Überblick: Was sind Gallensteine?
Gallensteine gibt es in den unterschiedlichsten Variationen: Manchmal sind sie winzig wie Sandkörner, im Extremfall können sie aber gross wie eine Kartoffel werden. Mal sind sie braun, mal gelb, mal grau oder schwarz. Eines aber haben alle Gallensteine gemeinsam: Sie entstehen als harte Ablagerungen (Konkremente) der Gallenflüssigkeit.
Gallenflüssigkeit (auch Gallensaft oder kurz Galle genannt) ist ein Sekret, das in der Leber produziert wird, um die Verdauung zu unterstützen. Die Galle hilft im Darm, Fette aufzuspalten. Um von der Leber in den Darm zu gelangen, fliesst sie zunächst durch kleine Kanäle (Gallengänge oder Gallenwege) in die Gallenblase. Hier wird die Flüssigkeit eingedickt und gespeichert. Wenn der Verdauungsvorgang beginnt, zieht sich die Gallenblase zusammen und drückt das benötigte Gallensekret durch die Gallengänge in den Dünndarm.
Gallensteine (Cholelithen) können entweder in der Gallenblase oder in den Gallenwegen entstehen und in beiden Fällen gesundheitliche Probleme bereiten. Die langen Fachausdrücke hierfür sind leichter zu verstehen, wenn man weiss: Die Silbe „-iasis“ am Ende eines medizinischen Begriffs bedeutet Krankheit, und die Silbe „-lithiasis“ steht für ein durch Steine verursachtes Leiden:
- Eine Cholelithiasis bezeichnet als Überbegriff das Vorhandensein von Gallensteinen. Es kann sich um einen einzelnen Stein oder um mehrere handeln. Gallensteine, die in der Gallenblase entstanden sind, können auch „wandern“ und sich in den Gallenwegen festsetzen.
- Gallensteine in der Gallenblase bezeichnet man als Cholezystolithiasis.
- Gallensteine in den Gallenwegen nennt man Cholangiolithiasis.
- Ein von der Leber kommender Gallenweg trifft im Bauch mit einem von der Gallenblase kommenden Gallenweg zusammen; beide bilden den sogenannten gemeinsamen Gallengang (Ductus choledochus). Dies ist der letzte Bereich, den die Galle auf ihrem Weg zum Dünndarm zurücklegt. Wenn sich in diesem etwa zehn Zentimeter langen Abschnitt Gallensteine befinden, spricht man von einer Choledocholithiasis.
Gallensteine sind weit verbreitet: In Europa bilden sich bei zehn bis 15 Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens solche Ablagerungen. Auf die Schweiz bezogen entspricht das 870.000 bis 1,3 Millionen Betroffenen, eine deutliche Mehrzahl von ihnen sind Frauen. Mehr als 70 Prozent dieser Menschen bemerken ihre Gallensteine nicht, weil diese keine Beschwerden verursachen. Doch bei etwa einem Viertel der Betroffenen machen sich die Steine irgendwann bemerkbar und erfordern eine ärztliche Behandlung.
Ursachen: Warum entstehen Gallensteine?
Gallenflüssigkeit besteht überwiegend aus Wasser. Nur ein geringer Teil enthält andere Substanzen wie Cholesterin, Gallensäure und den Gallenfarbstoff Bilirubin. Solange sich diese Substanzen in einem ausgewogenen Verhältnis in der Gallenflüssigkeit befinden, bleiben sie im Wasser gelöst. Entsteht jedoch ein Ungleichgewicht, können sich Kristalle in Form von Gallensteinen bilden. Wie und warum das im Einzelfall geschieht, ist nicht genau bekannt.
Ärztinnen und Ärzte kennen aber eine Reihe von Faktoren, die eine Entstehung von Gallensteinen begünstigen. Sechs dieser Risikofaktoren sind in der Medizin bekannt als die Sechs-F-Regel: „fat, female, fair, forty, fertile, family“.
