Überblick: Was ist eine Hyperkalzämie?
Eine Hyperkalzämie bedeutet, dass ein Mensch zu viel des Minerals Kalzium im Blut hat. Beispiele sind bösartige Tumoren (Krebs), eine erhöhte Freisetzung des Parathormons (beteiligt am Kalziumstoffwechsel) aus der Nebenschilddrüse (Hyperparathyreoidismus) oder bestimmte Medikamente.
Die Hyperkalzämie können wir anhand einer Blutuntersuchung feststellen. Ein leicht erhöhter Kalziumspiegel verursacht meist noch keine Symptome und ist in der Regel nicht gesundheitsgefährlich. Anders sieht es bei stärker erhöhten Kalziumwerten aus, die verschiedene Stoffwechselprozesse aus dem Lot bringen können. Die Symptome können sich an verschiedenen Organen zeigen: dem Magen-Darm-Trakt, Herz, Nervensystem, der Muskulatur und den Nieren. Extrem hohe Kalziumspiegel im Blut können sogar lebensgefährlich werden. Diese hyperkalzämische Krise ist ein Notfall, bei dem wir sofort handeln müssen. Es gilt, die Kalziummenge im Blut möglichst schnell abzusenken.
Die Behandlung hängt von der Ursache und der Höhe der Kalziumwerte im Blut ab. Als erstes behandeln wir immer die Grunderkrankung, die zum hohen Kalziumspiegel führt, also zum Beispiel die Krebserkrankung.
Hyperkalzämie – Häufigkeit und Alter
Die Hyperkalzämie kommt in der Arztpraxis, im Spital und in der Notaufnahme relativ häufig vor. Die drei häufigsten Ursachen für die Entgleisung der Kalziumwerte nach oben sind eine Krebserkrankung, ein Hyperparathyreoidismus oder eine Vitamin D Übersubstitution. Gemeinsam machen sie rund 90 Prozent aller Fälle von Hyperkalzämie aus. Prinzipiell können erhöhte Kalziumwerte im Rahmen aller Krebsarten auftreten, aber besonders oft stellen wir die Störung bei Patientinnen und Patienten mit Lungen- und Brustkrebs sowie einer Erkrankung der Blutzellen fest.
Ein genaues Alter lässt sich für die Hyperkalzämie nicht festmachen. Erhöhte Kalziumwerte können prinzipiell in jedem Lebensalter auftreten – vom Kind bis zur Seniorin oder zum Senior.
Hyperkalzämie: Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursachen der Hyperkalzämie können sehr vielfältig sein. In der Regel liegen andere Erkrankungen zugrunde, welche die Kalziumwerte im Blut in die Höhe klettern lassen. Die beiden wichtigsten Ursachen sind:
- Bösartige Tumore – die Hyperkalzämie kann begleitend bei allen Krebsarten auftreten. Meist ist die Krebserkrankung dann schon weiter fortgeschritten. Typisch sind Knochenmetastasen bei Lungen- oder Brustkrebs aber auch Nierenzellkrebs. Der Knochen wird durch die Knochenmetastasen abgebaut und setzt Kalzium frei. Aber auch bei einer Erkrankung der Blutzellen, Kopf-Hals-Tumoren, einem multiplen Myelom – einer Krebserkrankung der Blutzellen oder einer Krebserkrankung des Urogenitaltraktes können sich die Kalziumwerte im Blut erhöhen.
- Hyperparathyreoidismus – eine Überfunktion der Nebenschilddrüse. Dabei setzt sie verstärkt das sogenannte Parathormon frei, das entscheidend am Kalziumstoffwechsel beteiligt ist. Das Parathormon erhöht über verschiedene Prozesse den Kalziumspiegel im Blut und senkt gleichzeitig die Phosphatwerte.
- Übersubstitution an Vitamin D – eine Einnahme von zu hohen Vitamin D Mengen führt ebenfalls häufig zu einer Hyperkalzämie
Daneben kann die Hyperkalzämie noch andere Ursachen haben, die jedoch seltener vorkommen. Beispiele sind:
- Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)
- Tuberkulose
- Familiäre hypokalziurische Hyperkalzämie – eine angeborene Störung, welche zu einer milden Hyperkalzämie führt
- Sarkoidose – eine entzündliche Erkrankung des Bindegewebes, die oft die Lunge betrifft
- Morbus Addison – eine seltene Erkrankung der Nebennierenrinde, bei der sie ihre Funktion einbüsst
- Medikamente, etwa Lithium (bei psychischen Erkrankungen), Thiazid-Diuretika (harntreibende, entwässernde Mittel) oder Tamoxifen (bei hormonempfindlichem Brustkrebs)
- Immobilisation, bei Kindern und Erwachsenen, welche physiologischerweise einen hohen Knochenumsatz haben, kann es nach langer Bettruhe (z.B. Paraplegie, Rückenoperationen) zum Ungleichgewicht zwischen Knochenneubildung und –resorption kommen, wodurch eine Hyperkalzämie entstehen kann.
