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Needle Spiking: «Die Gefahr, sich mit einer Krankheit anzustecken, ist eher klein»

Publiziert am 16. August 2022

An der Street Parade wurden mehrere Personen mit Nadeln gestochen. Wer dies getan hat und warum, ist unklar. Welche Gefahr geht vom Needle Spiking aus medizinischer Sicht aus? Wir fragten Dominique Braun, Oberarzt meV an der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene.

Dominique Braun, durch ungewollte Nadelstiche können Drogen oder sedierende Substanzen verabreicht werden. Abgesehen davon – geht von den Nadelstichen auch die Gefahr aus, dass damit jemand mutwillig Infektionen verbreitet?

Theoretisch ja, aber ich schätze das Risiko, dass sich dadurch jemand mit einer Krankheit ansteckt, als klein ein. Die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung hängt mit der Infektiosität der jeweiligen Viren zusammen, also mit deren biologischen Eigenschaften. Daneben spielt eine Rolle, wie tief die Verletzung durch die Nadel wäre und ob das Opfer allenfalls geimpft ist – zum Beispiel gegen Hepatitis B. Daneben käme es auch darauf an, wie viel Blut sich in der Nadel befinden würde.

 

Wenn die Nadeln ansteckende Erreger enthalten hätten: Welche ansteckenden Erreger könnten so übertragen werden und wie wahrscheinlich ist das?

Denkbar ist etwa Hepatitis B, weniger wahrscheinlich Hepatitis C und noch weniger wahrscheinlich HIV. Als Faustregel gilt bei einer Nadelstichverletzung mit frischem, kontaminiertem Blut in relevanter Menge: bei Hepatitis B in 300 von 1000 Fällen, also 30 % Übertragungswahrscheinlichkeit, bei Hepatitis C in 30 von 1000 Fällen, also 3 % Übertragungswahrscheinlichkeit und bei HIV in 3 von 1000 Fällen, also 0,3 % Übertragungswahrscheinlichkeit. Allerdings sind dies nur grobe Schätzungen aus der Literatur. Die individuellen Umstände eines Einzelfalls werden darin nicht berücksichtigt.

 

Könnte jemand theoretisch bewusst Erreger weiterer Krankheiten hochkonzentriert aufbereiten und dann per Spritze verabreichen?

Dies bräuchte vertiefte Kenntnisse zur Aufbereitung und Handhabung von Virenmedien und eine hohe kriminelle Energie.

 

Wie müssen von «Needle Spiking» betroffene Menschen behandelt werden?

Bei Nadelstichverletzungen ist ein Post-Expositionsprophylaxe-Screening üblich. Dabei wird getestet, ob eine HIV- oder eine Hepatitis-Infektion bei der exponierten Person bereits vor dem «Needle Spiking» vorlag. Diese Tests sagen jedoch noch nichts über eine potentielle Infektion aus, da ein Ausschluss einer Infektion bei HIV oder Hepatitis C erst nach 12 Wochen sicher gelingt.

 

Wie sollte man vorgehen, wenn man erst später feststellt, dass man gestochen wurde?

Man sollte sich mit einer Fachperson in einem Spital nahe des Wohnortes in Verbindung setzen – idealerweise mit dem Dienstarzt Infektiologie. Sind seit dem Nadelstich weniger als 48 Stunden vergangen, kann eine HIV-Postexpositionsprophylaxe sinnvoll sein. Ist die Person gegen Hepatitis B geimpft, kann man den Impfschutz im Blut bestimmen. Besteht ein Schutz, braucht es in der Regel keine Prophylaxe. Für Hepatitis C existiert keine Post-Expositionsprophylaxe. Im sehr seltenen Fall einer Infektion mit Hepatitis C nach Nadelstichverletzung stehen uns seit einigen Jahren hochpotente und sehr gut verträgliche Medikamente zur Verfügung, welche eine Hepatitis C Infektion in 99% der Fälle ausheilen können.