Zytomegalie

Cytomegalie, CMV-Infektion, CMV

Zytomegalie ist eine Infektion, die durch bestimmte Herpesviren ausgelöst wird. Obwohl die Zytomegalie-Virusinfektion weltweit stark verbreitet ist, wissen viele Infizierte nicht, dass sie zum grossen Kreis der Betroffenen gehören: In den meisten Fällen zeigen sich bei Zytomegalie keinerlei Krankheitssymptome. Aber eine Ansteckung mit dem Virus kann auch schwerwiegende Folgen haben – vor allem in der Schwangerschaft. Zytomegalie-Infektionen in der Früh-Schwangerschaft gelten bei Babys als häufige Ursache von angeborenen Fehlbildungen und Beeinträchtigungen. Für Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch ist es deshalb wichtig, sich rechtzeitig über Zytomegalie zu informieren.

Was sind Zytomegalie-Viren?

Das Zytomegalie-Virus – auch Cytomegalie-Virus oder kurz CMV genannt – gehört zur Familie der Herpesviren. Die genaue Bezeichnung lautet „humanes Herpesvirus 5“, abgekürzt HHV-5.

Zytomegalie-Viren kommen in der ganzen Welt vor und können jeden Menschen befallen. Der Anteil der Erwachsenen, die sich im Laufe ihres Lebens irgendwann mit dem Zytomegalie-Virus infizieren, beträgt in Europa schätzungsweise 50 Prozent oder mehr. In der Schweiz wären das mindestens 4,5 Millionen Betroffene. Doch die wenigsten von ihnen wissen davon. Denn meistens verursachen die Viren keine Probleme und bleiben für lange Zeit oder sogar für immer inaktiv. Ärztinnen und Ärzte nennen das eine „asymptomatische Infektion“ – die Viren haben zwar den Körper befallen, es zeigen sich aber keine Symptome, also keine Anzeichen einer Krankheit. Die Viren können aber, ähnlich wie bei Herpes, nach einer Latenzphase aber erneut aktiv werden („Reaktivierung“).

Darauf verlassen, dass sich Zytomegalie-Viren unauffällig verhalten, kann man sich aber leider nicht. Vor allem drei Gruppen von Menschen sollten einkalkulieren, dass CMV durchaus ernsthafte gesundheitliche Probleme bereiten kann:

  • Patientinnen oder Patienten, die eine Transplantation hinter sich haben und deren Immunsystem zum Schutz vor einer Abstossung des Spenderorgans mit Medikamenten unterdrückt wird.
  • Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, zum Beispiel bei Krebs, Aids oder einer angeborenen Immunschwäche.
  • Frauen in der Schwangerschaft.

Die Schwangeren selbst sind dabei weniger betroffen – die meisten Frauen, die sich während einer Schwangerschaft mit Zytomegalie-Viren infizieren, spüren hiervon nichts. Gefährdet können aber ihre Babys sein. Wenn sie sich im Mutterleib anstecken, liegt bei ihrer Geburt eine sogenannte kongenitale (von Geburt an vorhandene) CMV-Infektion vor.

In der Schweiz geschieht das schätzungsweise bei 0,5 Prozent der Geburten und betrifft pro Jahr landesweit etwa 400 Babys. Bei den meisten von ihnen zeigen sich keine äusseren Anzeichen der Virusinfektion – doch bei etwa jedem Zehnten dieser infizierten Neugeborenen treten Krankheitssymptome auf.

Infektion: Wie werden Zytomegalie-Viren übertragen?

Viele schwangere Frauen und junge Mütter sind überrascht, wenn sie zum ersten Mal von Zytomegalie hören. Wie kann es überhaupt dazu kommen, dass sich eine Schwangere, die sich vollkommen gesund fühlt, mit CMV infiziert hat?

Meistens wird das Virus von Mensch zu Mensch weitergegeben, durch den direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder über die Atemwege. Dabei kommen Ausscheidungen beim Wechsel von Windeln ebenso infrage wie Muttermilch, Blut, Speichel, Tränenflüssigkeit, Sperma oder Vaginalsekret. All diese ausgeschiedenen Flüssigkeiten können bei infizierten Menschen Zytomegalie-Viren enthalten.

Eltern stecken sich häufiger durch den engen Kontakt zu ihren kleinen Kindern an. Denn Jungen und Mädchen im Alter bis zu vier Jahren infizieren sich überdurchschnittlich oft mit CMV, etwa in Kinderkrippen. Sie sind dann oft für längere Zeit infektiös – das heisst, sie können durch ihre Körperflüssigkeiten (Speichel, Tränen, Urin) das Virus weitergeben. Deshalb besteht für schwangere Mütter, die schon ein Kleinkind haben, ein erhöhtes CMV-Risiko.

