Überblick: Was ist das Restless Legs-Syndrom?
Das Restless Legs-Syndrom (RLS, Syndrom der „unruhigen Beine“) ist eine chronische neurologische Erkrankung. Sie geht mit einem intensiven, unangenehmen Bewegungsdrang in den Beinen (seltener auch in anderen Körperregionen) einher, meist begleitet von schwer beschreibbaren unangenehmen Empfindungen. Die Beschwerden machen sich vor allem abends und nachts sowie in Ruhe bemerkbar – gemütlich auf der Couch oder im Bett zu liegen, ist für die Betroffenen je nach Schweregrad der Erkrankung nur schwer erträglich oder gar nicht möglich. Manche laufen sogar mehrmals nachts im Wohnraum herum, um der Beschwerden Herr zu werden – eine enorme körperliche und seelische Belastung für die Erkrankten.
Restless Legs-Syndrom – Häufigkeit und Alter
Das Restless Legs-Syndrom zählt zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Fachleute schätzen, dass fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung unter den „unruhigen Beinen“ leiden. Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer. Auch das Alter spielt eine Rolle: Meist tritt das Restless Legs-Syndrom erstmals um das 30. Lebensjahr herum in Erscheinung. Anfangs treten die Beschwerden oft nur zeitweise auf. Mit zunehmendem Alter werden die beschwerdefreien Phasen im Allgemeinen immer kürzer und seltener.
Restless Legs-Syndrom: Ursachen und Risikofaktoren
Wie die Bewegungsstörung der „unruhigen Beine“ genau zustande kommt, ist bislang noch unbekannt. Es gibt aber Hinweise, dass die Erkrankung mit einer Störung des Dopamin-Stoffwechsels im Gehirn in Verbindung steht. Dopamin ist ein Nervenbotenstoff, der unter anderem für die Bewegungssteuerung zuständig ist.
Für einen Zusammenhang zwischen RLS und dem Dopamin-Stoffwechsel spricht, dass sich die Beschwerden vielfach mit L-Dopa (Vorstufe von Dopamin) und Wirkstoffen mit dopaminartiger Wirkung (Dopaminagonisten) lindern lassen. Nebst dem Dopamin wird auch dem Eisenstoffwechsel eine wichtige Rolle beim Restless Legs-Syndrom zugeschrieben.
Was das Restless Legs-Syndrom auslöst, bleibt oft unbekannt. Fachkräfte sprechen in diesem Falle vom idiopathischen Restless Legs-Syndrom. Hierbei weist etwa die Hälfte der Betroffenen eine vererbbare Veranlagung für RLS auf. Wenn etwa ein Elternteil unter den „unruhigen Beinen“ leidet, ist das Risiko für die Kinder erhöht, ebenfalls daran zu erkranken. Forschende haben mehrere Gene identifiziert, die hierbei eine Rolle spielen.
Neben dem idiopathischen RLS gibt es noch das sekundäre oder symptomatische Restless Legs-Syndrom. Bei den Betroffenen treten die „unruhigen Beine“ im Zusammenhang mit einer anderen Erkrankung oder bestimmten Umständen auf. Dazu zählen zum Beispiel:
- Eisenmangel
- Schwangerschaft
- dialysepflichtige Nierenschwäche (Nierenversagen)
- Schilddrüsenfunktionsstörungen
- Rheumatoide Arthritis
- Polyneuropathie (Erkrankung des peripheren Nervensystems)
Darüber hinaus kennt man einige Medikamente, die ein Restless Legs-Syndrom auslösen oder zumindest verstärken können. Das gilt zum Beispiel für bestimmte Mittel gegen Herz-Kreislaufprobleme (z.B. Betablocker) und Depressionen (z.B. trizyklische Antidepressiva).
Symptome: Restless Legs-Syndrom
Die namensgebenden „unruhigen Beine“ sind das auffälligste Symptom beim Restless Legs-Syndrom – die Betroffenen verspüren den zwanghaften Drang, die Beine zu bewegen. Hinzukommen unangenehme Empfindungen wie ein Kribbeln, Ziehen, Reissen, Druck- oder Spannungsgefühl, Kälte- oder Hitzegefühl in den Beinen, vorwiegend den Waden. Zudem können die Gliedmassen mehr oder weniger stark schmerzen.
Typischerweise treten diese Beschwerden vor allem abends und nachts auf und ausschliesslich in Ruhe, also etwa im ruhigen Sitzen oder Liegen. Deshalb haben viele Betroffene Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen. Und selbst wenn sie einmal einschlummern, kommt ihr Körper oft nicht zur Ruhe – viele Erkrankte bewegen im Schlaf periodisch die Beine. In Summe führt dieser gestörte, unruhige Schlaf dazu, dass viele Betroffene tagsüber müde, schläfrig und wenig leistungsfähig sind.
