Überblick: Was ist ein Cushing-Syndrom?
Kortisol ist ein lebenswichtiges körpereigenes Hormon, das in ihren Nebennierenrinden gebildet wird. Kortisol gehört zur Gruppe der Glukokortikoide, die unter anderem auf Ihren Stoffwechsel, das Herz-Kreislauf- und das Nervensystem einwirken. Kortisol wird auch als Stresshormon bezeichnet, weil Ihr Körper es verstärkt bildet, wenn er dauerhaft erhöhten Anforderungen ausgesetzt ist.
Besteht langfristig ein zu hoher Spiegel von Kortisol in Ihrem Körper, entwickelt sich eine Gruppe von Symptomen, die der Begriff Cushing-Syndrom zusammenfasst. Benannt ist das Krankheitsbild nach dem amerikanischen Arzt Harvey Cushing.
Das Cushing-Syndrom gehört zu den seltenen Krankheiten. Deshalb und weil es zahlreiche Anzeichen geben kann, dauert es im Mittel drei Jahre bis zu einer Diagnose. Frauen sind drei- bis viermal häufiger betroffen als Männer. Die meisten Fälle treten im Alter zwischen 20 und 50 Jahren auf. Aber auch Kinder und Ältere können darunter leiden.
Je nachdem, warum zu viel Kortisol in Ihrem Körper kursiert, unterscheiden medizinische Fachleute zwei Formen des Cushing-Syndroms:
- Endogenes Cushing-Syndrom: Bei dieser selteneren von „innen“ kommenden Form entsteht der Hyperkortisolismus meist durch Tumoren in der Hypophyse (Hirnanhangdrüse), in der Nebennierenrinde oder seltener durch andere Tumoren.
- Exogenes Cushing-Syndrom: Diese von „aussen“ verursachten Form ist Folge einer medikamentösen Therapie mit Glukokortikoiden als Tabletten, Spritzen oder Infusionen
Cushing-Syndrom: Ursachen und Risikofaktoren
Ein Cushing-Syndrom entsteht immer durch ein länger andauerndes Zuviel von Kortisol im Körper, dem sogenannten Hyperkortisolismus.
Exogenes Cushing-Syndrom: Durch Medikamente bedingt
Häufiger hat ein Cushing-Syndrom äussere Ursachen. Ein solches exogenes Cushing-Syndrom entsteht durch eine Langzeitbehandlung mit bestimmten Medikamenten:
Glukokortikoide (Kortison): Die inaktive Vorstufe von Kortisol im Körper heisst Kortison. Umgangssprachich werden auch synthetisch hergestellte Glukokortikoide, die als Medikamente eingesetzt werden, Kortison genannt. Der Wirkstoff Kortison hat, nachdem Ihr Organismus ihn in Kortisol umgewandelt hat, einen entzündungshemmenden und das Immunsystem unterdrückenden Effekt. Wir setzen Kortison deshalb beispielsweise zur Behandlung vieler Autoimmunerkrankungen und chronischer Entzündungen ein, beispielsweise Multiple Sklerose, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa.
In hohen Dosierungen und über einen längeren Zeitraum verabreicht können die Medikamente zu unerwünschten Nebenwirkungen führen, die den Symptomen des endogenen Cushing-Syndroms entsprechen. Zusätzlich kann die Einnahme es zu einer Gewöhnung führen, sodass ein rasches Absetzen der Medikamente eine kurzfristige Nebennierenschwäche zur Folge hat.
Endogenes Cushing-Syndrom: Körpereigene Überproduktion
Das seltene endogene Cushing-Syndrom entsteht, wenn der Körper ohne äussere Einflüsse zu viel Kortisol bildet. Dies kann sowohl ACTH-abhängig als auch ACTH-unabhängig geschehen:
ACTH-abhängiges endogenes Cushing-Syndrom
Entwickelt sich ein endogenes Cushing-Syndrom ACTH-abhängig, bedeutet das: Ihr Organismus produziert in zu hohem Mass das Steuerhormon ACTH, welches in der Folge die Nebennieren veranlasst, zu viele Glukokortikoide zu bilden. Die häufigsten Ursachen sind gutartige Geschwulste (Adenome) oder bösartige Tumoren (Karzinome), die ACTH bilden:
- Zentrales Cushing-Syndrom: Bei dieser häufigeren Form entsteht der Hyperkortisolismus durch eine gutartige Geschwulst der Hirnanhangsdrüse (Morbus Cushing).
