Karin Grando, Fachexpertin Pflege in der Dermatologie. Sie erklärt den Patientinnen und Patienten jeweils noch einmal im Detail die Rezepte und wie sie welche Produkte anwenden sollen. «Das tägliche, mehrmalige Eincremen mit rückfettenden Produkten ist dabei das A und O.»

Online-Hautcheck: Schnell und bequem von zu Hause aus

Senden Sie ein Foto der betroffenen Hautstelle ein und füllen Sie den kurzen Fragebogen aus. Innerhalb von 24 Stunden werktags erhalten Sie von unseren Experten und Expertinnen eine zuverlässige Diagnose. Ihre Daten werden verschlüsselt an uns übermittelt und vertraulich behandelt.

Zur Online-Beratung

Keine typische Allergie

Sehr oft leiden diese Patientinnen und Patienten auch unter Heuschnupfen, Asthma oder Nahrungsmittelallergien. Diese Erkrankungen werden zusammen mit der Neurodermitis zu den atopischen Krankheiten gezählt. Atopie bedeutet, auf Umwelteinflüsse mit der Bildung von IgE-Antikörpern zu reagieren. Die atopische Dermatitis ist dabei nicht eine IgE-vermittelte Reaktion, also dass sich die Haut zum Beispiel beim Konsum von Haselnüssen unmittelbar verschlechtert. Trotzdem berichten einige Patienten über eine Verschlechterung des Hautzustands im Zusammenhang mit bestimmten Nahrungsmitteln oder in der Heuschnupfensaison. Es handelt sich um eine Entzündungsreaktion in der Haut, die durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird und zu einer überschiessenden Reaktion des Immunsystems führt.

Therapie über mehrere Stufen

Das Universitätsspital Zürich kann aufgrund seiner Nähe zur Forschung immer wieder innovative, bereits erprobte Therapien anbieten. So zum Beispiel das für gewisse schwere Formen der Neurodermitis zugelassene Medikament Dupilumab. Dieses wird alle zwei Wochen unter die Haut gespritzt und hat sich gemäss USZ-Facharzt Peter Schmid als hochwirksame Alternative bewährt. „Es hemmt gewisse Botenstoffe sehr selektiv und wirkt stark entzündungshemmend.“ Einziger Nachteil: Die Therapie ist sehr teuer. In schweren Fällen von Neurodermitis würden die Krankenkassen die Kosten aber in der Regel zumindest für eine gewisse Zeit übernehmen, so Schmid.

Bei einem akuten Schub kommt lokal oft Kortison zum Einsatz. Die Immunantwort und damit die heftige entzündliche Reaktion werden so lokal gehemmt. Die Nebenwirkungen für den Körper sind gering, da lokales Kortison kaum in den Blutkreislauf gelangt. Bei grossflächig auftretender Neurodermitis kommen kurzzeitig auch Medikamente zum Einsatz, die das Immunsystem insgesamt dämpfen. Für die Dermatologin aber keine nachhaltige Option. «Sobald man diese Medikamente absetzt, kann es zu einem neuen Schub kommen. Oft werden die Medikamente auch nicht so gut vertragen.»

Wirksam, einfach und ohne Nebenwirkungen

Die zweite Therapie der Wahl nach entzündungshemmenden Salben wie Kortison ist die Lichttherapie. Sie wirkt direkt auf die Haut, ist praktisch frei von Nebenwirkungen und damit auch für Schwangere geeignet. Dank Filterung auf eine spezifische Wellenlänge im UVB-Spektrum erhöht sie auch das Hautkrebsrisiko nicht. Vor allem aber kann sie einen längerfristigen, positiven Effekt haben. Zudem ist die eigentliche Therapie extrem kurz: Nur gerade wenige Minuten dauert eine Sitzung. Ihr einziger Nachteil ist der manchmal erhebliche organisatorische Aufwand für zwei bis drei Sitzungen wöchentlich während drei bis vier Monaten. Die Behandlung in den Arbeitsweg integrieren: Mit dem Angebot des USZ im Circle am Flughafen Zürich wird dies für manchen vielleicht einfacher.

Mit der Krankheit leben lernen

Für Karin Grando das Wichtigste: dass die betroffenen Menschen lernen, mit der Krankheit und dem ständigen Juckreiz umzugehen. Und nicht aufzugeben. Es sind einfache Tipps, die sie den Patienten mitgeben kann. «Wenn die Zeit reicht. In erster Linie erklären wir nach dem Arztgespräch noch mal die verordnete Therapie und wie sie die Medikamente anwenden, auftragen oder einnehmen müssen.» Welche Tipps würde sie noch vermitteln? «Alles vermeiden, was die Haut zusätzlich belastet. Also nicht heiss und mit weichem Wasserstrahl duschen, sich abtupfen, keinesfalls rubbeln. Oder auch mal die Unterwäsche mit den Nähten nach aussen tragen.»

Claudia Lang, Dr. med.

Oberärztin, Dermatologische Klinik

Tel. +41 44 255 11 11
Spezialgebiete: Atopische Dermatitis/Neurodermitis, Mastozytose, Kontaktallergien

Verantwortlicher Fachbereich