- Das Wort „fat“ (fett) bezieht sich auf starkes Übergewicht und fettreiche Ernährung.
- Das Wort „female“ (weiblich) drückt aus, dass Frauen zwei- bis dreimal so häufig Gallensteine bekommen wie Männer.
- Das Wort „fair“ (blond) weist darauf hin, dass ein heller Hauttyp mit grösserer Wahrscheinlichkeit betroffen ist als Menschen mit dunklerer Haut.
- Das Wort „forty“ (vierzig) soll ausdrücken, dass das Risiko im Alter über 40 Jahren ansteigt, auch wenn Gallensteine in allen Altersgruppen auftreten können.
- Das Wort „fertile“ (fruchtbar) besagt, dass Schwangerschaft ein Risikofaktor ist.
- Das Wort „family“ (Familie) weist auf eine familiäre Veranlagung für Gallensteine hin, denn Studien haben gezeigt, dass offenbar auch genetische Ursachen für deren Entstehung eine Rolle spielen.
Wenn mehrere dieser Risikofaktoren zusammenkommen, steigt die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Gallensteinen. Sie kommen zum Beispiel bei 40 Prozent aller Frauen vor, die älter als 60 Jahre sind. Was aber nicht bedeutet, dass sie bei ihnen auch Beschwerden verursachen müssen. Es können jedoch auch Gallensteine ohne oben genannte Risikofaktoren auftreten.
Symptome: Wie machen sich Gallensteine bemerkbar?
Etwa drei Viertel aller Gallensteine bereiten keine Beschwerden und werden deshalb als „asymptomatisch“ (ohne Symptome) bezeichnet. In den anderen Fällen, wenn sich die Gallensteine also bemerkbar machen, beginnen die Beschwerden häufig nach dem Essen, oft auch am späten Abend oder in der Nacht. Sie dauern meistens länger als 15 Minuten und können bis zu mehreren Stunden anhalten.
Die von Gallensteinen ausgelösten Beschwerden äussern sich häufig in Form eines Schmerzes, der sich nicht genau lokalisieren lässt. So kann er zum Beispiel als Völlegefühl im Magen-Darm-Trakt auftreten, als krampfartiger Schmerz bzw. Kolik, aber auch als Druckgefühl im sogenannten Oberbauch (Epigastrium); das ist der Bereich zwischen den Rippenbögen und dem Bauchnabel. In besonderen Fällen sind aber auch weitaus schmerzhaftere Folgen möglich:
Schmerzen bei Cholezystitis
Gallensteine können zu einer akuten Entzündung der Gallenblase führen, die Cholezystitis (oder Cholecystitis) genannt wird. Zu den möglichen Symptomen gehören Schmerzen im rechten Oberbauch, die sich häufig beim Einatmen verstärken, sowie Appetitlosigkeit, Übelkeit und Fieber.
Schmerzen bei Cholangitis
Wenn die Galle nicht ungestört fliessen kann, weil Gallensteine die Gallenwege verstopfen, können diese sich entzünden. Eine solche Entzündung wird Cholangitis genannt. Ihre Symptome sind Schmerzen im rechten Oberbauch, die sich bis in die Schulter oder zum Rücken erstrecken können; manchmal kommen Fieber, Übelkeit oder Erbrechen dazu.
Schmerzen bei Gallenkolik
Wenn Gallensteine den Abfluss der Galle aus der Gallenblase blockieren, kann es zu einer Gallenkolik kommen. In diesem Fall zieht sich die Gallenblase zusammen, meist in Schüben, was jeweils zu starken krampfartigen Schmerzen führt.
Schmerzen bei Pankreatitis
Kurz bevor die Gallenflüssigkeit in den Dünndarm fliesst, vereinigt sich der Gallengang mit einem anderen Gang, der aus der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) kommt. Wenn Gallensteine in diesem letzten Stück festsitzen, staut sich der Pankreassaft, der eigentlich in den Darm fliessen soll. Der Rückstau kann bis in die Bauchspeicheldrüse reichen und hier Enzyme freisetzen, die eine Entzündung auslösen – eine akute Pankreatitis. Dabei entstehen meist heftige und plötzlich einsetzende Schmerzen im Oberbauch, die häufig als bohrend oder dumpf empfunden werden. Übelkeit und Erbrechen können hinzukommen.
