Was ist eine Schilddrüsenunterfunktion?
Bei einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) werden zu geringe Mengen der jodhaltigen Schilddrüsenhormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin) produziert und ausgeschüttet. Der Körper braucht diese Hormone zur Regulierung des Stoffwechsels. Bei einem Mangel an T3 und T4 laufen daher viele Stoffwechselprozesse nur gedrosselt ab. Das kann verschiedenste Beschwerden zur Folge haben.
Schilddrüsenunterfunktion – Häufigkeit und Alter
Die Hypothyreose ist eine der häufigsten hormonell bedingten Erkrankungen. Etwa eines von 3‘000 bis 4‘000 Kindern kommt mit einer Unterfunktion zur Welt (angeborene Hypothyreose). In der Mehrzahl der Fälle entwickelt sich die Schilddrüsenunterfunktion aber erst im Laufe des Lebens (erworbene Hypothyreose). Mit steigendem Alter nimmt die Häufigkeit der Erkrankung zu. Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer.
Schilddrüsenunterfunktion: Ursachen und Risikofaktoren
Je nachdem, wo der Grund für die mangelnde Hormonproduktion der Schilddrüse liegt, unterscheidet man zwischen einer primären, sekundären und tertiären Hypothyreose:
Primäre Hypothyreose
Der Grund für diese weitaus häufigste Form von Schilddrüsenunterfunktion ist in der Schilddrüse selbst zu finden – funktionstüchtiges Schilddrüsengewebe wird aus verschiedensten Gründen geschädigt oder zerstört. In den meisten Fällen ist der Grund dafür eine Hashimoto-Thyreoiditis. Das ist eine chronische Entzündung der Schilddrüse, die auf einer Autoimmunreaktion beruht, also auf einer Fehlregulierung des Immunsystems: Die Körperabwehr greift Schilddrüsengewebe an. Das zieht eine anhaltende Entzündung nach sich, in deren Verlauf das Gewebe allmählich zerstört wird. So kann die Schilddrüse immer weniger Hormone bilden – eine Hypothyreose entwickelt sich.
Andere mögliche Ursachen für eine primäre Schilddrüsenunterfunktion sind
- anderweitig bedingte Entzündung der Schilddrüse (viral, Medikamentös-induziert bei bestimmten Krebstherapien)
- chronischer Jodmangel
- operative Entfernung der Schilddrüse (ganz oder teilweise), etwa bei Schilddrüsenüberfunktion oder Schilddrüsenkrebs
- Radiojodtherapie (Einnahme von radioaktivem Jod zur Behandlung von Schilddrüsenüberfunktion oder Schilddrüsenkrebs)
- bestimmte Medikamente, zum Beispiel Thyreostatika (bei Schilddrüsenüberfunktion), Amiodaron (bei Herzrhythmusstörungen), Lithium (bei psychischen Störungen)
- Strahlentherapie im Kopf- oder Halsbereich, meist bei Krebs (wie Schilddrüsen- oder Kehlkopfkrebs)
- Erbkrankheiten, die die Bildung oder Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen beeinträchtigen (angeborene Hypothyreose)
Sekundäre Hypothyreose
Diese seltene Form der Schilddrüsenunterfunktion wird durch eine Störung in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) verursacht. Diese Hirnregion regt über ein eigenes Hormon (TSH = Thyreoidea-stimulierendes Hormon) die Hormonproduktion in der Schilddrüse an. Dieses Signal bleibt aber aus, wenn die Hypophyse aufgrund einer Erkrankung (zum Beispiel eines Tumors) zu wenig TSH ausschüttet.
Tertiäre Hypothyreose
Die tertiäre Schilddrüsenunterfunktion beruht auf einer Störung des Hypothalamus – einer weiteren Hirnregion, die am komplexen Regelkreis zwischen Gehirn und Schilddrüse beteiligt ist. Der Hypothalamus produziert das Hormon TRH (Thyreotropin Releasing Hormon). Es regt die Hypophyse zur Freisetzung von TSH an, das dann seinerseits die Hormonproduktion der Schilddrüse ankurbelt. Das heisst: Wenn der Hypothalamus etwa aufgrund eines Tumors oder einer Entzündung zu wenig TRH ausschüttet, wird in letzter Instanz auch die Bildung der Schilddrüsenhormone gedrosselt. Eine solche tertiäre Schilddrüsenunterfunktion ist aber selten.
Symptome: Schilddrüsenunterfunktion
Die Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion sind sehr vielfältig und können individuell verschieden ausfallen. Der Schweregrad der Erkrankung spielt dabei eine Rolle, ebenso das Alter der betroffenen Person.
