Story

Den Viren und Bakterien auf der Spur

Zuletzt aktualisiert am 19. Juli 2021 Erstmals publiziert am 22. Dezember 2020

Die Corona-Pandemie ist für das Team von Annelies Zinkernagel, Direktorin der Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene, eine ausserordentliche Herausforderung. Sie beinhaltet aber auch die Chance, die Hygienemassnahmen im Spitalalltag noch fester zu verankern.

Die Begeisterung für ihr Fachgebiet ist Annelies Zinkernagel trotz Gesichtsmaske unschwer anzumerken. Sie spricht schnell, mit Nachdruck, eindringlich. «Wie wichtig Präventionsmassnahmen sind und was sie  bewirken können, ist vielen Mitarbeitenden seit Corona deutlich bewusster. Die praktische Umsetzung erfordert eine Menge Disziplin. Das ist auf die Dauer anstrengend», erklärt sie. Und ergänzt: «Dass der Erfolg darin besteht, dass etwas nicht eintritt, macht es doppelt anspruchsvoll. Bislang haben sich im USZ bei der Arbeit am Bett von Patientinnen und Patienten keine Mitarbeitende angesteckt. Das erfüllt mich mit grosser Zufriedenheit.»

Spitalinfektionen vermeiden

Das kontinuierliche Messen von Infektionsraten und Präventionsmassnahmen, aber auch gezielte Besuche auf allen Abteilungen gehören zum Alltag der Spitalhygiene. «Unser Ziel ist es, die Spitalinfektionen am USZ auf unter fünf Prozent zu senken. Wir wollen die Mitarbeitenden in ihrer Arbeit unterstützen. Letztlich mit dem Ziel, unsere Patientinnen und Patienten vor unnötigen Infektionen zu bewahren.» Vorausschauende Risikoanalysen, Optimieren von Abläufen und der Arbeitsumgebung sowie viel Kommunikation im ganzen USZ: Auch das gehört zu den zentralen Aufgaben von Annelies Zinkernagel und ihrem Team. Werden zum Beispiel auf einer Abteilung resistente Keime festgestellt, dann beginnt die Detektivarbeit: Sind mehrere Personen betroffen? Tragen sie alle dieselben Keime in sich? Wie ist eine allfällige Übertragung zustande gekommen? Aus den Antworten werden gemeinsam griffige Massnahmen abgeleitet, um weitere  Übertragungen zu verhindern.

Infektionen richtig behandeln

Eine wichtige Rolle in der Prävention und Bekämpfung bakterieller Infekte spielen Antibiotika. Vor Operationen werden sie routinemässig verabreicht, 30 bis 60 Minuten vor dem Schnitt ist ideal. Sie dürfen aber nicht leichtfertig zum Einsatz kommen. Dauer und Dosierung werden mit Bedacht gewählt, die sogenannten Reserve-Antibiotika, die auch gegen multiresistente Keime noch wirken, dürfen nur mit Bewilligung der Klinik für Infektiologie überhaupt eingesetzt werden. «In der Schweiz haben wir zum Glück noch relativ wenig Resistenzen», meint Annelies Zinkernagel, «und das soll auch so bleiben.» Patientinnen und Patienten, die im Ausland hospitalisiert waren, werden am USZ aus diesem Grund vorsorglich isoliert, bis klar ist, welche resistenten Keime sie allenfalls in sich tragen.

Einmal quer durch die Bevölkerung

Was aber fasziniert sie eigentlich so an ihrem Fachgebiet? «Wir behandeln Menschen mit hochkomplexen Krankheiten, arbeiten absolut interdisziplinär. Von HIV über Hepatitis bis zur Tuberkulose: Das Spektrum ist extrem breit. Und wir sehen ständig neue Formen, die Corona-Pandemie ist nur das jüngste Beispiel.» Die leidenschaftliche Klinikerin und Forscherin will auch andere begeistern, verschiedene Fachrichtungen wie Medizin und Biologie integrieren, ein Vorbild sein, fachlich wie menschlich. Mit Erfolg: Das Portfolio der Forschungsprojekte an ihrer Klinik ist eindrücklich, Studierende verschiedener Fachrichtungen klopfen gerne bei ihr an.

Schlechte Bakterien – gute Bakterien

Von HIV-Langzeitstudien über Studien zu Infekten nach dem Einsatz von Gelenkprothesen und Gefässimplantaten bis hin zu solchen über das menschliche Biom ist alles dabei. «Ganz besonders fasziniert mich der Staphylococcus aureus. Wir versuchen herauszufinden, weshalb dieses Bakterium manche Menschen ohne negativen Effekt stark besiedeln kann, bei anderen dagegen zu schweren, kaum therapierbaren Infektionen führt.» Das Ziel der Forschungstätigkeit von Annelies Zinkernagel ist dabei immer dasselbe: ein möglichst konkreter Nutzen für die Patientinnen und Patienten.