Ein Tinnitus ist unangenehm, aber in der Regel harmlos. Beim monotonen Geräusch im Ohr handelt es sich meist um eine Fehlleistung unseres Gehirns. Dieses versucht, einen Hörverlust auszugleichen. Wer unter den Ohrgeräuschen leidet, sollte sich beraten lassen.
Das Pfeifen oder Rauschen im Ohr als ständiger Begleiter: ein Tinnitus kann sehr störend sein. Viele Betroffene leiden als Folge der Geräusche unter Schlafproblemen. Auch Angst- und Depressionssymptome können in Verbindung mit Tinnitus vorkommen. Gefährlich ist ein Tinnitus in aller Regel nicht, wie Prof. Tobias Kleinjung, Leitender Arzt an der Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie am Universitätsspital Zürich, sagt. „Ohrgeräusche sind fast nie Anzeichen einer schweren Erkrankung.“
Rund jeder Siebte nimmt hierzulande über längere Zeit einen Tinnitus wahr. Darunter versteht man subjektiv wahrgenommene Geräusche, die nicht von einer externen Quelle stammen. „Die Töne sind immer sinnleer“, spezifiziert Kleinjung, der in einem interdisziplinären Team am USZ zum Tinnitus forscht. „Hört jemand Stimmen oder Musik, deutet dies stattdessen auf eine psychische Störung hin.“
Hauptursache für die von aussen meist nicht hörbaren Ohrgeräusche ist eine Schädigung des Gehörs und ein damit einhergehender Hörverlust. Ein solcher tritt in den meisten Fällen schleichend auf, denn ab einem Alter von 35 bis 40 Jahren nimmt unser Hörvermögen ganz automatisch ab. Die Ohrgeräusche entstehen, weil unser Gehirn versucht, den Hörverlust zu kompensieren: Die zuständigen Nervenzellen drehen einfach gesagt jene Frequenzen lauter, die nicht mehr gehört werden. Ein Pfeifen kann darum eher auf ein Problem im Hochton-, ein Rauschen eher auf eines im Tieftonbereich hindeuten.
Auch starker Lärm kann dazu führen, dass Sinneszellen im Ohr (sogenannte Haarzellen) «brechen» und gewisse Töne nicht mehr ans Gehirn weitergeleitet werden. Nicht jeder Tinnitus nach einem Konzert- oder Discobesuch muss allerdings Anlass zur Sorge sein: Die Geräusche können nämlich auch eine Art Schutzreaktion unseres Gehörs auf eine zu laute Umgebung darstellen und nach kurzer Zeit wieder verschwinden.
Bei einem Hörsturz zum Arzt
Wer an einem Tinnitus leidet, sollte also zunächst abwarten und sein Gehör schonen, damit sich dieses erholen kann. Es sei denn, die Geräusche treten gleichzeitig mit einem Hörsturz oder einer Mittelohrentzündung auf. „In diesem Fall sollte man innerhalb weniger Tage zum Ohrenarzt“, so Kleinjung. Als wichtigste Vorbeugemassnahme nennt der USZ-Experte einen sorgsamen Umgang mit dem eigenen Gehör – beruflich wie auch privat. Gegen hohe Lärmpegel helfen Lärmschutz-Kopfhörer oder Ohrstöpsel.
Heilbar ist ein Tinnitus nicht, auch wenn er von alleine wieder verschwinden kann. Erfolgreiche Behandlungen zielen auf eine Akzeptanz des Phänomens. „Es geht darum, den Tinnitus in den Alltag zu integrieren“, so Kleinjung. „Man kann lernen, seine Aufmerksamkeit auf andere Dinge zu lenken.“ Die Hirnforschung zeigt, dass ein Tinnitus nicht alleine durch die Aktivität der Nervenzellen im Bereich des Hörzentrums, sondern immer erst in Verbindung mit anderen Gehirnarealen entsteht. Diese sind für Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Stress oder Gedächtnis zuständig. „Darum macht es Sinn, die Therapie auf das gesamte Netzwerk auszurichten“, so der USZ-Experte. Die Wissenschaft stützt also die Wirksamkeit von «sanften» Therapien wie beispielsweise Psychotherapie.
Auch wenn ein Tinnitus normalerweise nicht gefährlich ist: wer sich von den Ohrgeräuschen anhaltend und stark gestört fühlt, sollte sich beraten lassen. Das Universitätsspital Zürich bietet Betroffenen eine Spezialsprechstunde sowie interdisziplinäre Behandlungen an. Für die fachübergreifende Beratung ist eine Überweisung des Haus- oder Facharztes nötig.