Ein letztes zwingendes Merkmal des Restless Legs-Syndroms ist, dass sich die Beschwerden in den Beinen durch Bewegung bessern, beispielsweise durch Herumgehen. Individuell verschieden ist jedoch, wie ausgeprägt die RLS-Symptome sind. Einige Erkrankte haben auch in den Armen oder anderen Körperregionen Beschwerden.
Restless Legs-Syndrom – Diagnose bei uns
Das Restless Legs-Syndrom wird häufig bereits durch den Hausarzt oder die Hausärztin korrekt festgestellt. In gewissen Fällen ist die Diagnose dieser neurologischen Erkrankung jedoch nicht so einfach und die Betroffenen suchen Spezialistinnen und Spezialisten auf. Wir werden anhand Ihrer Schilderung der Beschwerden feststellen können, ob der Verdacht eines Restless Legs-Syndroms mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft. Ausschlaggebend sind dabei folgende vier Symptome – sie müssen vorhanden sein, damit wir die Diagnose „Restless Legs-Syndrom“ stellen können (essenzielle Diagnosekriterien):
- Sie spüren einen Bewegungsdrang in den Beinen (ggf. auch in den Armen), der oft mit unangenehmen Empfindungen (wie Kribbeln, Ziehen) verbunden ist.
- Die Beschwerden zeigen oder verstärken sich in Ruhesituationen.
- Durch Bewegung verbessern sich die Beschwerden oder sie verschwinden sogar.
- Die Beschwerden verschlimmern sich am Abend oder in der Nacht.
Daneben gibt es noch einige Faktoren, die oft, aber nicht immer bei einem Restless Legs-Syndrom auftreten (unterstützende Diagnosekriterien). Dazu zählen beispielsweise:
- periodische Bein- und Armbewegungen im Schlaf
- Verbesserung der Beschwerden unter dopaminerger Behandlung (Behandlung mit Levodopa oder Dopaminagonisten)
- bekannte Fälle von Restless Legs-Syndrom in der Familie
Wenn nach der Schilderung der Beschwerden und einer körperlichen Untersuchung die Diagnose immer noch nicht sicher ist, können zusätzliche Untersuchungen und Tests Klarheit bringen. Dies kann beispielsweise dann zutreffen, wenn mindestens zwei unterstützende Diagnosekriterien nicht zutreffen.
In diesem Falle ist unter Umständen eine Untersuchung im Schlaflabor angezeigt. Sie verbringen dort eine Nacht unter unserer ärztlichen Aufsicht. Während Sie schlafen, werden kontinuierlich Ihre Hirnstromaktivität, Beinbewegungen, die Atmung, Herzfrequenz, Ihr Blutdruck und andere Funktionen Ihres Körpers gemessen. Über Video werden zudem eventuelle periodische und unwillkürliche Beinbewegungen aufgezeichnet. Diese sogenannte Polysomnografie kann die Diagnose unterstützen.
Um andere Erkrankungen als Ursache für Ihre Beschwerden auszuschliessen, können weitere Untersuchungen notwendig sein. Dazu gehören beispielsweise Blut- und Urinuntersuchungen sowie eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (Elektroneurografie) und der elektrischen Muskelaktivität (Elektromyografie). Insbesondere ein Eisenmangel – oder bereits tief-normale Eisenwerte – müssen aktiv gesucht und gegebenenfalls behandelt werden.
Übrigens: In seltenen Fällen erkranken schon Kinder am Restless Legs-Syndrom. Die Symptome sind dann aber in der Regel nur sehr milde, und die Erkrankung wird oft nicht erkannt. Stattdessen werden die Beschwerden beispielsweise als „Wachstumsschmerzen“ oder ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom) fehlgedeutet.
Restless Legs-Syndrom: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose
Einem Restless Legs-Syndrom lässt sich kaum vorbeugen. Meist bleibt der Grund für die Erkrankung unbekannt beziehungsweise beruht auf einer genetischen Veranlagung. Es gibt auch kein spezielles Programm zur Früherkennung von RLS, auch nicht für Menschen, die Fälle von Restless Legs-Syndrom in der Familie haben oder an einer Krankheit leiden, die bekanntermassen gehäuft in Verbindung mit „unruhigen Beinen“ auftritt. Wenn Sie aber „unruhige Beine“ entwickeln, ist es ratsam, ärztliche Hilfe zu suchen.
Selbsthilfegruppen
Der Austausch mit Gleichbetroffenen kann bei der Bewältigung einer Krankheit eine grosse Unterstützung sein. Beratung auf der Suche nach einer geeigneten Selbsthilfegruppe erhalten Sie bei Selbsthilfe Zürich. Selbsthilfe Zürich und das Universitätsspital Zürich sind Kooperationspartner im nationalen Projekt «Gesundheitskompetenz dank selbsthilfefreundlicher Spitäler».