Symptome: Hyperkalzämie betrifft mehrere Organe
Die Symptome bei einer Hyperkalzämie hängen davon ab, wie stark die Kalziumwerte im Blut erhöht sind. Ausserdem spielt es eine Rolle für die Schwere der Symptome, ob der Kalziumspiegel schnell oder langsam innerhalb mehrerer Wochen ansteigt. Auch das Alter oder die Einnahme von Medikamenten (zum Beispiel Beruhigungsmittel, Neuroleptika) haben vermutlich einen Einfluss auf die Art und Intensität der Symptome. Oft sind die Beschwerden sehr unspezifisch und lassen sich zum Beispiel bei einer fortgeschrittenen Krebserkrankung nicht immer leicht einordnen.
Hyperkalzämie – bei welchen Werten?
- Bei einer erwachsenen Person liegen die Kalzium-Normalwerte zwischen 2.09 – 2.54 mmol/l. Ein leicht erhöhter Kalziumspiegel verursacht meist noch keine Beschwerden.
- Ab Kalziumwerten von mehr als 2.7 mmol/l (Millimol pro Liter Blut) setzen meist die ersten Anzeichen ein.
- Steigen die Werte auf 3 mmol/l und darüber, kommt es zu schweren Symptomen. Wir sprechen von einer hyperkalzämischen Krise bei einem Wert von 3.5 mmol/l, die ein Notfall ist und eine sofortige Behandlung erfordert. Der Zustand ist lebensbedrohlich.
Hyperkalzämie – Symptome im Überblick
Die Symptome einer Hyperkalzämie können sich an mehreren Organen zeigen: dem Verdauungstrakt, Herz, Nervensystem, der Muskulatur und den Nieren. Folgende Symptome können auf einen erhöhten Kalziumspiegel hindeuten:
- Magen-Darm-Trakt: Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Bauchschmerzen, Bauchspeicheldrüsenentzündung, Magengeschwür
- Nieren: grosser Durst, häufiges Wasserlassen, nächtliches Wasserlassen, Austrocknung, Nierensteine
- Herz: Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Veränderungen im Elektrokardiogramm (EKG)
- Nervensystem und Muskulatur: Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kraftlosigkeit, verminderte Leistungsfähigkeit, Muskelschwäche, verminderte Reflexe, Konzentrationsstörungen, Depression, Verwirrtheit, Desorientierung, Verhaltensstörungen, Bewusstseinstrübung, Koma
Hyperkalzämie: Diagnose durch uns
Am Anfang der Diagnose Hyperkalzämie steht immer das Gespräch zwischen Ärztin oder Arzt und der betroffenen Person zur Krankengeschichte (Anamnese). Wichtig sind zum Beispiel folgende Fragen:
- Welche Symptome haben Sie genau?
- Wann sind sie erstmals aufgetreten?
- Wie intensiv sind die Beschwerden?
- Haben sich die Symptome rasch oder langsam über längere Zeit entwickelt?
- Sind Grunderkrankungen bei Ihnen bekannt? Zum Beispiel Krebserkrankung, Überfunktion der Nebenschilddrüse, Schilddrüsenüberfunktion?
- Nehmen Sie Medikamente ein? Wenn ja: Welche und seit wann? Zum Beispiel Lithium, Vitamin D, Thiazide?
Dann folgt eine körperliche Untersuchung, bei der wir zum Beispiel Herz und Lunge mit dem Stethoskop abhören, den Körper abtasten und bestimmte Körperfunktionen testen, etwa die Reflexe.
Eine Blutuntersuchung zeigt, wie hoch die Werte für das Gesamtkalzium sowie des freien, aktiven Kalziums im Blut sind. Laborärztinnen und Laborärzte analysieren dafür eine Blutprobe. Folgende Werte gelten („Ca“ ist die chemische Abkürzung für Kalzium = Calcium):
- Hyperkalzämie: Ca ≥ 2.6 mmol/l
- Milde bis moderate Hyperkalzämie: Ca ≥ 2.6 – 3.4 mmol/l
- Schwere Hyperkalzämie: Ca ≥ 3.5 mmol/l
Meist bestimmen wir zusätzlich die Blutwerte für:
- Phosphat
- Albumin
- Kreatinin
- Parathormon (PTH) und Parathormon-related Protein (PTHrP)
- Vitamin D
Eine Elektrokardiografie (EKG) lässt Rückschlüsse auf die Herzfunktion zu. Im EKG können wir zum Beispiel Herzrhythmusstörungen anhand der veränderten Zacken und Kurven aufdecken.
