Was zuerst als gutartiges Knötchen diagnostiziert wird, entpuppt sich Monate später als extrem aggressiver, bereits metastasierender Hautkrebs. Die Chemotherapie wirkt nicht. Die Geschichte von Erika H. ist eine wahre Horrorstory – allerdings mit Happy End.
Bald zehn Jahre ist die grosse Zäsur im Leben von Erika H. nun her – und es geht ihr immer noch spürbar nah, davon zu erzählen. 2007 suchte sie mit einem kleinen Knötchen am Oberarm ihren Hausarzt auf. Dieser entfernte es und schickte es vorsichtshalber ins Labor zur Untersuchung. «Gutartig», lautete die Diagnose, und damit schien alles erledigt. Ein Fehler des Labors, wie sich später herausstellte. Das kann passieren, meint Erika H. und lächelt. Erst danach, findet sie, sei es richtig schiefgelaufen. Die quirlige Frau Anfang sechzig sitzt auf dem Sofa ihres Einfamilienhauses in Niederhasli. Neben ihr tut Ehemann Beat das, was er auch in der schweren Zeit vor zehn Jahren tat: ihr beistehen. Beziehungsweise beisitzen. Immer wieder suchen sich ihre Hände.
Beim Spezialisten angekommen
Auch Wochen nach der Operation will die Narbe einfach nicht zusammenwachsen, ist gerötet, geschwollen und schmerzt. Der Hausarzt gibt ihr eine Salbe und meint: «Das ist normal.» Doch es wird einfach nicht besser. Erika H. beschliesst, einen Dermatologen aufzusuchen. Mittlerweile sind wieder sechs Monate ins Land gezogen. Doch keiner hat Zeit, am Telefon erhält sie die Auskunft, das sei nicht schlimm, wenn die Narbe schmerze, nächster Termin in drei Monaten. Erst nach langer Suche findet sie einen Dermatologen, der gerade seine Praxis neu aufgemacht hat. Dieser nimmt eine Gewebeprobe: Diagnose Melanom.
Chemotherapie wirkungslos
«Ich war wie in einem Nebel», sagt Erika H. Der Arzt überweist sie ans USZ, seinen ehemaligen Arbeitgeber. Und dort gibt es noch mehr schlechte Nachrichten: Es werden Metastasen in der Lunge und auf der Leber nachgewiesen. Zwei Runden Chemotherapie vermögen nichts auszurichten, der Krebs wuchert weiter. Doch dann kommt der Vorschlag von Prof. Reinhard Dummer, Facharzt FMH für Dermatologie und Leitender Arzt am USZ: Erika H. könne an einer klinischen Studie für ein neues Krebsmedikament teilnehmen. «Klar hatte ich Angst, die Aufzählung von möglichen Nebenwirkungen ist lang, sehr lang», sagt Erika H. «Aber letztlich war ich unglaublich froh, überhaupt noch etwas tun zu können.»
«Schon nach ganz kurzer Zeit ging es mir besser.»
Den Krebs besiegt
«Natürlich hatte ich Angst, die Aufzählung von möglichen Nebenwirkungen war lang, sehr lang, darunter erschreckende wie zum Beispiel Magenblutungen. Aber es war eine Studie, klar muss man auf alles hinweisen. Und schliesslich hatte ich ja gar keine Wahl. Ich war froh, die Therapie ausprobieren zu können.» Erika Haller nimmt an der Studie teil. «Schon nach ganz kurzer Zeit ging es mir besser,» erzählt sie und lächelt wieder. «Es war wunderbar und ich bin dankbar dafür, dass ich am USZ diese Chance hatte. Sonst wäre ich heute nicht mehr hier.»
Sie nimmt an der Studie teil. Und der bestmögliche Fall tritt ein: «Schon nach ganz kurzer Zeit ging es mir besser», erzählt sie und strahlt. Bald zehn Jahre ist Erika H. krebsfrei. Vor zwei Jahren fand man im MRI noch eine auffällige Stelle in der Lunge, die dann auf Anraten der Ärzte entfernt wurde – es war eine harmlose Vernarbung. Die Operation hat zwar auch etwas Kraft gekostet, «aber das ist nichts im Vergleich zur Gewissheit, krebsfrei zu sein», sagt Erika H. Einmal jährlich geht sie seither zur Untersuchung, dieses Jahr zum ersten Mal ohne MRI. Erika H. gilt als geheilt. Dass es eine Studie war, die ihr das Leben gerettet hat, hat eine besondere Bedeutung für sie: Denn durch ihre Teilnahme hat auch sie mitgeholfen, dass heute ein wirksames Medikament gegen Krebs zugelassen ist. «Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich am USZ diese Chance hatte.» Grundsätzlich wünscht sie sich aber, dass weniger Patienten auf so viel Glück angewiesen sind und Hausärzte schneller und sensibler reagieren und früher an Fachärzte überweisen.
«Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich am USZ diese Chance hatte.»
Auch dank ihr hilft das Medikament heute vielen anderen.
Ein wenig stolz, oder besser gesagt glücklich ist sie, dass auch dank ihrer Studienteilnahme heute ein wirksames Medikament gegen Krebs zugelassen ist. Auch wenn der Erfolg nicht bei allen so durchschlagend ist wie bei ihr. Der Wunsch von Erika Haller bleibt deshalb unverändert: Dass die Hausärzte schneller und sensibler reagieren und die Patienten früher zum Spezialisten schicken. «Vielleicht wäre es etwas anders verlaufen, wenn der Krebs früher entdeckt worden wäre und nicht noch Monate verstrichen wären.» Aber sie weiss es nicht und es ist ja jetzt alles gut.