Restless Legs-Syndrom: Behandlung je nach Beschwerden
Die Behandlung des Restless Legs-Syndroms wird individuell geplant. Wir werden zum einen berücksichtigen, wie ausgeprägt Ihre Beschwerden sind und wie sehr Sie darunter leiden. Zum anderen richtet sich die Therapieplanung danach, ob es einen bekannten Auslöser für die Beschwerden gibt, also ob ein sekundäres RLS vorliegt.
Ärztliche Behandlung des sekundären Restless Legs-Syndroms
Hat bei Ihnen eine Stoffwechselstörung, Erkrankung oder ein Medikament das Restless Legs-Syndrom ausgelöst, können wir nach Möglichkeit eine spezifische Therapie starten. Einige Beispiele:
- Stehen Ihre „unruhigen Beine“ in Verbindung mit einem Eisenmangel, verschreiben wir Ihnen ein Präparat, welches das Defizit ausgleicht. Geht das Restless Legs-Syndrom mit Nierenversagen einher, kann die ohnehin notwendige Blutwäsche (Dialyse) als Nebeneffekt auch gegen die „unruhigen Beine“ helfen. Wenn bei Ihnen ein bestimmtes Medikament das Restless Legs-Syndrom auslöst oder zumindest verstärkt, werden wir prüfen, ob Sie diese Arznei gefahrlos absetzen und gegebenenfalls durch ein anderes Präparat austauschen dürfen. Wichtig ist, dass Sie niemals auf eigene Faust verschriebene Medikamente absetzen!
- Bei Frauen, bei denen das Restless Legs-Syndrom im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft auftritt, wird in der Regel von einer Behandlung abgeraten. Die „unruhigen Beine“ verschwinden nach der Geburt meist von alleine.
Medikamente gegen das Restless Legs-Syndrom
Falls nötig, lassen sich die Beschwerden des Restless Legs-Syndroms mit Medikamenten lindern. Diese helfen aber nicht gegen die bekannten oder unbekannten Ursachen der Erkrankung. Es handelt sich also um eine rein symptomatische Therapie. Sie wird bei ausgeprägten Beschwerden und relevantem Leidensdruck der Erkrankten in Betracht gezogen (bei sekundärem RLS eventuell zusätzlich zur Behandlung der Grunderkrankung).
Die Medikamente erster Wahl bei der Behandlung des Restless Legs-Syndroms sind Gabapentin, Dopaminagonisten und Levodopa:
- Gabapentin: Dieser ursprünglich gegen Epilepsie entwickelte Wirkstoff hat sich als effektiv gegen das Restless Legs-Syndrom erwiesen und ist seit wenigen Jahren ebenfalls erste Wahl in dessen Behandlung. Vorteil ist vor allem, dass unter Gabapentin ein deutlich kleineres Risiko einer Augmentation beobachtet wurde.
- Dopaminagonisten: Das sind Wirkstoffe, die im Gehirn eine dopaminartige Wirkung hervorrufen. Es zählen dazu beispielsweise Rotigotin, Ropinirol und Pramipexol. Diese Medikamente haben in der Regel eine sehr gute Wirkung, gehen aber mit einem gewissen Risiko einer Augmentation einher.
- L-Dopa: Dieser Wirkstoff ist eine Vorstufe des körpereigenen Nervenbotenstoffes Dopamin. Er wird in Kombination mit dem Wirkstoff Benserazid verabreicht, der dafür sorgt, dass L-Dopa erst im Gehirn in Dopamin umgewandelt wird und nicht schon in ausserhalb liegenden Blutbahnen. Der Grund: L-Dopa kann die Blut-Hirn-Schranke überwinden (also ungehindert aus dem Blut ins Gehirn übertreten), während Dopamin das nicht vermag. Die Wirkung ist gut, das Risiko einer Augmentation aber am höchsten.
Sollten diese Medikamente nicht (ausreichend) wirken oder von der betroffenen Person nicht gut vertragen werden, können wir unter Umständen andere Wirkstoffe verschreiben. Wenn Sie beispielsweise an einem sehr schmerzhaften Restless Legs-Syndrom leiden, kann eine alternative Behandlung mit anderen Substanzen bis hin zu Opioiden hilfreich sein.
Tritt bei Ihnen das Restless Legs-Syndrom in Verbindung mit einer Angststörung auf, kann ebenfalls der oben erwähnte Wirkstoff Pregabalin sinnvoll sein – er besitzt neben seiner krampflösenden auch eine angstlösende Wirkung.
Augmentation
Unter Augmentation verstehen wir eine Verschlechterung der Restless Legs-Symptomatik unter Behandlung. Typischerweise sind dies bereits früher am Tag statt erst am Abend auftretende Symptome, und eine Ausweitung der Beschwerden von den Beinen in die Arme oder den Rumpf. Eine Erhöhung der Medikamentendosis bringt keine Linderung, sondern kann die Symptomatik noch verstärken. In dieser Situation ist eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt angezeigt, und die medikamentöse Strategie muss geändert werden (z.B. Wechsel des Medikamentes).