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Schwere Entzündung – unklare Ursache

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind schmerzhaft und belasten bei vielen Betroffenen auch das Sozialleben. Eine medikamentöse Behandlung verschafft momentane Linderung, längerfristig ist eine Operation für viele Patienten unumgänglich.

Rund 20’000 Menschen in der Schweiz sind von einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, kurz IBD, betroffen. Unter diesem Kürzel zusammengefasst werden Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, die typischerweise bei Männern und Frauen zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr erstmals auftreten. «Eine konkrete Ursache dafür ist meist nur sehr schwer auszumachen», sagt Luc Biedermann, Leitender Arzt der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie. «Häufig wirken verschiedene Faktoren zusammen.» Vererbung und Lebensweise könnten diesbezüglich ebenso in Betracht gezogen werden wie Umwelteinflüsse, ein Ungleichgewicht der Darmflora oder ein irritiertes Immunsystem,
so Luc Biedermann.

Gestörte Barrierefunktion

Da gerade am Anfang einer Erkrankung die Symptome vielfach subtil ausfallen, werden sie von den Betroffenen mitunter ignoriert oder als Reizdarm abgetan. Typische Erscheinungen im Zuge einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung manifestieren sich etwa als mit Stuhlunregelmässigkeit einhergehender Durchfall, als Blut im Stuhl oder als Bauchkrämpfe. Begleitend auftreten können Antriebslosigkeit, Fieber oder Abgeschlagenheit. Patientinnen und Patienten mit IBD leiden häufig zusätzlich unter einer gravierenden Einschränkung des Intim- und des Soziallebens; mit den Auswirkungen der Krankheit geht oft ein Rückzug aus dem gewohnten Alltag oder eine aufgezwungene Isolation einher. «Betroffene müssen letztlich auch lernen, mit einem lebenslangen Begleiter
zurechtzukommen, deshalb hilft bei der Krankheitsbewältigung manchmal auch der Beizug eines Psychotherapeuten», erklärt Philipp Schreiner, Oberarzt an der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie. Während Colitis ulcerosa ausschliesslich den Dickdarm befällt, ist bei Morbus Crohn der gesamte Verdauungstrakt vom Mund bis zum After betroffen. Die entzündeten Darmabschnitte hängen in der Regel nicht zusammen, kranke und gesunde Bereiche wechseln sich also ab. Sowohl bei Morbus Crohn als auch bei Colitis ulcerosa ist die natürliche Barrierefunktion der Darmwand gestört, Bakterien können dadurch nahezu ungestört in die Darmwand eindringen. Infolgedessen schaltet der Körper in den Abwehrmodus, Entzündungsreaktionen sind die Folge.

Krankes Gewebe entfernen

Eine eigentlich Heilung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gibt es (noch) nicht – Beschwerden allerdings können gemindert und die Lebensqualität damit wieder gesteigert werden. «Gerade deshalb ist das frühzeitige Erkennen der Erkrankung wichtig», betont Luc Biedermann. «Was die medikamentöse Behandlung anbelangt, kann in neun von zehn Fällen eine rasche und anhaltende Besserung erzielt werden.» Zur Anwendung gelangen hauptsächlich Kortison oder andere Immunsuppressiva, vermehrt aber auch Biologika, die zur Bekämpfung der Entzündung Antikörper einsetzen. In erster Linie setzt die Medizin dabei auf die Verringerung oder Unterbindung von Entzündungsschüben.

Viele Betroffene von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa schaffen es denn auch dank Medikamenten, den Alltag mehr oder weniger geordnet zu bewältigen. Manchmal aber ist eine Operation unumgänglich, erläutert Philipp Schreiner. Dies zum einen, weil eine Medikamenteneinnahme über längere Zeit aufgrund der Nebenwirkungen nicht ratsam ist; zum anderen können sich in den verschiedenen Entzündungsabschnitten Fisteln oder Abszesse bilden und einen Eingriff notwendig machen. «Rund 15 Prozent der Colitis-ulcerosa-Patienten müssen sich mit den Jahren einer Operation unterziehen, bei den Patienten mit Morbus Crohn sind es 40 bis 50 Prozent», erklärt Philipp Schreiner. Im Falle von Morbus Crohn wird das kranke Gewebe, bei Colitis ulcerosa in der Regel sogar der ganze Dickdarm entfernt. Neue Techniken ermöglichen dabei einen chirurgisch schonenden Eingriff. Auch hier ist das primäre Ziel, die Lebensqualität der von einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Betroffenen dauerhaft zu steigern.

Individuelle Häufigkeit

Nichts mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zu tun hat dagegen das Thema Obstipation – umgangssprachlich Verstopfung. Häufig ist die Darmträgheit eine Begleiterscheinung einer anderweitig gelagerten Erkrankung. Eine gewisse Rolle spielt unter anderem die genetische Veranlagung. Aber auch die Ernährung, das Rauchen, etwaige psychische Beeinträchtigungen, die Einnahme von Medikamenten oder anhaltender Stress können ihren Teil zur Obstipation beitragen. Studien gehen davon aus, dass in Industriestaaten jeder und jede Dritte von Zeit zu Zeit oder sogar anhaltend darunter leidet. Was aber, wenn Blähungen und Bauchkrämpfe anhalten, wenn zusätzliche Bewegung, eine Umstellung der Ernährung und Hausmittel wie Tee oder warmes Wasser den trägen Darm partout nicht wieder in Schwung bringen? Dann ist eine Konsultation der Ärztin oder des Arztes sicherlich angezeigt, um mögliche Ursachen zu ergründen. Dasselbe gilt, wenn Durchfallepisoden schon fast zur Normalität werden. Als Faustregel gilt ganz grundsätzlich: Halten Verdauungsprobleme länger als drei Monate an, kann von «chronisch» gesprochen werden. Alles zwischen drei Mal täglich und drei Mal in der Woche liegt im Rahmen des Normalen. Die Häufigkeit des Stuhlgangs ist letztlich eben nicht nur eine intime, sondern auch äusserst individuelle Angelegenheit.

Luc Biedermann, Prof. Dr. med.

Leitender Arzt, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie

Tel. +41 44 255 85 48
Spezialgebiete: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (IBD), Eosinophile Ösophagitis (EoE) und Eosinophile Gastrointestinale Erkrankungen (EGID), Zöliakie