Symptome bei Erwachsenen
Erwachsene mit Schilddrüsenunterfunktion leiden meist an einer erworbenen Form der Erkrankung. Mögliche Symptome sind zum Beispiel:
- Erschöpfung, Schwäche, verminderte Leistungsfähigkeit
- Antriebslosigkeit, Teilnahmslosigkeit, Depressivität
- Empfindlichkeit gegenüber Kälte
- verminderte Schweissproduktion
- verlangsamter Herzschlag und damit niedriger Puls
- leichte bis mässige Gewichtszunahme
- Verstopfung
- Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
- verlangsamtes Denken oder Sprechen
- trockene, brüchige Haare
- kühle, trockene, schuppige Haut, orange-gelbliche Verfärbungen (vor allem an Handflächen und Fusssohlen)
- teigige Hautschwellungen, besonders im Gesicht und rund um die Augen
- stumpfer Gesichtsausdruck
- heisere Stimme, geschwollene Zunge
- vergrösserte Schilddrüse („Kropf“ = Struma)
- verlangsamte Reflexe
- Zyklusstörungen, eingeschränkte Fruchtbarkeit
- Erektionsstörungen
Myxödem und Myxödem-Koma
Die teigigen Hautschwellungen, wie sie bei vielen Hypothyreose-Erkrankten besonders rund um die Augen, aber auch an anderen Körperstellen zu beobachten sind, werden als Myxödeme bezeichnet. Sie entstehen durch die krankhafte Ablagerung spezieller Kohlenhydratverbindungen (Glykosaminoglykane) in das Unterhautgewebe. Eine seltene, aber lebensgefährliche Komplikation bei schwerer Schilddrüsenunterfunktion ist das Myxödem-Koma. Es tritt besonders bei älteren Erkrankten auf, deren Schilddrüsenunterfunktion jahrelang nicht oder unzureichend behandelt wurde. Kommt dann eine zusätzliche Belastung (zum Beispiel Infektion, Unterkühlung, Herzinfarkt, Unfall, Operation) hinzu, kann diese zum Triggerfaktor werden und ein Myxödem-Koma auslösen. Seine Symptome sind unter anderem:
- Myxödem (nicht bei jedem Myxödem-Koma vorhanden!)
- extreme Schwäche
- stark erniedrigte Körpertemperatur
- verlangsamte, beziehungsweise zu flache Atmung
- verlangsamter Herzschlag
- verlangsamte, abgeschwächte Reflexe
- zunehmende Schläfrigkeit bis hin zum Koma
Ein Myxödem-Koma ist ein medizinischer Notfall, der schnellstes intensivmedizinisch behandelt werden muss – das Risiko, dass die betroffene Person verstirbt, ist hoch!
Symptome bei Senioren und Seniorinnen
Bei älteren Menschen mit Schilddrüsenunterfunktion sind im Prinzip die gleichen Symptome wie bei anderen Erwachsenen möglich. Allerdings sind die Beschwerden bei ihnen oftmals wenig stark ausgeprägt und werden leicht übersehen oder einfach auf das Alter geschoben. Zudem können ältere Menschen mit Hypothyreose auch weniger typische Beschwerden entwickeln wie etwa eine Gewichtsabnahme, Verwirrtheit oder verminderten Appetit.
Symptome bei Kindern
Babys, die mit Hypothyreose geboren werden, zeigen folgende Symptome:
- Trinkfaulheit
- Verstopfung
- Bewegungsarmut
- verlängerte Neugeborenen-Gelbsucht
Unbehandelt verzögert sich die weitere geistige und körperliche Entwicklung des Kindes. Zu den möglichen Folgen zählen Kleinwuchs, gestörte Sprachentwicklung, Schwerhörigkeit, geistige Behinderung und verzögerte Pubertät.
Schilddrüsenunterfunktion – Diagnose im USZ
Wenn wir aufgrund der geschilderten Symptome im Erstgespräch (Anamnese) eine erworbene Schilddrüsenunterfunktion bei einem Kind oder Erwachsenen vermuten, kann eine Blutuntersuchung Klarheit bringen. Eine solche Untersuchung wird routinemässig auch bei Neugeborenen gemacht, um eine eventuelle angeborene Hypothyreose frühzeitig behandeln zu können. Bei der Blutuntersuchung liegt der Fokus zunächst auf der Konzentration des Schilddrüsen-anregenden Hypophysen-Hormons TSH. Ist dessen Blutwert erhöht, spricht das für eine Schilddrüsenunterfunktion. Dann kommt es auf die Konzentration von fT4 an, also von „freiem“ (nicht an ein Protein gebundenem) Thyroxin. Die Kombination beider Messwerte wird wie folgt interpretiert:
- TSH erhöht, fT4 erniedrigt: Es liegt eine manifeste Schilddrüsenunterfunktion vor, genauer: eine manifeste primäre Hypothyreose (bei sekundärer und tertiärer Hypothyreose ist das TSH ebenso wie das fT4 erniedrigt, bei tertiärer Hypothyreose zusätzlich auch der TRH-Wert).
