Osteomyelitis und medikamentenassoziierte Osteonekrosen (MRONJ) von Ober- und Unterkiefer

MRONJ

Bei einer Osteomyelitis von Ober- und Unterkiefer kommt es zu einer Entzündung des Kieferknochens, in der Regel verursacht durch eine Infektion mit Bakterien aus dem Mundraum. Je nach Ausmass kann sich im weiteren Verlauf eine Osteonekrose entwickeln, also Knochengewebe im Kiefer absterben.

Erst seit wenigen Jahren ist zudem bekannt, dass es bei der Einnahme bestimmter Medikamente, sogenannter Antiresorptiva, manchmal als Nebenwirkung zu Gewebesterben im Kieferknochen kommen kann. In diesen Fällen spricht man von einer medikamentenassoziierten Osteonekrose. Auch hier spielen Infektionen mit Keimen aus der Mundhöhle eine wichtige Rolle bei der Entstehung. Sowohl bei Osteomyelitis also auch bei medikamentenassoziierten Osteonekrosen von Ober- und Unterkiefer ist eine frühzeitige Diagnose wichtig, um so früh wie möglich mit der Behandlung beginnen zu können. Bei beiden Erkrankungen spielt eine gute Zahn- und Mundhygiene eine wichtige Rolle beim Vorbeugen.

Überblick: Was sind Osteomyelitis und medikamentenassoziierte Osteonekrosen (MRONJ) von Ober- und Unterkiefer?

Zwar bedeutet Osteomyelitis übersetzt Knochenmarkentzündung, tatsächlich ist bei einer Osteomyelitis des Kiefers jedoch meist der gesamte Kieferknochen mit all seinen Schichten entzündet. Man unterscheidet akute und chronische Formen der Osteomyelitis. Von einer chronischen Osteomyelitis spricht man, wenn die Entzündung im Kiefer länger als vier Wochen besteht. Die Entzündung entwickelt sich dabei in der Regel als Folge einer Infektion mit Bakterien, die aus dem Mundraum stammen und bis zum Kieferknochen vorgedrungen sind.

Unter einer Osteonekrose versteht man allgemein das Absterben von Knochengewebe. Im Ober- und Unterkiefer kann solch ein Untergang von Knochengewebe auch als Nebenwirkung bestimmter Medikamente auftreten. Dann spricht man auch von einer medikamentenassoziierten Osteonekrose. Die Abkürzung MRONJ steht für das englische Äquivalent des Begriffs: medication-related osteonecrosis of the jaw.

Osteomyelitis und medikamentenassoziierte Osteonekrosen (MRONJ) von Ober- und Unterkiefer: Meist ist eine Infektion die Ursache

Der Mundraum ist voller Bakterien. Über Zähne und Zahnhalteapparat (das sogenannte Parodont) können diese unter Umständen bis zum Kieferknochen vordringen. Zum Glück passiert das jedoch relativ selten. Denn dank einer guten Gewebedurchblutung und Abwehrmechanismen des Immunsystems gelingt es dem Körper normalerweise, eindringende Keime abzuwehren beziehungsweise in Schach zu halten. Verschiebt sich jedoch das Gleichgewicht etwa, weil die Anzahl der Erreger zunimmt, die Erreger besonders aggressiv sind oder die Immunabwehr geschwächt ist, kann es zu einer Infektion des Kieferknochens kommen.

Bestehen Grunderkrankungen, die das Immunsystem beeinträchtigen, kann das eine Osteomyelitis des Kiefers begünstigen. Zu solchen Erkrankungen zählen beispielsweise:

  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
  • Autoimmunerkrankungen
  • Blutarmut (Anämie)
  • Blutkrebs (Leukämie)

Ist gleichzeitig die Gewebedurchblutung beeinträchtigt, gilt das als zusätzlicher Risikofaktor dafür, dass sich eine Osteomyelitis im Kiefer entwickelt oder ausbreitet. Denn bei mangelnder Durchblutung wird das Gewebe zum einen nur noch ungenügend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, zum anderen können die Abwehrzellen des Immunsystems nicht ausreichend dorthin gelangen, wo sie benötigt werden. Da viele krankmachende Keime eine sauerstoffarme Umgebung bevorzugen, können diese sich in schlecht durchblutetem Gewebe und ohne ausreichende Abwehr des Immunsystems zudem besonders gut vermehren und ausbreiten. Bestimmte Faktoren können eine schlechte Gewebedurchblutung und dadurch auch eine Osteomyelitis begünstigen. Zu diesen Risikofaktoren zählen beispielsweise:

  • Rauchen
  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
  • bereits bestehende Erkrankungen der Knochen (zum Beispiel Morbus Paget, fibröse Dysplasie oder Osteopetrose)

Eine Osteomyelitis entwickelt sich dabei meist im Unterkiefer. Denn im Vergleich zum Oberkiefer ist der Unterkiefer nur wenig durchblutet.