Wenn Gallensteine über längere Zeit verhindern, dass Gallenflüssigkeit in den Dünndarm fliesst, kann sich ein weiteres Symptom zeigen: eine gelbliche Verfärbung der Haut und der weissen Augenbereiche. Diese Erscheinung wird Gelbsucht oder Ikterus genannt. Weitere Anzeichen für einen Stau der Gallenflüssigkeit können dunkler Urin und heller Stuhl sein. Diese farblichen Veränderungen sind eine Folge des Gallenfarbstoffs Bilirubin. Sein Anteil im Blut steigt, wenn blockierende Gallensteine verhindern, dass die Galle den Dünndarm erreicht und von hier aus ausgeschieden werden kann.
Diagnose: Wie kann man Gallensteine erkennen?
Bei einem Verdacht auf Gallensteine wird Ihr Arzt oder Ihre Ärztin zunächst vorsichtig Ihren Bauch abtasten. Die genaue Diagnose erfolgt anschliessend mit genaueren Untersuchungsmethoden:
- Die Ultraschall-Untersuchung (Sonographie) ist die wichtigste Methode, um Gallensteine zu erkennen. Sie gilt als sehr zuverlässig, sollte aber in den Händen von Spezialisten mit viel Erfahrung liegen, um nichts zu übersehen. Denn oft sind es kleine oder kleinste Gallensteine, die Beschwerden verursachen.
- Besondere Ultraschallgeräte ermöglichen auch eine Endosonographie, bei der die Gallengänge von innen dargestellt werden. Das geschieht mit einem Endoskop – einem dünnen Schlauch, an dessen Spitze sich eine Lichtquelle, eine Kamera und in diesem Fall auch eine Ultraschallsonde befinden. Wenn das Endoskop über Mund und Magen bis zum Dünndarm geschoben wird, lassen sich hier die einmündenden Gallengänge sichtbar machen.
- Eine Blutuntersuchung kann als Ergänzung wichtige Auskunft geben. Wenn sich im Blut vermehrt bestimmte Enzyme befinden (zum Beispiel Gamma-GT), ist das ein Hinweis auf eine Erkrankung der Gallenwege. Auch eine Entzündung der Gallenblase kann sich im Blut bemerkbar machen, in Form von erhöhten Entzündungswerten. Hierzu gehört zum Beispiel eine vermehrte Anzahl von weissen Blutkörperchen (Leukozyten).
- Als bildgebendes Verfahren zur Erkennung von Gallensteinen gibt es eine spezielle MRT-Untersuchung (Magnetresonanztomografie, auch Kernspintomografie genannt). Da sie nicht nur die Gallengänge abbildet, sondern auch Gänge der Bauchspeicheldrüse, trägt diese Methode den Bandwurm-Namen Magnetresonanz-Cholangio-Pankreatikografie. Besser lässt sich dieser Begriff als Kurzform merken: MRCP
- Ein Untersuchungsverfahren mit Röntgenstrahlung ist die ERCP (endoskopisch-retrograde Cholangio-Pankreatikografie). Hierbei kommt ein Endoskop zum Einsatz. Es wird vorsichtig über den Mund und den Magen in Richtung Darm bewegt. An der Einmündungsstelle des Gallengangs in den Dünndarm zeigt ein Kontrastmittel während der Röntgenuntersuchung mögliche Engstellen der Gallenwege und der Bauchspeicheldrüsengänge. Mit Hilfe einer kleinen Zange an der Spitze des Endoskops lassen sich auch kleinere Eingriffe vornehmen; so kann zum Beispiel ein Gallenstein aus einem Gallengang entfernt werden.
Therapie: Wie behandelt man Gallensteine?
