Schockraum Patienten werden versorgt

Story

Von der Kriegsmedizin zur modernen Traumatologie

Publiziert am 30. September 2022

Das USZ verfügt über eines der grössten Traumazentren Europas. Interdisziplinäre Teams versorgen dort Menschen mit leichten bis lebensbedrohlichen Verletzungen.

Die Traumatologie hat ihren Ursprung in der Erstversorgung von verletzten Soldaten auf den Schlachtfeldern des 18. Jahrhunderts. Je schneller sie versorgt wurden, umso eher überlebten sie. Amputationen etwa mussten sofort erfolgen, damit sich die Wunde nicht infizierte. Es ging darum, Leben zu retten. Kriegsärzte wie Dominique Jean Larrey, der Leibarzt von Napoleon, waren in der Lage, eine Hand oder ein Bein in weniger als einer Minute zu amputieren. «Heute befasst sich die Traumatologie in erster Linie mit der Diagnose und Therapie von Unfallverletzungen », sagt Hans-Christoph Pape, Direktor der Klinik für Traumatologie. Am USZ werden pro Jahr im Durchschnitt 350 schwerverletzte Patientinnen und Patienten im Schockraum versorgt. Damit gehört es zu den grössten Traumazentren Europas. Das USZ hat angeboten, Kriegsverletzte aus der Ukraine zu behandeln. «Das wären jene, die dank einer Erstversorgung überlebt haben und die transportfähig sind», erklärt Hans-Christoph Pape. Er hat aus seiner früheren Tätigkeit in Aachen Erfahrungen mit Patienten aus Kriegsgebieten. «Sie haben zum Beispiel offene Verletzungen, die nicht richtig heilen und die einen zweiten Eingriff benötigen. Dies, um ein Bein wieder gerade zu bekommen oder einen Arm wieder funktionstüchtig», führt er aus. Solche Eingriffe erfolgen häufig Wochen oder Monate nach der Verletzung.

Teamarbeit im Schockraum

Patientinnen und Patienten mit leichten Verletzungen kommen in der Regel über den Notfall ans USZ. Wer sich beim Heimwerken die Schulter verrenkt oder beim Sport den Knöchel verdreht, wird im Institut für Notfallmedizin versorgt. Je nach Art der Verletzung kommen Spezialisten dazu; immer vor Ort ist ein Arzt oder eine Ärztin der Traumatologie. Werden hingegen mit den Rettungsdiensten Schwerverletzte ans USZ transportiert, etwa nach einem Verkehrsunfall, geht es darum, schnell das Ausmass der lebensbedrohlichen Verletzungen festzustellen. Im Schockraum versammelt sich in kürzester Zeit eine Notfallcrew mit Fachpersonen aus verschiedenen Spezialdisziplinen wie Anästhesie, Unfallchirurgie, Pflege, Medizin oder Neurochirurgie. Sie unternehmen alles, um die Patienten so schnell wie möglich zu stabilisieren und deren Leben zu retten. Das USZ verfügt über zwei interdisziplinäre Schockräume und Operationssäle, die direkt nebeneinander liegen. Dadurch ist im Notfall eine hohe Flexibilität gewährleistet, und es können gleichzeitig mehrere schwerverletzte Personen optimal versorgt werden. Mit dieser Infrastruktur sichert das USZ für die Bevölkerung eine hohe Verfügbarkeit in der Notfallversorgung.

Fachwissen unter einem Dach

Die allerhäufigste Verletzung überhaupt, erklärt Hans-Christoph Pape, sei die Radiusfraktur der Hand. Bei einem Sturz versuche man reflexartig, sich mit den Händen abzufangen. Diese Verletzung komme bei Menschen jeden Alters vor. Da gibt es den jugendlichen Mountainbiker oder die ältere Dame, die ausrutscht. Gerade ältere Menschen brechen sich bei Stürzen zwar häufig den Schenkelhals, aber leider auch die Hand. Das USZ bietet eine Sturzsprechstunde explizit für ältere Menschen an, in der Fachpersonen aus Traumatologie und Altersmedizin zusammenarbeiten. Bei zahlreichen Verletzungen braucht es die Expertise verschiedener Disziplinen, etwa die der Plastischen Chirurgie, der Handchirurgie, des Zentrums für Brandverletzte oder der Psychiatrischen Dienste. «Die Aufteilung in verschiedene Expertengruppen kommt den Patientinnen und Patienten zugute, denn am USZ machen wir nicht nur die Primärversorgung, sondern wir behandeln auch die Folgezustände», sagt Hans-Christoph Pape. Die Wege zu den Spezialistinnen und Spezialisten sind hier kurz, denn alle Fachdisziplinen sind unter einem Dach vereint.

Minimalinvasive Operationen

Für verschiedene Verletzungsregionen gibt es heute spezielle Implantate, mit denen man zum Beispiel instabile Knochen wieder gerade richtet. «Heute verfügen wir über Implantate, die helfen, das Leben der Verletzten zu erhalten», sagt Hans-Christoph Pape. Seit den frühen 60er-Jahren werden standardisierte Implantate hergestellt. Damals wurde auch die Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen (AO) gegründet, die sich mit Forschung, Entwicklung und Lehre im Bereich der Traumatologie befasst. Seither gibt es Klassifikationen für verschiedene Bruchformen und weltweite Standards nach AO-Klassifikation für Knochenbrüche. Heute wird zudem minimalinvasiv und computerunterstützt operiert. In der Klinik für Traumatologie sind Teams entsprechend spezialisiert, zum Beispiel für die Versorgung von Verletzungen an Extremitäten, Becken oder Wirbelsäule, aber auch von Schwerstverletzten.

Entzündungsreaktionen erforschen

«In der Forschung untersuchen wir zum Beispiel Brüche, die nicht richtig heilen. Wir gehen der Frage nach, welche Faktoren die Heilung beeinflussen», erklärt Hans-Christoph Pape. Einen weiteren Fokus legen die Forschenden der Traumatologie auf die unterschiedlichen Entzündungsreaktionen nach Verletzungen und warum diese bei gewissen Patientinnen und Patienten zu gering oder zu stark ausfallen. Je nach Ausprägung kann eine solche Entzündungsreaktion den Aufenthalt auf der Intensivstation verlängern. Untersucht werden auch Störungen an Knochen und Weichteilen, die dazu führen können, dass nicht gut durchblutete Haut nach wenigen Tagen einfach abstirbt. Mit neuen Durchblutungsmessgeräten, die im Rahmen einer Studie im klinischen Alltag getestet werden, wollen die Forschenden herausfinden, ob bei bestimmten Patienten die Gefahr einer Wundheilungsstörung grösser ist als bei anderen.

Hans-Christoph Pape, Prof. Dr. med.

Klinikdirektor, Klinik für Traumatologie

Tel. +41 44 255 27 55
Spezialgebiete: Traumatologie , Polytrauma, Becken, Hüftgelenk

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