Je genauer ein Tumor analysiert werden kann, desto besser stehen die Chancen für eine effiziente individuelle Behandlung. Noch gibt es offene Fragen.
Text: Helga Kessler
Wenn aus gesunden Zellen Krebszellen werden, hat das einen Grund. Diesen zu finden und die Krebszelle dann an ihrer Schwachstelle anzugreifen, ist das Ziel der Präzisionsonkologie. Statt einer Chemotherapie, wie sie früher bei fast allen Tumoren Standard war, bekommen heute immer mehr Betroffene «zielgerichtete Medikamente». Die Behandlung wirkt besser und verursacht gleichzeitig weniger Nebenwirkungen. «In den vergangenen Jahren hat die Krebsmedizin rasante Fortschritte gemacht», sagt Thorsten Zenz, Leitender Arzt der Klinik für medizinische Onkologie und Hämatologie.
Vorhersagen können, was wirkt
Die Grundlage für die individuelle Behandlung liefern genaue Analysen der Tumorzellen. Molekularpathologen suchen systematisch nach veränderten Genen, sogenannten Mutationen, die krankmachende Prozesse anstossen. Dank dieser Biomarker lässt sich vorhersagen, ob ein bestimmtes Medikament überhaupt wirken kann. Ist das nicht der Fall, erspart man dem Patienten eine unnötige Therapie – und dem Gesundheitssystem unnötige Kosten.
Von einigen Genen weiss man heute, dass sie an sehr vielen verschiedenen Krebsarten beteiligt sind, so zum Beispiel ein Gen namens BRAF sowie eines namens RAS. Sind diese Gene mutiert, stösst das Signalketten an, die die Tumore wachsen lassen. Massgeschneiderte Moleküle, sogenannte Inhibitoren, können die Signalketten stoppen. Andere Genveränderungen verhindern, dass defekte Zellen repariert und entfernt werden. Eine zentrale Rolle bei vielen Krebsarten spielt das Reparatur- oder Tumorsuppresor-Gen p53. Mit speziell entwickelten Molekülen versucht man, den gestörten Reparaturmechanismus wieder in Gang zu bringen. Andere Krebsmedikamente wirken, indem sie den Tumor daran hindern, neue Blutgefässe zu bilden.
Oft weisen Tumore mehrere Veränderungen auf – nicht alle sind bereits bekannt oder lassen sich zielgerichtet attackieren. «Was wir uns wünschen, ist, dass wir für jeden einzelnen Patienten eine Wahrscheinlichkeit ableiten können, wie gut er oder sie auf eine Therapie ansprechen wird», sagt Thorsten Zenz, der auf die Behandlung von Leukämien und Lymphomen
spezialisiert ist.