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Resistenz gegen das meistverwendete HIV-Medikament verhindern

Zuletzt aktualisiert am 01. November 2023 Erstmals publiziert am 30. Oktober 2023

Die Ausbreitung von Resistenzen kann HIV-Wirkstoffe unbrauchbar machen. Forschende aus dem USZ, von der Universität Bern und der University of KwaZulu-Natal haben beim wichtigsten Wirkstoff untersucht, wie häufig die Resistenz dagegen ist und was zur Resistenzentwicklung führen kann.

Dolutegravir (DTG) ist weltweit einer der am häufigsten eingesetzten Wirkstoffe, um die Vermehrung von HI-Viren bei HIV-Patienten zu stoppen. Er ist wirksam, gut verträglich und hat eine hohe Schwelle zur Entwicklung von Resistenzen. Die WHO empfiehlt DTG deshalb seit 2019 als Erst-Linien-Medikament für alle Populationen. Mehr als 20 Millionen mit dem HI-Virus infizierte Personen – einschliesslich schwangerer Frauen und Kinder – verwenden DTG.

Bisher keine Informationen zur Verbreitung und zum Risiko

Dass einzelne Personen gegen den Wirkstoff DTG eine Resistenz entwickeln können, ist bekannt. Eine verbreitete Resistenz gegen den Wirkstoff hätte für die Versorgung von Menschen mit HIV jedoch verheerende Folgen, vor allem in Weltgegenden mit wenigen Ressourcen im Gesundheitswesen. Zum Ausmass der Resistenzbildung gegen DTG fehlten bisher aber eine systematische Erhebung und aussagekräftige Informationen, weil in den vorliegenden Studien die Zahl der untersuchten Fälle zu klein war oder keine repräsentative Gruppe abbildeten. Wie verbreitet die DTG-Resistenz ist und welche Risikofaktoren für eine Ausbreitung bestehen, hat nun ein Forschungsteam um die Epidemiologen Tom Loosli und Roger Kouyos von der Forschungsgruppe quantitative Infektiologie in der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am USZ, dem Epidemiologen Matthias Egger (Universität Bern) und dem Infektiologen Richard Lessels (University of KwaZulu-Natal) untersucht. Die Studie wurde in Lancet HIV publiziert.

Erste systematische Studie mit Daten aus acht Ländern

Das Team wertete dafür aus acht Kohorten aus Kanada, Südafrika und sechs europäischen Ländern (NL, F, D, UK, I, CH) die Daten von 599 Personen aus, die zwischen 2013 und 2022 eine DTG-basierte Therapie erhielten und für die genotypische Informationen zu ihrem Virus vorlagen. Die Daten aus der Schweiz lieferte die seit 1988 laufende Swiss HIV Cohort Study. In der Auswertung berücksichtigt wurden u.a. welche HIV-Subtypen und -Mutationen vorlagen, ob bereits Resistenzen gegen andere HIV-Medikamente vorhanden waren, ob DTG als Kombinationsmedikament oder als alleiniger Wirkstoff verabreicht wurde sowie die Dauer der Medikation.

Endlich Zahlen zu Häufigkeit und Risikofaktoren

Von den 599 Personen wiesen 563 (94 Prozent) keine DTG-Resistenz auf, 36 Personen wiesen eine DTG-Resistenz in unterschiedlichen Graden auf, 6 Personen davon in einem hohen Grad. Als wichtigste Risikofaktoren für eine DTG-Resistenz erwiesen sich in der Studie die Einnahme von DTG als einzelner Wirkstoff (Monotherapie) und als duale Therapie in Kombination mit dem Wirkstoff Lamivudin sowie eine bestehende Resistenz gegen Nukleosid Reverse Transkriptase Inhibitoren (NRTI), die üblicherweise in Kombination mit DTG eingesetzt werden.

DTG-Resistenz ist noch selten, aber Überwachung nötig

«Das Auftreten von 6 Prozent DTG-Resistenz ist erfreulich tief, aber auch nicht vernachlässigbar», so Tom Loosli, Erstautor der Studie, zu den Resultaten. «Denn die weltweite Einführung von DTG könnte die Häufigkeit von Resistenzen gegen den Wirkstoff deutlich erhöhen, insbesondere, wenn resistente Viren übertragen werden.»

Entscheidend ist die weltweite Überwachung

In Ländern mit einer ausgebauten Gesundheitsversorgung für HIV-Patientinnen und -Patienten werden Wirkstoffresistenzen schnell entdeckt, weil routinemässig die Viruslast bestimmt und so ein Therapieversagen, also die Nichtwirksamkeit von Medikamenten, rasch entdeckt wird. Zudem wird schon vor Therapiebeginn getestet, ob Resistenzen vorliegen. Die Therapie kann dann frühzeitig angepasst und die Verbreitung der Resistenzen unterbrochen werden. In Ländern mit weniger Ressourcen werden die verhältnismässig teuren Resistenztests in der Regel kaum oder erst gemacht, wenn bei einem Patienten mehrere medikamentöse Therapien keine Wirkung zeigten und schon mit hoher Wahrscheinlichkeit eine oder gar mehrere Resistenzen bestehen. Für den einzelnen Patienten bedeutet dies eine Verzögerung seiner Behandlung, für die Gesellschaft ein erhöhtes Risiko der Ausbreitung von Resistenzen. So mussten frühere Therapien mit anderen Wirkstoffen eingestellt werden, weil sich Resistenzen dagegen zu weit ausgebreitet hatten. «Entscheidend ist deshalb, mit der breiten Verwendung von DTG auch die weltweite Überwachung der Resistenzentwicklung auszubauen, um rechtzeitig Massnahmen zu ergreifen und den Wirkstoff nicht zu verlieren», folgert Tom Loosli. «Wie unsere Studie zeigte, ist das Risiko für DTG-Resistenz deutlich erhöht bei Menschen mit HIV, bei denen ein Therapieversagen und eine NRTI-Resistenz eintreten oder die eine Dualtherapie mit DTG+3TC erhalten. Patientinnen und -Patienten mit diesem Risikoprofil sollten besonders aufmerksam monitorisiert werden.

Publikation in Lancet HIV

Die Studie wurde von einem Forschungsteam um die Epidemiologen Tom Loosli und Roger Kouyos von der Forschungsgruppe quantitative Infektiologie in der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am USZ, dem Epidemiologen Matthias Egger (Universität Bern) und dem Infektiologen Richard Lessels (University of KwaZulu-Natal) durchgeführt.

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