Überblick: Was sind sexuelle Funktionsstörungen der Frau?
Vorübergehende sexuelle Funktionsstörungen treten bei vielen Frauen auf. Es gibt diverse Gründe, warum Frauen die Lust auf Sex verlieren. Massgebliche Auslöser sind Anspannung, Angst, Müdigkeit, Stress, Unsicherheit, körperliche Erkrankungen und Probleme in der Partnerschaft. Die Bandbreite „normaler“ Sexualität ist allerdings gross. Deshalb lässt sich schwer sagen, wann tatsächlich eine Sexualstörung vorliegt. Keine Lust auf Sex ist auch nicht automatisch ein Anzeichen dafür, dass etwas in der Paarbeziehung nicht stimmt. Konsultieren Sie Ihren Haus- bzw. Frauenarzt oder -ärztin, wenn Sie sich unsicher fühlen und Sie die Lustlosigkeit emotional belastet.
Häufigkeit von sexuellen Funktionsstörungen bei Frauen
Laut Berufsverband der Frauenärzte (Deutschland) treten sexuelle Funktionsstörungen relativ häufig auf:
- Nahezu jede dritte Frau hat (temporär) kein Verlangen nach sexuellen Aktivitäten.
- Etwa elf Prozent berichten über Störungen der sexuellen Erregung.
- Zehn Prozent finden den Geschlechtsverkehr unangenehm oder haben währenddessen Schmerzen.
- Jede vierte Frau empfindet Hemmungen beim Orgasmus.
- Fünf Prozent haben noch nie einen Orgasmus erlebt.
Formen sexueller Funktionsstörungen bei Frauen
Medizinerinnen und Mediziner unterscheiden verschiedene Formen von sexuellen Funktionsstörungen:
- Veränderungen des sexuellen Verlangens (sogenannte Appetenzstörung)
- Störungen der sexuellen Erregung
- Störungen durch sexuell bedingte Schmerzen:
- Dyspareunie: Trotz normaler Erregung treten vor, bei oder nach dem Geschlechtsverkehr wiederholt anhaltende genitale Schmerzen auf.
- Vaginismus (Scheidenkrampf): Die Scheidenmuskulatur verkrampft unwillkürlich. Der Geschlechtsverkehr ist dadurch unmöglich oder sehr schmerzhaft.
- Orgasmusstörungen
Definition sexuelle Funktionsstörungen bei Frauen
Eine sexuelle Funktionsstörung liegt vor, wenn die Probleme
- seit mindestens einem halben Jahr bestehen,
- mit einem Leidensdruck einhergehen und
- dadurch das sexuelle Erleben und Verhalten durch ausbleibende, verminderte oder unerwünschte körperliche Reaktionen beeinträchtigt ist.
Sexuelle Funktionsstörungen der Frau: Ursachen und Risikofaktoren
Sexuelle Funktionsstörungen können sowohl seelischer als auch körperlicher Natur sein. Je nachdem, welche Störung vorliegt, unterscheiden Fachleute verschiedene Anlässe:
- Sexuelle Dysfunktion: Die sexuelle Funktionsstörung ist überwiegend körperlich bedingt.
- Psychosexuelle Dysfunktion: Die Sexualität ist vorwiegend oder ausschliesslich aus seelischen Gründen beeinträchtigt.
- Mischformen: Eine sexuelle Funktionsstörung kann auch als Folge (mehrerer) seelischer und körperlicher Faktoren auftreten.
Körperliche Ursachen
Für sexuelle Funktionsstörungen der Frau kommen zahlreiche körperliche Ursachen infrage:
- hormonelle Veränderungen
- vom Nervensystem ausgehende Veränderungen
- operative Eingriffe im Bereich der Geschlechtsorgane (zum Beispiel die Entfernung der Gebärmutter)
- Hauterkrankungen der Vulva
- Diabetes mellitus
- Krebserkrankungen
- Rheuma
- Parkinson
- weitere Erkrankungen, die das sexuelle Erleben oder Verhalten beeinträchtigen und mit Schmerzen einhergehen (zum Beispiel Erkrankungen, Entzündungen oder vernarbtes Gewebe im Bereich der Harnwege oder Geschlechtsorgane)
- Gefässveränderungen
- Menopause (führt zu trockener Scheide)
- erbliche Faktoren
Medikamente
Sexuelle Funktionsstörungen können auch als Nebenwirkung bestimmter Medikamente entstehen. Dazu zählen
- Antidepressiva,
- Betablocker,
- Lipidsenker,
- auch hormonell wirkende Verhütungsmittel wie die Antibabypille können zu sexueller Lustlosigkeit führen.
