Fachartikel

Transplantation bei Blutkrebs

Bei aggressiven Leukämieformen, auch bei Rezidiven kann eine Stammzelltransplantation die am besten geeignete Therapie sein. In jedem Fall ist eine exakte Diagnose zu empfehlen.

Bei einer akuten Leukämie ist rasches Handeln überlebenswichtig. Klassisch wird mit einer Chemotherapie behandelt, seit ein paar Jahren auch mit zielgerichteten oder Immuntherapien – sie können zusätzlich oder statt den eher unselektiv wirkenden und zellschädigenden Zytostatika zum Einsatz kommen. Doch bei etwa der Hälfte der am USZ behandelten Patientinnen und Patienten sehen die Spezialistinnen und Spezialisten schon sehr früh, dass eine intensivere Therapie wie die Blutstammzelltransplantation notwendig ist. Auch bei einem Rezidiv kann eine Transplantation infrage kommen.

«Wenn wir bestimmte genetische Veränderungen sehen, wissen wir, dass wir kein zielgerichtetes Molekül und keinen Antikörper haben oder aber auch, dass die Prognose für das Überleben sehr schlecht ist», sagt PD Dr. Antonia Müller. Sie ist Oberärztin der Klinik für medizinische Onkologie und Hämatologie und auf Stammzelltransplantationen spezialisiert; ihr Forschungsgebiet ist die Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion. Weil die hochdosierte Chemotherapie vor der Transplantation die gesamte Blutbildung und Immunabwehr zerstört, wird insbesondere bei älteren Patientinnen und Patienten, die besonders häufig von Leukämie betroffen sind, sehr genau abgeklärt, wie gut oder schlecht der Gesundheitszustand ist. «Wir können nur transplantieren, wenn die zu behandelten Personen fit genug sind», sagt Dr. Müller.

Meist allogen, selten autolog

Nach einer rund sieben Tage dauernden Hochdosischemotherapie werden der Patientin oder dem Patienten bei einer allogenen Transplantation Zellen eines Spenders infundiert. Das Zellgemisch aus Blutstammzellen und Immunzellen übernimmt künftig die Blutbildung und die Immunabwehr; auch Jahre nach einer Transplantation können die Spenderzellen wiederauftauchende Leukämiezellen attackieren. «Eine allogene Transplantation ist wie eine Immuntherapie», sagt Dr. Müller. Selbst aggressive Leukämieformen seien damit heilbar, oftmals könne es aber auch zur Immunreaktion gegen gesunde Gewebe des Empfängers kommen, zur sogenannten Transplantat-gegen-Wirt Reaktion. Die Immunaktivität nach Stammzelltransplantation sei also «eine Art Gratwanderung», bei der eine gewünschte Immunattacke gegen Leukämiezellen und eine gewebeschädigende Immunität gesunder Organe mittels medikamentöser Immunsuppression moduliert würden. «Die Lymphozyten von Spenderinnen und Spendern sowie Empfängerinnen und Empfänger müssen in zehn bis zwölf Merkmalen übereinstimmen, sonst ist die Immunreaktion gegen gesunde Gewebe zu stark», sagt Dr. Müller. Eine bei Leukämien seltener gewählte Behandlungsvariante ist die autologe Stammzelltransplantation nach Hochdosischemotherapie, bei der betroffene Person nach der Behandlung mit Zytostatika seine eigenen Blutstammzellen zurückinfundiert bekommt. «Die eigenen Stammzellen dienen lediglich dazu, dass sich die Blutbildung schneller erholt – eine Immunreaktion gegen Leukämiezellen tritt hierbei nicht auf».

Nachdem die Chemotherapie lange Zeit die einzige Behandlung bei Leukämien war, bringt die Grundlagenforschung in den letzten fünf Jahren laufend neue Erkenntnisse, die zu neuen und spezifischen Therapiewegen führen. Um die für die erkrankten Personen passende Behandlung wählen zu können, ist eine exakte Diagnose notwendig. «Wir versuchen, die Krankheit aufgrund zellulärer, genetischer oder anderer Merkmale so gut wie möglich zu charakterisieren und dann möglichst gezielt zu behandeln», sagt Dr. Müller. Das Alter ist für sie kein Ausschlusskriterium für eine Stammzelltransplantation. Oft werde zu früh entschieden, dass sich eine Therapie nicht lohne. Sie rät in jedem Fall zu einer kompletten Diagnostik. «Erst danach kann man beurteilen, wie man behandeln könnte, ob intensiv oder weniger intensiv.»