Ursache für eine Osteomyelitis im Kiefer ist in den meisten Fällen eine Infektion mit Keimen aus der Mundhöhle, zum Beispiel infolge einer Zahnfleischentzündung (Gingivitis) oder nicht durchgebrochener Zähne. In manchen Fällen entwickelt sich eine Osteomyelitis jedoch auch nach Brüchen im Kieferknochen, die nicht richtig versorgt wurden, oder als Folge operativer Eingriffe im Kieferbereich.

Osteonekrose als Nebenwirkung von Medikamenten

In manchen Fällen entwickeln sich entzündliche Zustände im Kieferknochen infolge der Einnahme bestimmter Medikamente, vor allem durch sogenannte Antiresorptiva. Wird der Zusammenhang zwischen den Beschwerden und den Medikamenten nicht frühzeitig erkannt, kann sich daraus rasch ein Knochenabsterben, also eine Osteonekrose entwickeln. Warum es vor allem im Kieferknochen zu einem Untergang von Knochengewebe als Nebenwirkung kommt, ist noch nicht sicher geklärt.

Zur Gruppe der Antiresorptiva zählen Wirkstoffe, die den Knochenabbau verringern, wie Bisphosphonate oder Denosumab. Sie werden bei Erkrankungen verschrieben, die mit einem erhöhten Knochenabbau einhergehen, so zum Beispiel bei:

  • Osteoporose (Knochenschwund)
  • Morbus Paget
  • Glasknochenkrankheit (Osteogenesis imperfecta)
  • Krebserkrankungen (wie Plasmozytom, multiplem Myelom oder auch bei Metastasen infolge von Brustkrebs, Prostatakrebs, Nierenkrebs oder Lungenkrebs)

Ein erhöhtes Risiko für medikamentenassoziierte Osteonekrosen des Ober- und Unterkiefers besteht insbesondere, wenn Antiresorptiva im Rahmen einer Krebsbehandlung zum Einsatz kommen. Denn dabei müssen die Medikamente viel höher dosiert und dazu noch häufiger verabreicht werden als etwa bei der Behandlung einer Osteoporose.

Antiresorptiva greifen in den Knochenstoffwechsel ein und beeinträchtigen auch Abwehrprozesse des Immunsystems im Knochen. Das kann Infektionen den Weg bahnen. Denn im Unterschied zu anderen Knochen steht der Kieferknochen über die Zähne in beinah direkter Verbindung zur Aussenwelt. Sein einziger Schutz ist die zarte Knochenhaut (Periost) und eine dünne Schleimhaut. So können vermutlich bereits kleine Schleimhautverletzungen Keimen aus dem Mundraum eine Eintrittspforte bieten und zu Infektionen und entzündlichen Prozesse im Knochengewebe führen.

Bestimmte Faktoren können solche Infektionen begünstigen, wie etwa:

  • Zahnfleischentzündungen (Gingivitis)
  • Entzündungen des Zahnhalteapparats (Parodontitis)
  • problematische Zahndurchbrüche (zum Beispiel bei Weisheitszähnen)
  • Verletzungen der Mundschleimhaut (zum Beispiel beim Zähneputzen, durch Prothesen, scharfe Knochenkanten, Zungen- oder Wangenbeissen)
  • unprofessionell durchgeführte zahnchirurgische Eingriffe

Osteomyelitis und medikamentenassoziierte Osteonekrosen (MRONJ) von Ober- und Unterkiefer: Symptome

Bei einer Osteomyelitis des Kiefers können unterschiedliche Symptome auftreten, abhängig davon, ob es sich um eine akute Entzündung des Kieferknochens handelt oder diese bereits chronisch geworden ist. Von einer chronischen Osteomyelitis im Kieferbereich spricht man, wenn die Entzündung länger als vier Wochen besteht.