- TSH erhöht, fT4 normal: Es liegt eine latente Hypothyreose vor, also eine „verborgene“ Schilddrüsenunterfunktion mit (noch) normaler Schilddrüsenhormon-Konzentration. Mit der Zeit kann sich daraus eine manifeste Hypothyreose entwickeln – das muss aber nicht sein.
Übrigens: Das zweite Schilddrüsenhormon (Trijodthyronin, T3) eignet sich nicht zur Diagnose einer Schilddrüsenunterfunktion – sein Messwert ist bei primärer Hypothyreose oft normal.
Schilddrüsen-Sprechstunde
In der Schilddrüsen-Sprechstunde an der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung werden Patientinnen und Patienten mit Erkrankungen der Schild- oder Nebenschilddrüse behandelt.
Schilddrüsenunterfunktion: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose
Sie können einer durch Jodmangel ausgelösten Schilddrüsenunterfunktion vorbeugen, indem Sie auf eine ausreichende Jodzufuhr achten. Wie viel Jod der Körper braucht, hängt vor allem vom Alter ab. Auch Schwangerschaft und Stillzeit beeinflussen den Jodbedarf. Die Hauptquelle für Jod ist in der Schweiz mit Jod angereichertes Speisesalz. Auch Kuhmilch und daraus hergestellte Produkte tragen hierzulande zur Jodversorgung bei, besonders bei Kindern. So sind Untersuchungen zufolge Schweizer Schulkinder im Allgemeinen ausreichend mit dem wichtigen Spurenelement versorgt. Dagegen nehmen viele Kleinkinder, Frauen im gebärfähigen Alter, Schwangere und Stillende weniger Jod zu sich als empfohlen. Um eine angeborene Schilddrüsenunterfunktion frühzeitig erkennen zu können, werden alle Neugeborenen auf Hypothyreose getestet (Bluttest). Fällt der Test positiv aus, kann sogleich mit einer medikamentösen Therapie begonnen werden – um eine gesunde Entwicklung des Kindes zu gewährleisten.
Schilddrüsenunterfunktion – Verlauf und Prognose
Der Verlauf einer Schilddrüsenunterfunktion hängt von ihrer Ursache ab. Am weitesten verbreitet ist eine Hypothyreose infolge einer autoimmunbedingten Schilddrüsenentzündung (chronisch lymphozytäre Thyreoiditis, Hashimoto-Thyreoiditis): Symptome entwickeln sich hier nur schleichend. Denn das Schilddrüsengewebe wird nur langsam zerstört. Zudem kann die restliche Schilddrüse den Zellverlust lange Zeit durch eine Steigerung der Hormonproduktion ausgleichen. Ab einem gewissen Punkt ist das aber nicht mehr möglich. Die produzierte Hormonmenge reicht dann nicht mehr aus, sodass sich zunehmend Symptome entwickeln.
Mit der Einnahme von Schilddrüsenhormonen lässt sich die Erkrankung aber meist problemlos in den Griff bekommen. Bei einer erworbenen Hypothyreose anderer Ursache können Symptome schneller auftreten, etwa wenn die Schilddrüse aufgrund eines Tumors teilweise oder gänzlich entfernt werden muss. Auch hier muss die fehlende Hormonmenge medikamentös ersetzt werden. Dann verschwinden in der Regel Beschwerden wie Verstopfung, Müdigkeit und trockene Haut. Bei einer angeborenen Schilddrüsenunterfunktion muss so bald wie möglich nach der Geburt mit der Hormonersatztherapie begonnen werden. Anderenfalls drohen schwere Wachstums- und Entwicklungsstörungen.
Interdisziplinäres Schilddrüsenzentrum
Am Schilddrüsenzentrum des USZ arbeiten acht Fachdiziplinen regelmässig zusammen. Expertinnen und Experten aus der Nuklearmedizin, Endokrinologie, ORL-Klinik, Viszeralchirurgie, Pathologie, Radio-Onkologie, Onkologie und Interventionelle Radiologie treffen sich wöchentlich am Schilddrüsen-Rapport. Hier werden die Befunde der Patientinnen und Patienten vorgestellt und rasch der jeweiligen Fachklinik zugewiesen.