Eine Untersuchung hat ergeben, dass in der Schweiz bei Müttern von Kindern, die in Krippen betreut werden, ein zehnfach erhöhtes Risiko für eine CMV-Ansteckung besteht; dagegen ist das Risiko für Erzieherinnen in Krippen nur um das Vierfache erhöht. Eine mögliche Erklärung für diese Differenz: Vermutlich achten Erzieherinnen in den Krippen mehr auf Hygienevorschriften als Eltern zu Hause.

Problematisch können vor allem CMV-Infektionen sein, die sich während der Schwangerschaft ereignen. Hier besteht die Gefahr, dass die infizierte Mutter das Zytomegalie-Virus über die Plazenta auf ihr ungeborenes Baby überträgt. In der Medizin wird eine solche Übertragung „Transmission“ genannt.

Ansteckung mit CMV: Wie hoch ist das Risiko in der Schwangerschaft?

Wenn die erstmalige Infektion einer Schwangeren ungefähr zur Zeit der Befruchtung stattfindet, beträgt das Risiko einer Transmission auf das Ungeborene etwa 20 Prozent. Erfolgt die Übertragung erst nach der Befruchtung, aber innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate, steigt das Risiko einer Transmission auf rund 30 Prozent. Im letzten Drittel der Schwangerschaft ist die Wahrscheinlichkeit, dass Zytomegalie-Viren der Mutter auf das ungeborene Kind übertragen werden, noch höher.

Doch selbst dann, wenn sich das Ungeborene infiziert hat, bedeutet dies nicht, dass gesundheitliche Schäden auftreten müssen: Das Risiko hierfür beträgt nach einer Transmission zur Zeit der Befruchtung etwa 30 Prozent und während der ersten drei Monate der Schwangerschaft 20 Prozent. Später, ungefähr nach der 23. Schwangerschaftswoche, sinkt das Risiko für schwere Schäden nach einer Infektion noch mehr, weil dann die Entwicklung der Organe des Ungeborenen weitgehend abgeschlossen ist. Man kann also zusammenfassen: je später in der Schwangerschaft die Infektion erfolgt, desto häufiger kommt es zu einer Transmission, aber gleichzeitig hat diese umso seltener gesundheitliche Folgen.

Wenn eine schwangere Frau schon Monate vor ihrer Schwangerschaft mit CMV infiziert war und somit keine Primärinfektion vorliegt, ist ihr Baby meist nicht gefährdet. Leider muss „meist“ geschrieben werden, da es – genau genommen – eine wirkliche Immunität für CMV nicht gibt (siehe unten). Auch für die Schwangeren selbst ist das Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen nach einer Zytomegalie-Infektion gering. Mehr als 70 Prozent der Frauen, die sich während einer Schwangerschaft mit CMV infizieren, spüren hiervon nichts.

Symptome: Was können Zytomegalie-Viren anrichten?

Eine CMV-Infektion kann für die Betroffenen ganz unterschiedliche Auswirkungen haben. Ob Baby, Kind oder Erwachsener: In den meisten Fällen zeigen sich gar keine Symptome. Es können aber auch schwerste gesundheitliche Folgen auftreten. Manchmal zeigen sich die Krankheitserscheinungen von Babys, die sich im Mutterleib infizieren, schon vor oder bei der Geburt. Sie können aber auch Wochen oder Monate danach auftauchen. Oder sogar erst im späteren Verlauf des Lebens.

  • Ungeborene: Zu den schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei einer Infektion im Mutterleib gehören Hörschäden, Sehstörungen bis hin zu Blindheit sowie eine vergrösserte Leber. Auch körperliche und geistige Behinderungen können die Folge einer CMV-Infektion sein. Solche Schäden entstehen am ehesten, wenn die Ansteckung im ersten Drittel der Schwangerschaft stattfindet; je später die CMV-Infektion erfolgt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Organe des ungeborenen Kindes geschädigt werden.
  • Frühgeborene: Sie sind besonders gefährdet. Wenn ihr empfindlicher und noch nicht ausgereifter Organismus von Zytomegalie-Viren befallen wird, kann die Infektion sogar tödlich enden.
  • Säuglinge: Wenn sich Babys nach der Geburt infizieren, sind die gesundheitlichen Folgen meistens nicht schwerwiegend; eine Infektion kann sogar unbemerkt ablaufen.
  • Schwangere und junge Mütter: Sofern sie ihre CMV-Infektion überhaupt bemerken, ähneln die Symptome häufig den Anzeichen einer Grippe. Sie äussern sich zum Beispiel durch Fieber, Abgeschlagenheit oder Husten.
  • Gesunde Kinder und Erwachsene: Meist zeigen sich bei ihnen nach einer Infektion mit CMV keine Symptome. Bei einigen Betroffenen können Krankheitszeichen auftreten, die einem grippalem Infekt mit Fieber ähneln. Nur selten (und dann vor allem bei Erwachsenen) kommt es zu Lungen- oder Leberentzündungen. Zwischen der Ansteckung und dem Auftreten der ersten Krankheitsanzeichen vergehen meist drei bis zwölf Wochen; dies ist die sogenannte Inkubationszeit.
  • Menschen mit Immunschwäche: Bei Betroffenen mit einem geschwächten Immunsystem können Zytomegalie-Viren zu Entzündungen und Schädigungen an verschiedenen Organen führen.

