Story

Patientengeschichte – «Ich habe zwei Geburtstage»

Thomas Fässler kam mit einem komplizierten Herzfehler zur Welt. Als Kind wurde er mehrmals operiert und durfte keinen Sport treiben. Für eine Lehre war sein Herz zu schwach. Mit 30 bekam er ein neues Herz – seither ist alles anders.

Bei seiner Geburt gingen Ärzte davon aus, dass Thomas Fässler lediglich wenige Wochen zu leben hatte. Er litt an einem schweren Herzfehler. Doch dank geglückter Operationen, wirksamer Medikamente, vor allem aber dank seines Lebenswillens konnte Fässler vor wenigen Tagen seinen 40. Geburtstag feiern. „Ich bin ein Kämpfer“, sagt er.

Wer wie Fässler mit einem Herzfehler zur Welt kommt, hat kein normales Leben vor sich. In der Regel wird noch im Babyalter operiert, danach folgen immer wieder Kontrollen, Spitalaufenthalte, allenfalls weitere Eingriffe. Und natürlich: Medikamente. Bei Fässler waren es in den schwierigsten Zeiten über 20 gleichzeitig. Betroffene Kinder müssen auf vieles verzichten, was für Gleichaltrige selbstverständlich ist. „Ich durfte keinen Sport machen, fehlte wegen Spitalaufenthalten immer wieder in der Schule. Dadurch wurde ich automatisch zum Aussenseiter.“ Später war Fässlers Herz auch für eine Lehre zu schwach, er half im Geschäft des Vaters aus, so gut es eben ging.

Sein Leben bezeichnet er als ein stetes Auf und Ab. „Es gab Zeiten, die nicht schön waren, während derer ich morgens kaum aufstehen konnte“, sagt er. Aber lamentieren wolle er nicht, Selbstmitleid bringe nichts. „Entweder man lebt mit seinem Herzfehler, oder man lebt eben nicht“, sagt er.

Häufigster angeborener Defekt

Herzfehler sind die häufigsten angeborenen Defekte überhaupt. Im Durchschnitt kommt eines von 100 Babies damit zur Welt. Dabei gibt es sehr viele verschiedene Formen, manche schwerer, andere weniger. Zu Komplikationen kann es aber immer kommen. Ein Todesurteil ist ein angeborener Herzfehler jedoch nicht mehr – früher starben die meisten noch im Säuglingsalter. „Dank der modernen Herzchirurgie und Fortschritten in der Herzmedizin überleben heute 90 bis 95 Prozent“, weiss Professor Matthias Greutmann. Er ist Leiter der Abteilung für angeborene Herzfehler am Universitätsspital Zürich, wo erwachsene Herzfehler-Patientinnen behandelt werden, meist ein Leben lang.

Die Lebensqualität der meisten Patienten mit angeborenem Herzfehler bezeichnet Greutmann als relativ hoch. Viele würden ein aktives und erfülltes Leben führen, wenn auch häufig mit reduzierter Leistungsfähigkeit. „Oft werden die Patienten erst beim Auftreten von Komplikationen daran erinnert, dass sie krank sind.“ Die häufigste Komplikation sind Herzrhythmusstörungen. Auch in kritischen Lebensphasen wie beim Berufseinstieg oder bei der Familienplanung brauchen Betroffene Beratung und manchmal Unterstützung.

„Ein riesiges Geschenk“

Die Gruppe der sogenannten „Ein-Kammer-Herzen“ gehört zu den schwersten und komplexesten Herzfehlern. Davon war Fässler betroffen. Diese Herzfehler können erst seit wenigen Jahrzehnten mit der Fontan-Operation behandelt werden. Diese ermöglicht den betroffenen Patienten das Überleben. Komplikationen im jungen Erwachsenenalter sind aber sehr häufig.

Mit 30 Jahren war Fässlers Herz so schwach geworden, dass sein Leben abermals an einem seidenen Faden hing. Er wurde auf eine Liste von Kandidaten für eine Herztransplantation gesetzt. Diese Möglichkeit erhalten nur die wenigsten. In der ganzen Schweiz werden pro Jahr rund 30-40 Herztransplantationen vorgenommen, davon entfallen drei bis vier auf Menschen mit angeborenem Herzfehler.

Sieben bange Monate des Wartens später war es so weit: am 31. Mai 2012 erhielt Fässler am USZ ein neues Herz. „Das war ein riesiges Geschenk“, sagt er. Heute geht es Fässler so gut wie noch nie. Ausgiebig holt er nach, was früher nie möglich war: Er wandert, fährt Velo, trainiert zuhause im eigenen Kraftraum. Seine neu gewonnene Faszination für den Sport eröffnete ihm gar eine berufliche Perspektive: Nach einem Praktikum in einem Fitnesscenter und einer Ausbildung zum Personal Trainer hofft er darauf, bald eine feste Teilzeitstelle zu finden. Damit würde er sich teilweise von der IV lösen, von der er heute lebt. Schon heute nutzt Fässler seine eigenen Erfahrungen mit der Krankheit, um Menschen in der gleichen Situation zu helfen: er berät Patientinnen und Angehörige im Rahmen des Projekts Spenderherz.ch.

Den Jahrestag der Transplantation feiert Fässler übrigens ausgiebig. Zusammen mit seiner Freundin und seinen Brüdern geht er jeweils auswärts essen. „Ich habe zwei Geburtstage“, sagt er.

Sprechstunde Angeborene Herzfehler

Um die optimale Betreuung von Patientinnen und Patienten mit angeborenen Herzfehlern in jedem Alter zu gewährleisten, steht am Kinder- und Universitätsspital Zürich rund um die Uhr ein interdisziplinäres Team aus unterschiedlichen Fachgebieten zur Verfügung.

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Kontakt

Matthias Greutmann, Prof. Dr. med.

Leitender Arzt, Klinik für Kardiologie

Tel. +41 44 255 38 83
Spezialgebiete: Angeborene Herzfehler, Bindegewebeerkrankungen, Echokardiographie (2012 Certification ESC, CHD)

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