- Hormonspirale
Lebensstil
Der Lebensstil kann die Sexualität von Frauen beeinflussen. So scheint Alkohol in geringen Mengen die Lust auf Sex zu steigern. In grösseren Mengen beeinträchtigt Alkohol die sexuelle Erregbarkeit der Frau. Auch der Konsum von Drogen wie Marihuana oder Opiaten kann zu sexuellen Funktionsstörungen führen.
Seelische Ursachen
Nicht selten sind sexuelle Funktionsstörungen der Frau auf seelische Probleme zurückzuführen. Typische seelische Ursachen für Sexualstörungen sind Ängste wie die Angst vor einer Schwangerschaft oder einer Geschlechtskrankheit. Einige Frauen fühlen sich in Bezug auf ihre Sexualität unter Leistungsdruck oder sehen sich selbst zu kritisch. Auch unzureichende Kenntnisse über das, was beim Geschlechtsverkehr passiert, mangelndes Wissen über den eigenen Körper und falsche Vorstellungen vom Sexualverkehr können sexuelle Funktionsstörungen verursachen. Generell haben viele verschiedene psychische Faktoren Einfluss auf das sexuelle Erleben und Verhalten:
- Stress im Beruf
- zwischenmenschliche Konflikte
- familiäre Belastungssituationen
- Depressionen
- psychische Erkrankungen
- Trauer
- traumatische Erlebnisse
- Missbrauch
- schlechte Erfahrungen beim Sex
Partnerschaftsprobleme
Partnerschaftsprobleme können ebenfalls zu einer sexuellen Funktionsstörung führen. So kann sich alltäglicher Streit negativ auf die Sexualität auswirken und dazu führen, dass die Frau den Geschlechtsverkehr nicht mehr geniessen kann. Manche Frauen haben Probleme damit, dem Partner ihre sexuellen Wünsche und Bedürfnisse zu zeigen. Bleiben diese über einen längeren Zeitraum unerfüllt, empfinden sie ihre Sexualität als unbefriedigend. Auch fehlendes Einfühlungsvermögen des Partners kann zur Folge haben, dass nur einer von beiden den Geschlechtsverkehr als befriedigend und genussvoll empfindet. Besonders Frauen finden sich oft damit ab, mit dem Partner keinen Orgasmus zu erleben. Darüber hinaus können sich Veränderungen wie Familienzuwachs oder ein monotoner Alltag in einer langjährigen Beziehung negativ auf das Sexualleben auswirken.
Symptome: Sexuelle Funktionsstörungen erkennen
Je nachdem, in welcher Phase der sexuellen Aktivität eine sexuelle Funktionsstörung auftritt, zeigen sich unterschiedliche Symptome:
- Störung des sexuellen Verlangens (Appetenz): Eine Störung des sexuellen Verlangens ist gekennzeichnet durch die häufige oder ständige Lustlosigkeit der Frau: Betroffene fühlen sich von den sexuellen Annäherungsversuchen ihres Partners belästigt und entwickelt ein Vermeidungsverhalten.
- Störungen der sexuellen Erregung: In der Erregungsphase ist die genitale Reaktion zu schwach oder bleibt aus. Das heisst: Trotz sexueller Reize bildet sich nur wenig oder keine Scheidenflüssigkeit. Das führt zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.
- Störungen durch sexuell bedingte Schmerzen: Trotz Erregung treten vor, bei oder nach dem Geschlechtsverkehr wiederholt genitale Schmerzen auf (Dyspareunie). Bei einem Scheidenkrampf (Vaginismus) verkrampft die Scheidenmuskulatur, sodass der Geschlechtsverkehr unmöglich oder sehr schmerzhaft ist.
- Störungen in der Plateauphase: Auch in der Plateauphase kann es zu Störungen durch sexuell bedingte Schmerzen kommen (Stechen, Brennen und Jucken im Genitalbereich).