Diagnose: Wie erkennt man Zytomegalie?

Wenn sich eine Schwangere mit dem Zytomegalie-Virus infiziert hat, wird der Erreger nicht in jedem Fall auf das Ungeborene übertragen. Und selbst wenn eine solche Transmission stattfindet, bleibt sie für die Mehrheit der Babys folgenlos.

Eine CMV-Infektion lässt sich nachweisen, indem man im Labor Blut, Urin oder eine andere Körperflüssigkeit untersucht. Wenn sich darin bestimmte Antikörper befinden, die der Körper zur Abwehr der Zytomegalie-Viren produziert hat, ist dies der indirekte Nachweis für eine Infektion. Man kann in der Körperflüssigkeit auch nach Spuren von Eiweiss oder Erbgut der Viren suchen. Wenn man fündig wird, ist dies der direkte Nachweis der CMV-Infektion.

Erstinfektion, Reaktivierung oder Re-Infektion – unterschiedliche Risiken

Die Ärztinnen und Ärzte wollen meist herausfinden, ob es sich bei der Infektion um die erste Ansteckung („Primärinfektion“) handelt oder ob es schon früher einmal eine Infektion gab, die nun entweder wieder aktiv wird („Reaktivierung“; das ist vergleichbar mit wiederkehrendem Herpes) oder eine zweite Infektion erfolgt mit einem anderen CMV-Stamm („Re-Infektion“; das ist möglich, da es verschiedene CMV-Stämme gibt und somit eine echte Immunität wie beispielsweise bei Röteln oder Masern nicht existiert). Diese Unterscheidung ist wichtig, um bestimmte Risiken besser einschätzen zu können. So ist zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schwangere ihr Baby im Mutterleib infiziert, bei einer zweiten CMV-Infektion geringer als bei einer Erstinfektion. Generell muss leider gesagt werden, dass die Datenlage zum Thema Reaktivierung und Re-Infektion weniger klar ist und das tatsächliche Risiko weniger klar abgegrenzt werden kann. Aktuell fokussiert man sich daher in der Diagnostik und Therapie in der Schwangerschaft vor allem auf die relevanteren Erstinfektionen.

CMV-Infektion – Ultraschall-Untersuchung

In manchen Fällen lässt sich die CMV-Infektion eines Babys schon vor der Geburt durch eine Ultraschall-Untersuchung feststellen. Zum Beispiel, wenn das Ungeborene ungewöhnlich klein ist oder auf dem Bildschirm andere Auffälligkeiten zu erkennen sind, etwa am Gehirn. Dies muss aber nicht immer an einer CMV-Infektion liegen, es kommen auch verschiedene andere Ursachen infrage.

Zytomegalie-Viren im Fruchtwasser?

Bei Schwangeren kann auch eine Untersuchung des Fruchtwassers aufschlussreich sein. Wenn sich Zytomegalie-Viren im Fruchtwasser nachweisen lassen, steht damit fest, dass das Ungeborene sich mit CMV infiziert hat (die oben beschriebene „Transmission“) – aber nicht, dass es auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen muss. Ist dagegen im Fruchtwasser kein CMV vorhanden, kann die Schwangere erleichtert aufatmen: Ihr Baby ist nicht infiziert.

Für den Nachweis von Zytomegalie gilt: Eine Kombination von verschiedenen Untersuchungen und Befunden kann Experten helfen, den Infektionszeitpunkt einzugrenzen. Das ist vor allem in Hinsicht auf die Beratung in der Schwangerschaft und möglicher Folgen für das Ungeborene wichtig. Da solche Untersuchungen wegen der besonderen Eigenschaften von CMV anspruchsvoll sind, kann hier die Beratung durch einen Spezialisten oder eine Spezialistin notwendig werden.