Wenn Gallensteine keine Beschwerden verursachen, müssen sie meistens auch nicht behandelt werden. Falls sie zu Problemen führen, zum Beispiel akuten Schmerzen,bei einer Gallenkolik, können kurzfristig krampflösende oder schmerzlindernde Medikamente helfen. Zudem sollen die Betroffenen nach dem Beginn einer Gallenkolik die orale Kost reduzieren. Bei einer Entzündung der Gallenblase werden zusätzlich zu den Schmerzmitteln ist eine Operation indiziert.
Entfernung der Gallenblase
In Fällen von Beschwerden durch Gallensteine ist es empfohlen, die Gallenblase zu entfernen. Das geschieht bei einer Operation, die Cholezystektomie genannt wird. Mit jährlich rund 16.700 Operationen gehört dieser Eingriff zu den häufigsten Operationen in der Schweiz.
Laparoskopische Cholezystektomie
Meistens wird die Gallenblase bei einer Cholezystektomie laparoskopisch entfernt – das bedeutet, mit Hilfe der sogenannten Schlüsselloch-Chirurgie. Hierbei sind nur minimale Einschnitte nötig, durch die der Chirurg oder die Chirurgin eine Kamera und kleine Instrumente in die Bauchhöhle einführt. Nach der Entfernung der Gallenblase ist die Produktion von Galle in der Leber nicht gestoppt – die Flüssigkeit wird nun in den Gallengängen gespeichert. Auch nach einer Entfernung der Gallenblase ist meist ein Leben ohne nennenswerte Einschränkungen möglich.
Medikamentöse Therapie
Bei Patienten, welche nicht für eine Operation qualifizieren (z.B. das Risiko der Narkose ist erhöht), gibt es die Möglichkeit mit Hilfe von Medikamenten entfernen. Die Arznei (Ursodeoxycholsäure, kurz UDCA) muss über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, bis die Steine sich allmählich aufgelöst haben. Das Risiko für ein erneutes Auftreten von Gallensteinen nach dieser Behandlung ist allerdings gross.
Gallensteine: Stosswellentherapie
Falls eine chirurgische Gallenblasen-Entfernung nicht möglich ist, ist eine weitere Methode, um Gallensteine loszuwerden, die Stosswellentherapie (Lithotripsie). Hierbei werden die Steine mit Hilfe von energiereichem Ultraschall zertrümmert. Der Körper entledigt sich der Bruchstücke, indem er sie über die Gallengänge ausschwemmt. Auch nach dieser Therapie besteht ein erhöhtes Risiko für die erneute Bildung von Gallensteinen sowie Choledocholithiasis und Pankreatitis.
Wenn Sie über längere Zeit oder häufiger Schmerzen im Bauchbereich verspüren, zögern Sie nicht, zeitnah Ihre Ärztin oder Ihren Arzt aufzusuchen. Sollte sich als Ursache für Ihre Beschwerden ein Verdacht auf Gallensteine ergeben, ist es sinnvoll, sich in einem Spital beraten zu lassen, das bei der Beurteilung und Behandlung von Gallenleiden über langjährige Erfahrung verfügt.
Vorbeugung: Kann man Gallensteine vermeiden?
Auch wenn bei der Entstehung von Gallensteinen genetische Ursachen eine Rolle spielen können, gibt es einige Möglichkeiten, das Risiko für die Bildung von Gallensteinen zu verringern:
- Vermeiden Sie Übergewicht.
- Sorgen Sie für regelmässige und ausreichende Bewegung.
- Essen Sie viel Obst, Gemüse, Salat und Vollkornprodukte.
- Achten Sie darauf, nur wenig zuckerhaltige Getränke und Lebensmittel zu sich zu nehmen.
Wenn Sie diese Punkte beherzigen, senken Sie nicht nur das Risiko für Beschwerden durch Gallensteine: Sie unterstützen Ihre Gesundheit umfassend und können so helfen, auch andere Krankheiten zu vermeiden.