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Nicht jeder Prostatakrebs muss behandelt werden

Zuletzt aktualisiert am 24. November 2023 Erstmals publiziert am 14. November 2023

Bei risikoarmem Prostatakrebs ist aktives Überwachen das empfohlene Vorgehen. Es kann unnötige Behandlungen verhindern und stellt sicher, dass ein Fortschreiten des Krebses rechtzeitig erkannt und gestoppt wird. Am Universitätsspital Zürich wird die aktive Überwachung deutlich schneller umgesetzt als im übrigen Kanton. Dies zeigt eine Studie der Klinik für Urologie am USZ.

Prostatakrebs tritt bei vielen Männern in einem höheren Alter auf und wächst in der Regel langsam. Bei Prostatatumoren, die noch auf die Prostata beschränkt sind, keine Symptome verursachen und als risikoarm gelten, kann unter Umständen auf eine Behandlung verzichtet werden. Stattdessen wird die Strategie des aktiven Überwachens («Active Surveillance») angewendet. Im Rahmen der aktiven Überwachung kommt der Patient zu engmaschigen Kontrolluntersuchungen, bei denen der PSA-Wert beobachtet wird und regelmässig bildgebende Diagnostik (Ultraschall, Magnetresonanztomographie) und Gewebeentnahmen aus der Prostata (Kontrollbiospien) durchgeführt werden.

Systematische Kontrolle statt Operation oder Bestrahlung

Mehrere Studien haben gezeigt, dass die regelmässige Kontrolle im Vergleich mit einer sofortigen Therapie keinen gesundheitlichen Nachteil für die Patienten hat. Im Gegenteil, die aktive Überwachung verhindert eine Übertherapie. Eine aktive Behandlung wie die operative Prostataentfernung oder Bestrahlung wird erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt oder erweist sich im weiteren Verlauf als nicht nötig. So können die typischen Nebenwirkungen der Behandlungen umgangen werden. Die aktive Überwachung ist deshalb seit 2009 bei risikoarmem Prostatakrebs das von der europäischen Vereinigung der Urologen (European Association of Urology/EAU) empfohlene Vorgehen. Im Prostatakrebszentrum des USZ wird sie seither den Patienten als Therapieoption angeboten und gemäss den Empfehlungen umgesetzt.

Nicht überall wird aktiv überwacht, wenn es möglich ist

Ein Team der Klinik für Urologie des USZ hat zusammen mit Kolleginnen und Kollegen des Krebsregisters des Kantons Zürich die Daten zur aktiven Überwachung der letzten zehn Jahre wissenschaftlich ausgewertet. Die Frage war hierbei, wie sich die aktive Überwachung seit Beginn der offiziellen Empfehlung 2009 im Kanton etabliert hat. Dafür wurden Daten von insgesamt 3393 Patienten mit risikoarmen Prostatakrebs des Krebsregisters ZH ausgewertet.

Dabei zeigte sich, dass von 2009 bis 2018 am USZ signifikant mehr Patienten die aktive Überwachung gewählt hatten als Patienten, die im Rest des Kantons behandelt wurden (55.7% vs. 16%). Entsprechend weniger wurde am USZ operiert (43.9% USZ vs. 71% ZH). Der Anteil der aktiven Überwachung an den Therapieoptionen stieg über die Jahre am USZ von 35.4% auf 88.2%, im Kantonsgebiet lediglich von 12.2% auf 16.2%.

Im zertifizierten Prostatakrebszentrum wird aktive Überwachung häufiger angeboten

Das Studienteam ging anhand der Daten auch der Frage nach, warum sich die aktive Überwachung im Kanton Zürich trotz ihrer Vorteile für die Patienten und der tiefen Behandlungskosten noch nicht flächendeckend etabliert hat. Ein Grund könnte sein, dass laut Untersuchungen in universitären Kliniken Empfehlungen generell eher übernommen werden als in anderen Therapiezentren. In zertifizierten Krebszentren wie dem Prostatakrebszentrum des USZ ist dazu die strikte Befolgung der Richtlinien gegeben. Der wichtigste Unterschied dürfte aber sein, dass im Prostatakrebszentrum jeder Fall in einem interdisziplinären Tumorboard aus Spezialistinnen und Spezialisten für Krebsbehandlungen besprochen wird. Im Tumorboard wird aus dem gesamten Therapieangebot jedem Patienten die für ihn wirksamste und schonendste Therapie empfohlen. «Für Patienten, die alle Kriterien eines risikoarmen Krebses erfüllen, ist dies die Aktive Überwachung», sagt Daniel Eberli, Direktor der Klinik für Urologie am USZ. «In unserem Zentrum gehört diese Strategie deshalb zum Standardprogramm der Therapiemöglichkeiten.»

Innovativer Genexpressionstest gibt Sicherheit bei der Therapieentscheidung

Als unterstützenden Test für Therapieentscheidungen bietet das USZ ab Dezember 2023 den Prolaris®-Test an. Dieser neue Genexpressionstest, der an entnommenem Tumorgewebe durchgeführt wird, misst die Aktivität bestimmter Gene, die das Tumorwachstum beeinflussen. Darüber können noch detaillierter Rückschlüsse auf die Tumoraggressivität gewonnen werden. Dieser Test hilft besonders bei der Therapieentscheidung bei wenig aggressiven Tumoren. Für Patienten kann dieser Test mehr Sicherheit in der Entscheidung liefern, ob der Krebs vorerst aktiv beobachtet oder sofort behandelt werden soll.

Daniel Eberli hofft, dass die aktive Überwachung in den nächsten Jahren im ganzen Kanton noch Fahrt aufnimmt, damit mehr Patienten von den Vorteilen dieser Behandlungsform profitieren. Er empfiehlt betroffenen Männern, denen die aktive Überwachung bei risikoarmen Prostatakrebs nicht angeboten wird, sich vor dem Entscheid für eine Therapie eine Zweitmeinung einzuholen.

Verantwortliche Fachperson

Daniel Eberli, Prof. Dr. Dr. med.

Klinikdirektor, Klinik für Urologie

Tel. +41 44 255 54 01
Spezialgebiete: Prostatakarzinom: 3D Prostatabiopsien (MRI-Fusion, Stereotaktisch), DaVinci Robotik und Laparoskopie, HIFU (High Intensity Focused Ultrasound), Robotische Chirurgie (Niere und Blase), Therapie der gutartigen Prostatavergrösserung