Therapie: Wie wird Zytomegalie behandelt?

Wer einmal mit CMV infiziert ist, behält die Erreger ein Leben lang im Körper: Die endgültige Beseitigung der Zytomegalie-Viren ist nicht möglich. Das heisst aber keineswegs, dass die Ärztinnen und Ärzte einer Zytomegalie-Infektion tatenlos zusehen müssen. Gegen eine CMV-Infektion gibt es zwei spezielle Therapien:

  • Virostatika: Das sind Medikamente, die das Wachstum von Viren hemmen sollen. Auch Neugeborene können in vielen Fällen damit behandelt werden.
  • Hyperimmunglobuline: Hierbei handelt es sich um Eiweissstoffe, die zum Beispiel aus dem Blut von Spendern gewonnen werden. Sie enthalten Antikörper gegen Zytomegalie-Viren.

Diese Medikamente befinden sich zum Teil noch in der Erprobung, und sie können Nebenwirkungen haben. Das gilt sowohl für Schwangere als auch für Ungeborene, die jeweils unterschiedlich auf die Therapie reagieren. Die Beratung der Frauen und die Behandlung der Zytomegalie gehören auch aus diesem Grund in die erfahrenen Hände von Ärztinnen und Ärzten, die sich auf CMV spezialisiert haben.

 

„Am USZ schulen wir Ärzte und externe Gynäkologinnen bei Fortbildungsveranstaltungen intensiv zum Thema. Uns ist wichtig, gerade Frauen, die mindestens zum zweiten Mal schwanger sind, über CMV zu informieren, da Zweitschwangere oder ganz generell Mehrgebärende gefährdeter sind.“

Christian Haslinger, Leitender Arzt

Vorbeugung: Wie kann man Zytomegalie vermeiden?

Man muss nicht krank sein, um andere anzustecken – auch Menschen, die gesund sind, können das Zytomegalie-Virus in sich haben und auf andere übertragen. Vor allem Schwangere sollten sich das bewusst machen und entsprechend vorsichtig sein. Das gilt ganz besonders für werdende Mütter, die schon ein Kind haben, das bis zu vier Jahre alt ist; in diesem Alter werden Jungen und Mädchen häufig zu CMV-Überträgern.

Eine Impfung zur Verhinderung von CMV-Infektionen gibt es bisher nicht (aufgrund der oben beschriebenen diversen „Stämme“).

Wenn Sie als Schwangere einige Hygiene-Empfehlungen beachten, können Sie das Infektionsrisiko für Ihr Ungeborenes deutlich senken:

  • Gründliches Händewaschen: Waschen Sie nach jedem Kontakt mit einer Körperflüssigkeit Ihres Kindes Ihre Hände mit Wasser und Seife. Das gilt beim Füttern, Naseputzen, Windelwechseln, Waschen und dem Abwischen von Tränen.
  • Hygiene in Küche und Bad: Nutzen Sie beim Essen Ihr eigenes Geschirr und Besteck. Teilen Sie mit Ihrem Kind keine Handtücher und Waschlappen. Zahnbürsten sollte man grundsätzlich nicht mit anderen teilen. Das Aufessen von angefangenem Kinderessen sollte ebenfalls vermieden werden.
  • Vermeiden von Küssen auf den Mund: Das gilt vor allem in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Im Speichel enthaltene Zytomegalie-Viren könnten sonst leicht übertragen werden. Ein weinendes Kind sollte beim Trösten auch nicht auf die Wange geküsst werden.
  • Reinigung von Oberflächen: Säubern Sie Toilettenbrillen, Waschbecken und andere Flächen, auf denen sich Körperflüssigkeiten des Kindes befinden.

Nicht nur werdende Mütter sollten diese Hygiene-Regeln beachten, sondern auch ihr Partner oder ihre Partnerin. Diese können sich ebenso mit CMV infizieren – und das Virus unbemerkt an die Schwangere weitergeben, etwa durch Küssen oder ungeschützten Geschlechtsverkehr.

Wenn eine Mutter das Zytomegalie-Virus in sich trägt und ein Frühgeborenes zur Welt bringt, besteht ein zusätzliches Risiko: Sie könnte ihr noch nicht ausgereiftes Baby beim Stillen mit der Muttermilch infizieren.

Falls Sie schwanger sind oder Pläne für Nachwuchs haben, besprechen Sie das Thema Zytomegalie am besten auch mit Ihrer Frauenärztin oder Ihrem Frauenarzt.