Bilddiagnostik beschleunigt die Behandlung bei schweren Schlaganfällen
Die technische Weiterentwicklung der letzten Jahre ermöglicht heute nicht nur eine verfeinerte Bildgebung bei der Computertomographie (CT) und der Magnetresonanztomographie (MRT), sondern auch ein deutlich höheres Tempo. Bei einem Schlaganfall verortet der CT-Scan ein Blutgerinnsel schon nach zwei Minuten präzis, was die Behandlung enorm beschleunigt. Die verfeinerte Bildgebung kann eine Detailtiefe abbilden, die bis vor wenigen Jahren undenkbar gewesen ist. «Standen uns früher 200 Bilder zur Diagnose zur Verfügung, so sind es heute 4’000», erklärt Zsolt Kulcsár. «Aber auch bei hoher Präzision braucht es Spezialisten, die die richtigen Informationen herausfiltern und jede Nuance einer Schattierung zuordnen können.» So hat denn Bilddiagnostik für den Klinikleiter etwas Detektivisches. «Es ist für mich wie ein Krimi, bei dem ich dem Täter unbedingt auf die Spur kommen will.»
2021: 50’000 Bilddiagnosen
Die Klinik für Neuroradiologie erstellte 2021 an den vier Standorten USZ Campus, Wollishofen, Schlieren und Flughafen rund 50’000 Bilddiagnosen. Davon wurden 1’200 Personen am USZ über eine Neuro-Intervention behandelt. «Ansonsten untersuchen wir als Dienstleister natürlich auch Rücken, Kopf und Gliedmassen», sagt Zsolt Kulcsár. 50’000 Diagnosen sind ein grosses Volumen mit dem Anspruch auf hohe Qualität. Zsolt Kulcsár besteht auf striktes Vier-Augen-Prinzip. Dieses Alleinstellungsmerkmal will er auf keinen Fall preisgeben. Der Erfolg gibt ihm recht. Die Zuweisungen durch private Ärzte steigen. Die Wartezeiten aber auch. «Mit neuen Abläufen werden wir die Vorgänge beschleunigen », erklärt der Klinikleiter. «Wir haben in anderen Bereichen bewiesen, dass wir schnell sein können. Wir werden auch diese Prozesse optimieren – ohne Kompromisse bezüglich Qualität. Das ist mein Anspruch.»
In der interventionellen Kathetertechnik schweizweit führend
Neben der Bilddiagnostik nehmen die Spezialisten für Neuroradiologie auch minimalinvasive Eingriffe zur Behandlung von Gefässproblemen, Tumoren, Tinnitus sowie Tränenwegserkrankungen vor. Die wichtigste Behandlungsmethode ist dabei die Kathetertechnik. Kann bei einem Schlaganfall das Blutgerinnsel nicht medikamentös aufgelöst werden, wird es mittels Kathetertechnik aus dem betroffenen Gefäss gezogen. Zsolt Kulcsár und sein Team sind in der interventionellen Kathetertechnik schweizweit führend. Behandelte die Klinik für Neuroradiologie im Jahr 2016 noch weniger als 100 akute Schlaganfälle, so waren es 2021 fast 230 Patientinnen und Patienten. Bis zu zwei Drittel der Behandelten können ihr Leben später selbstständig weiterführen. Vorher lag der Wert bei gerade mal 20 Prozent.
Hohes Risiko – hohe Belastung
Die Behandlung eines akuten Schlaganfalls bedeutet für alle Beteiligten stets einen Wettlauf gegen die Zeit. «Eingriffe am Gehirn sind immer enorm komplex und dauern lange», betont Zsolt Kulcsár. «Liegen wir mit unserem Katheter einen halben Millimeter daneben, stirbt der Mensch oder lebt künftig mit schwersten Einschränkungen.» Das belastet. Rund um die Uhr in Bereitschaft, leisten die Spezialisten viele Notfalldienste pro Monat. «Meine Aufgabe ist es, unser Team optimal zu organisieren und so vor dem Ausbrennen zu schützen.» Gleichzeitig sind aber häufige Eingriffe für die notwendige Erfahrung in diesem schwierigen Fachgebiet wichtig. Ein Dilemma, dessen sich der Klinikleiter bewusst ist. Kommt hinzu, dass interventionelle Neuroradiologinnen und -radiologen rar sind. Zsolt Kulcsár sucht deshalb aktiv nach hochqualifizierten Fachärztinnen und Fachärzten. Auch Forschende will er vermehrt anziehen. Mit Projekten zur Bildgebung nimmt die Klinik an internationalen Studien teil. Zsolt Kulcsár selber leitet eine europäische Studie zur Behandlung von Hirnaneurysmen. Die Hierarchie hält er möglichst flach und involviert sein Team in praktisch alle Prozesse. Das motiviert das Team, aber auch den Klinikdirektor: «Ich entscheide am Ende einer gemeinsam geführten Diskussion und übernehme dafür gerne die Verantwortung.»