- Störungen in der Orgasmusphase: Orgasmusstörungen beeinflussen den Ablauf oder das subjektive Erleben des Orgasmus. Manche Betroffene erreichen trotz sexueller Erregung nie oder nur selten einen Orgasmus. Andere erleben einen physiologischen Orgasmus ohne entsprechendes Lustgefühl.
Sexuelle Funktionsstörungen – Diagnose durch uns
Um eine sexuelle Funktionsstörung zu diagnostizieren, erfassen wir zunächst die Symptome und deren Auswirkungen. Anschliessend führen wir ein psychologisches Gespräch, in dem sowohl körperliche als auch seelische Faktoren angesprochen werden. Eine Diagnose gelingt in der Regel nur, wenn sich die Patientin uns offen anvertraut. Mögliche Fragen sind:
- Seit wann bestehen die sexuellen Probleme?
- Leiden Sie unter Stress?
- Fühlen Sie sich sexuell unter Leistungsdruck?
- Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Partnerschaft?
- Haben Sie negative sexuelle Erfahrungen gemacht?
- Haben Sie psychische Probleme?
- Leiden Sie an einer Depression?
- Wurde bei Ihnen eine Gefässerkrankung, Diabetes etc. diagnostiziert?
- Sind Sie in den Wechseljahren?
- Nehmen Sie Medikamente ein? Wenn ja, welche?
Weitere Vorgehensweise
Um zu beurteilen, ob eine sexuelle Funktionsstörung vorliegt, stehen uns verschiedene Methoden zur Verfügung:
- Körperliche Untersuchung: Diese dient dazu herauszufinden, ob organische Ursachen für die Funktionsstörung verantwortlich sind (zum Beispiel Schmerzen durch Infektionen, Operationsfolgen, Verletzungen oder anatomische Auffälligkeiten).
- Fragebogen: Mit Hilfe des Fragebogens können wir systematisch Informationen rund um das Sexualverhalten der Frau und weitere Aspekte der Paarbeziehung abfragen.
- Pychodiagnostisches Gespräch: Im psychodiagnostischen Gespräch können wir herausfinden, ob hinter der Störung psychische Probleme wie eine Depression oder eine Angststörung stecken und ob diese für die sexuellen Probleme (mit) verantwortlich sind.
Sexuelle Funktionsstörungen der Frau: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose
Da sexuelle Funktionsstörungen aus den unterschiedlichsten Gründen entstehen können, gibt es keine allgemeine Methode, mit der Sie diesen vorbeugen könnten. Ratsam ist es, bei sexuellen Problemen frühzeitig das Gespräch mit dem Partner zu suchen. Ebenfalls hilfreich ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und den persönlichen sexuellen Vorlieben.
Sexuelle Funktionsstörungen: Verlauf und Prognose
Die Behandlung sexueller Funktionsstörungen ist sehr komplex, da oft viele verschiedene Faktoren zusammenspielen. Oftmals verbessern sich die Probleme im Rahmen einer Paartherapie. Auch beim Vaginismus ist die Prognose günstig. Der Erfolg hängt jedoch stark davon ab, wie hoch die Motivation ist und wie gut die Partner zusammenarbeiten. Eine Gesprächspsychotherapie kann im äussersten Fall auch grundlegende Paarkonflikte zu Tage fördern und die Beziehung zerbrechen.
Die Sexualtherapeutinnen und Sexualtherapeuten am Universitätsspital Zürich haben ein entsprechendes Beratungsangebot und arbeiten mit den Ärztinnen und Ärzten der Vulvasprechstunde, Dermatologie und Schmerztherapie, sowie Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten zusammen, die in Beckenbodenerkrankungen eine Spezialausbildung haben.
Selbsthilfegruppen
Der Austausch mit Gleichbetroffenen kann bei der Bewältigung einer Krankheit eine grosse Unterstützung sein. Beratung auf der Suche nach einer geeigneten Selbsthilfegruppe erhalten Sie bei
Selbsthilfe Zürich. Selbsthilfe Zürich und das Universitätsspital Zürich sind Kooperationspartner im nationalen Projekt «Gesundheitskompetenz dank selbsthilfefreundlicher Spitäler».
Sexuelle Funktionsstörungen: Behandlung je nach Ursache
Die bei sexuellen Funktionsstörungen angewandte Therapie orientiert sich an der Ursache.