Osteomyelitis und medikamentenassoziierte Osteonekrosen können mit ähnlichen Beschwerden einhergehen. Mögliche Symptome sind zum Beispiel:

  • dumpfe bis starke Schmerzen im Kiefer
  • weiche oder harte Schwellungen des Weichgewebes im Mundraum beziehungsweise Kieferbereich
  • Mundgeruch
  • Abszessbildung im Kieferbereich
  • Mund lässt sich nicht normal weit öffnen
  • Gefühl lockerer Zähne im Entzündungsbereich
  • röhrenartige Verbindung vom Kiefer zur Hautoberfläche (sogenannte Fistel)
  • Gefühllosigkeit der Unterlippe durch Sensibilitätsstörung im Versorgungsgebiet des Nervus alveolaris inferior (sogenanntes Vincent-Syndrom)
  • abgestorbenes (nekrotisches) Knochengewebe
  • freiliegender Kieferknochen
  • Brüche im Kieferknochen ohne äussere Ursache
  • Kieferhöhlenentzündung

Insbesondere bei einer akuten Osteomyelitis sind auch geschwollene Lymphknoten, Fieber (39 bis 40 Grad Celsius) und ein starkes Krankheitsgefühl typisch.

Osteomyelitis und medikamentenassoziierte Osteonekrosen (MRONJ) von Ober- und Unterkiefer: Diagnose bei uns

Um bei einer Osteomyelitis und/oder medikamentenassoziierten Osteonekrose des Ober- und Unterkiefers eine Diagnose zu stellen, nehmen wir zuerst Mund- und Kieferbereich gründlich in Augenschein. Blutuntersuchungen können zeigen, ob erhöhte Entzündungswerte wie ein erhöhter CRP-Wert oder eine erhöhte Leukozyten-Zahl (Leukozytose) vorliegen. Von besonderem Interesse ist, ob der Patient oder die Patientin mit Medikamenten aus der Gruppe der Antiresorptiva behandelt wird oder wurde.

Um genaueren Einblick in den Kieferknochen zu bekommen, spielen vor allem verschiedene bildgebende Untersuchungen eine Rolle, wie zum Beispiel:

  • Panoramaschichtaufnahme (Orthopantomogramm, OPG): halbkreisförmige Röntgenaufnahme des Kiefers von einem Ohr zum anderen
  • digitale Volumentomographie: dreidimensionale Röntgenaufnahme des Kiefers
  • Computertomographie (CT): schichtweise Röntgenaufnahmen des Kiefers
  • Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie): schichtweise Aufnahmen des Kiefers mithilfe eines starken Magnetfelds und Radiowellen
  • Knochenszintigraphie (SPECT/CT): nuklearmedizinische Untersuchung, mit der man Knochen und Knochenstoffwechsel begutachten kann

Eine Gewebeprobe (Biopsie) kann zudem zeigen, welcher Art die Veränderungen im Knochengewebe sind. Das ist wichtig, um auszuschliessen, dass es sich um ein Krebsgeschehen handelt.

Osteomyelitis und medikamentenassoziierte Osteonekrosen (MRONJ) von Ober- und Unterkiefer: Massnahmen zum Vorbeugen

Sowohl bei einer Osteomyelitis als auch bei einer medikamentenassoziierten Osteonekrose im Kiefer spielen Infektionen durch Bakterien aus dem Mundraum eine wichtige Rolle. Mit einer optimalen Mund- und Zahnhygiene lässt sich diesen Erkrankungen jedoch bis zu einem gewissen Grad vorbeugen. Neben der richtigen Putztechnik zählen dazu auch der regelmässige Gebrauch von Zahnseide und das Wahrnehmen von zahnärztlichen Kontrolluntersuchungen.

Ehe eine Therapie mit Antiresorptiva begonnen wird, ist generell ein Termin beim Zahnarzt oder bei der Zahnärztin ratsam. So lässt sich rechtzeitig feststellen, in welchem Zustand die Zähne sind, ob es mögliche Infektionsherde gibt und ob ausreichende Kenntnisse darüber bestehen, wie man die Zähne optimal pflegt. Insbesondere, wenn Antiresorptiva im Rahmen einer Krebsbehandlung zum Einsatz kommen, kann es sinnvoll sein, notwendige Zahnbehandlungen oder Prothesenanpassungen vor Beginn der Therapie abzuschliessen.

Auch während der Behandlung mit Antiresorptiva sollten Patienten und Patientinnen zahnärztliche Untersuchungen regelmässig wahrnehmen (je nach individueller Risikolage in kürzeren oder längeren Abständen) und auf eine sehr gute Mund- und Zahnpflege achten. Ebenso ist eine professionelle Zahnreinigung in regelmässigen Abständen ratsam.

Sind zahnärztliche Eingriffe notwendig, bei denen es zu Verletzungen der Schleimhautabdeckung des Kieferknochens kommen kann, sollten vorbeugend auch Antibiotika Teil der Behandlung sein – idealerweise bereits mindestens am Tag vor dem Eingriff. Die Eingriffe sollten ausserdem so durchgeführt werden, dass sie Bakterien möglichst wenig Eintrittsmöglichkeiten bieten.