Die Bedeutung der körpereigenen Immunabwehr gegen gefährliche Infektionserreger wird uns in der Pandemie deutlich vor Augen geführt. Das Immunsystem reagiert aber auch gegen eigentlich harmlose Darmbakterien und kann dadurch schädigende Begleitreaktionen gegen Herzmuskelzellen auslösen. In ihrer Studie untersuchen Burkhard Ludewig und Dörthe Schmidt den Zusammenhang zwischen bestimmten Darmbakterien und Herzmuskelentzündungen.
Wie funktioniert unser Immunsystem? Wie schafft es die Balance zwischen Abwehr von Erregern und Schutz der eigenen Zellen? Und welche Erkrankungen sind das Resultat einer Über- oder Kreuzreaktion der körpereigenen Abwehr? Diese Fragen haben Burkhard Ludewig schon immer fasziniert. Nach seinem Veterinärstudium hat er sich direkt der Forschung im Bereich Immunologie zugewandt. In einem aktuellen Forschungsprojekt zum Thema Kardio-Immunologie, das er zusammen mit der Kardiologin Dörthe Schmidt durchführt, geht es um den Zusammenhang zwischen Herzmuskelentzündungen und dem Mikrobiom.
Herzmuskelentzündung als Nebeneffekt
In einer ersten Studie konnte Burkhard Ludewig zeigen, dass bestimmte Bakterien im menschlichen Darm eine fehlgesteuerte Immunreaktion gegen Herzmuskelproteine auslösen können. Das Bakterium mit dem komplizierten Namen Bacteroides thetaiotaomicrom besitzt ein Protein mit einer hohen Ähnlichkeit zu einem Herzmuskelprotein. Richtet das Immunsystem seine Abwehr gegen das bakterielle Protein, greift es dadurch zugleich den Herzmuskel an und verursacht eine Entzündung. Diese immunologische Kreuzreaktivität in der «Darm-Herzachse» scheint es aufgrund bisheriger Erkenntnisse bei rund 40 Prozent der Patientinnen und Patienten mit einer Herzmuskelentzündung zu geben.
Zusammenhänge verstehen
Um die Zusammenhänge zwischen Darm, Mikrobiom, Immunsystem und Herzmuskel besser zu verstehen, wollen die beiden Forschenden die Studie ausweiten. 30 Patientinnen und Patienten mit einer akuten sowie 30 mit einer chronischen Herzmuskelentzündung wollen sie über mehrere Jahre begleiten und ihre Daten laufend auswerten. «Wir fragen jeden Einzelnen persönlich an, ob er oder sie dazu bereit ist», erklärt Dörthe Schmidt. Die Kardiologin betreut die klinische Seite der Studie und führt regelmässig Gespräche mit den Patientinnen und Patienten. Die beiden Forschenden erwarten, dass die Ergebnisse der Studie einen Ansatz für neue Therapien bei der Myokarditis bieten werden. Die nächste Frage wäre dann, ob sich die Resultate auch auf andere entzündliche Herzmuskelerkrankungen oder Herzinsuffizienz übertragen lassen.
Universitätsspital bietet ideales Umfeld
Die Kardioimmunologie ist ein noch relativ junges Forschungsgebiet, erst in den letzten Jahren ist das Interesse daran erwacht. Burkhard Ludewig ist einer der wenigen Spezialisten auf diesem Gebiet und speziell für diese Forschung zu 20% im Herzzentrum am USZ angestellt. Ein Gewinn für beide Seiten: «Hier am USZ sind die Bedingungen ideal. Dank der engen Zusammenarbeit mit den Spezialisten von Kardiologie und Immunologie können wir die Forschung aus dem Labor unmittelbar mit der Klinik verbinden». Und an Fragestellungen mangelt es nicht: «Bei rund der Hälfte der Myokarditispatienten ist die immunologische Darm-Herzachse beteiligt. Eine Therapie, die bei der Ursache ansetzt, wäre ein grosser Gewinn für die Patientinnen und Patienten». Mit dem gewählten breiten Studienansatz hoffen die beiden Forschenden deshalb, relevante Faktoren zu entdecken und Konzepte für die Behandlung der Herzmuskelentzündung zu entwickeln.