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Lungenkrebs: Neue Therapien dank Tumormodellen

Dreidimensionale Zellkulturen aus Tumorgewebe, so genannte Organoide, können helfen, Krebs im Labor zu kultivieren und hiermit neue personalisierte Therapien zu entwickeln. Das USZ gehört zu wenigen Zentren weltweit, die primäre Organoide für die Forschung an Nicht-kleinzelligem Lungenkrebs einsetzen.

Der Nicht-kleinzellige-Lungenkrebs, meistens als NSCLC (non-small cell lung cancer) abgekürzt, ist der häufigste Lungenkrebstyp; 80 bis 90 Prozent aller Lungenkrebsfälle gehören in diese Gruppe. In der Schweiz erkranken daran pro Jahr rund 4800 Menschen. Da NSCLC eine sehr heterogene Tumorgruppe mit vielen unterschiedlichen molekularen Eigenschaften darstellt, arbeiten Forscherinnen und Forscher dauernd an neuen, noch wirksameren und vor allem individualisierten Therapien.

Kein Tumor ist gleich wie der andere

Die Veränderungen und Vorgänge, die zur Bildung von Krebszellen und bösartiger Tumoren führen und das Fortschreiten einer Krebserkrankung vorantreiben, sind komplex. So sind denn auf der Ebene einzelner Zellen noch weit nicht alle Mechanismen verstanden. Man weiss aber beispielsweise, dass sich Tumoren von Patient zu Patientin unterschiedlich entwickeln und auch in einem einzelnen Tumor heterogene, also verschiedenartige Areale vorliegen. Im Detail zu verstehen, wie die verschiedenen Zellen aufeinander einwirken und das Krebsgeschehen beeinflussen, ist für Fortschritte in der Krebsmedizin und die Entwicklung neuer Therapien deshalb zentral.

Das Tumorverhalten im Labor verfolgen

Um dazu neue Erkenntnisse zu gewinnen, setzen Forscherinnen und Forscher im Labor auch Zellkulturen ein, in denen sie diese Vorgänge verfolgen können. In der Lungenkrebsforschung am USZ werden dafür spezielle Zellkulturen verwendet, so genannte primäre Organoide.

Das Besondere an diesen Zellkulturen ist, dass die Zellen dafür aus frischem Tumorgewebe stammen, welches bei Operationen von Patientinnen und Patienten mit NSCLC entfernt wird, weshalb diese Organoide als «primär» bezeichnet werden. Verwendet wird Tumorgewebe, das Patientinnen und Patienten der Forschung zur Verfügung stellen. Da primäre NSCLC-Organoide im Gegensatz zu anderen Tumor-Entitäten schwierig zu kultivieren sind, ist die Forschung damit weltweit noch nicht verbreitet.

 

Ideale, dreidimensionale Modelle

«Diese Organoide sind ideale Modelle für unser Forschung zu NSCLC», erklärt Raphael Werner, Assistenzarzt in der Klinik für Thoraxchirurgie am Universitätsspital Zürich. «Denn in der Vergangenheit wurden in der Forschung meistens konventionelle, zweidimensionale Zellkulturen verwendet, die aus jahrelang kultiviertem Tumorgewebe bestehen und die individuellen Eigenschaften eines Tumors nicht gleichermassen widerspiegeln.» Eine weitere Besonderheit ist, dass Organoide dreidimensional angelegt sind und hiermit das Tumorwachstum im Patienten besser abbilden.

Ein Blick in die Zukunft

Könnten diese Organoide nicht auch eingesetzt werden, um den Patientinnen und Patienten, von denen sie stammen, direkt zu helfen? Tatsächlich gebe es Ansätze dazu, so Raphael Werner. So wäre es möglich, anhand eines solchen Organoids und der molekulargenetischen Analyse des Krebstyps eines Patienten zu bestimmen, welches Medikament für den Patienten ideal passt und die grösste Wirkung entfaltet.

Hürden für den breiten Einsatz

Dass die primären NSCLC-Organoide bei all ihren Vorteilen nicht schon breit zum Einsatz kommen, hat verschiedene Gründe. Einerseits sind Organoid-Kulturen zeit- und kostenintensiv und derzeit gelingt es erst bei etwa der Hälfte der Lungenkrebs-Gewebeproben, daraus im Labor Organoide zu züchten. Andererseits ist eine vergleichsweise grosse Menge an Gewebe erforderlich, um die verschiedenen Strukturen und Eigenschaften eines Tumors auch im Organoid repräsentativ abzubilden. Bei Biopsien aus Tumoren reicht die entnommene Gewebemenge beispielsweise in der Regel nicht aus. Raphael Werner erwähnt noch eine weitere Herausforderung, die für fast alle neuen Forschungsgebiete gilt: es bestehen derzeit kaum einheitliche Protokolle für die Forschung mit NSCLC-Organoiden; deshalb sind viele Projekte nach unterschiedlichen Standards und Methoden durchgeführt worden. Eine Vereinheitlichung bei Forschungsprojekten ist jedoch eine zentrale Voraussetzung, um die Forschungsergebnisse letztlich in die Praxis übersetzen zu können und die Behandlung von Lungenkrebs einen weiteren Schritt voranzubringen.