In manchen Fällen kommen bildgebende Verfahren zum Einsatz, um Veränderungen an den Knochen aufzuspüren. Beispiele sind:
- Röntgenuntersuchung
- Computertomografie (CT) – eine Röntgenuntersuchung, die Schnittbilder des Körpers liefert.
- Magnetresonanztomografie (MRT = Kernspintomografie): Sie arbeitet mit starken Magnetfeldern und nimmt den Körper „scheibchenweise“ auf. So erhält der Radiologe oder die Radiologin ebenfalls detaillierte Schnittbilder.
- SPECT/CT: Mittels dieser szintigraphischen Methode können Nebenschilddrüsenadenome bei Hyperparathyroidismus detektiert werden.
- Cholin-PET/MR oder –PET/CT: Mittels dieses hochsensitiven Hybridverfahrens werden speziell sehr kleine (und bislang nicht entdeckte) Nebenschilddrüsenadenome bei Hyperparathyroidismus detektiert.
Hyperkalzämie: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose
Es sind keine speziellen Massnahmen bekannt, mit denen Sie einer Hyperkalzämie vorbeugen können. Allerdings sollten Sie immer eine ausreichende Kalziumversorgung sicherstellen, denn es gibt auch das Gegenteil: die Hypokalzämie, eine Unterversorgung mit Kalzium. Es gilt also, das richtige Mass zu finden. und achten Sie darauf, nicht ohne medizinische Verschreibung und Kontrolle Vitamin D Präparate einzunehmen. Falls Sie unsicher sind, lassen Sie sich von einer Ernährungsspezialistin oder einem Ernährungsspezialisten (Oecotrophologie) beraten.
Am häufigsten sind Krebserkrankungen und der Hyperparathyreoidismus – eine Überfunktion der Nebenschilddrüse – die Ursachen für die Hyperkalzämie. Falls sie Vitamin D und Kalziumpräparate einnehmen, sollten sie ihren Kalziumwert regelmässig vom Arzt oder von einer Ärztin kontrollieren lassen.
Auch besondere Massnahmen zur Früherkennung der Hyperkalzämie gibt es nicht. Die Bestimmung der Kalziumwerte im Blutserum ist keine Routineuntersuchung bei gesunden Menschen. Bei betroffenen Personen mit einer bestehenden Erkrankung bestimmen wir die Werte allerdings meist neben anderen Blutwerten. Kommen Sie auf jeden Fall zu uns, wenn Sie Symptome wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung oder Bauchschmerzen verspüren.
Verlauf und Prognose bei Hyperkalzämie
Der Verlauf und die Prognose bei einer Hyperkalzämie hängen von der Schwere und der Ursache der Kalziumwerte ab. In der Regel ist die Prognose günstig, wenn wir den Kalziumspiegel rasch ausreichend senken. Zu beachten ist, dass die Hyperkalzämie oft mit einer schweren, fortgeschrittenen Krebserkrankung in Verbindung steht. Diese beeinflusst ebenfalls die Lebenserwartung. Auch das Alter, die Einnahme von Medikamenten und weitere vorhandene Erkrankungen haben einen Einfluss auf den Verlauf und die Prognose.
Hyperkalzämie: Behandlung je nach Ursache
Die Therapie der Hyperkalzämie hängt von der Ursache ab. Zunächst behandeln wir immer die zugrundeliegende Erkrankung – dann normalisieren sich die Kalziumwerte oft wieder. Das können eine Krebserkrankung, Knochenmetastasen, Hyperparathyreoidismus (zu hohe Werte an Parathormon aufgrund einer Überfunktion der Nebenschilddrüse) oder eine Schilddrüsenüberfunktion sein. Sind Medikamente die Auslöser der erhöhten Kalziumwerte, versuchen wir, sie abzusetzen und Alternativen für diese Arzneien zu finden. Neben einer Behandlung der Ursache, sind im akuten Fall oft auch zusätzliche Massnahmen wie intravenöse Flüssigkeitsgabe und intravenöse Medikation und im äussersten Fall Dialyse nötig, um die Kalziumwerte schnell zu senken. Die hyperkalzämische Krise ist ein Notfall, bei dem wir umgehend handeln müssen. Betroffene müssen sich stationär im Spital behandeln lassen.