- Paraneoplastisches oder ektopes Cushing-Syndrom: Ursache für diese Form ist ein untypisch hoher ACTH-Ausstoss meist hervorgerufen durch sogenannte Neuroendokrine Tumoren.
ACTH-unabhängiges endogenes Cushing-Syndrom
Entsteht ein endogenes Cushing-Syndrom unabhängig vom Steuerhormon ACTH, dann liegen die Gründe hierfür in der Nebenniere selbst (das heisst adrenal).
In diesen Fällen sind Adenome oder Karzinome der Nebennierenrinde für die erhöhte Kortisolbildung verantwortlich. In seltenen Fällen sind auch gutartige Gewebewucherungen beider Nebennieren (sogenannte Hyperplasien) für die Erkrankung verantwortlich.
Häufigkeit des Cushing Syndroms
Das Cushing-Syndrom erscheint in den meisten Fällen in der exogenen Form, also als Folge einer medikamentösen Langzeitbehandlung mit Glukokortikoiden.
Ein endogenes Cushing-Syndrom (Hyperkortisolismus) ist mit einer Häufigkeit von etwa 2-5 Fälle pro 1 Million Einwohner pro Jahr eine seltene Erkrankung. Betroffen sind vor allem Frauen zwischen 30 und 50 Jahren.
Symptome: Vielzahl von Veränderungen
Das Hormon Kortisol übernimmt im menschlichen Organismus eine grosse Bandbreite von Aufgaben. Beispielsweise ist es am Eiweiss-, Zucker- und Fettstoffwechsel beteiligt, reguliert den Blutdruck und nimmt Einfluss auf das Immunsystem. Wegen dieser Vielzahl an Funktionen, sind auch die Kennzeichen des Cushing-Syndroms vielfältig.
Hauptsächlich zeigt sich das Cushing-Syndrom durch folgende Symptome:
- Die sogenannte Stammfettsucht, das bedeutet Fettablagerungen, die sich vorwiegend am Körperstamm, also Oberkörper, Bauch und Hüfte bilden. Arme und Beine sind nicht betroffen, sondern durch eine Muskelschwäche oft auffallend dünn.
- Das typische Mondgesicht (facies lunata), also ein rundes, gerötetes Gesicht
- Bluthochdruck (Hypertonie)
- Ausbleibende Monatsblutung (Amenorrhoe) bei Frauen
Eine ganze Reihe weiterer Symptome kann auftreten, muss aber nicht. In der Regel kommen sie auch nicht alle gleichzeitig in Erscheinung.
Weitere mögliche Symptome
- Der sogenannte Büffel- oder Stiernacken, das heisst, dass sich am Nacken vermehrt Fett ansetzt.
- Erhöhte Cholesterinwerte: Oft haben Betroffene eine grössere Menge Cholesterin in Blut.
- Diabetische Stoffwechsellage: Weil der Blutzucker durch das Zuviel an Kortisol erhöht ist, schüttet der Körper vermehrt Insulin aus. Dadurch entsteht eine Situation, die dem Diabetes ähnlich ist.
- Muskelschwäche und verminderte Knochendichte: Kortisol baut Kollagen, Bindegewebe und Knochenmaterial ab.
- Knochen- und Rückenschmerzen nach Knochenbrüchen zum Beispiel der Wirbelsäule
- Hautveränderungen: Die Hautdichte nimmt ab (Pergamenthaut), es entstehen teils rote Dehnungsstreifen, vor allem am Bauch. Auch eine gestörte Wundheilung, Akne und Furunkeln können auftreten.
- Vermännlichung: Frauen wachsen vermehrt Körperhaare an für Männer typischen Stellen, also an Kinn, Oberlippe oder Brust (Hirsutismus).
- Potenzprobleme und nachlassende Libido bei beiden Geschlechtern
- Psychische Probleme: Stimmungsschwankungen, Ängste, depressive Symptome
Besondere klinische Erfahrung und Expertise
Neben endokrinen Funktionstesten sind alle apparativen Voraussetzungen (CT, MRI, PET-Diagnostik, Katheterverfahren) für die Lokalisation der Erkrankung vorhanden, die die Grundlage einer zielgerichteten Therapie darstellen. Ebenso werden alle Patientinnen und Patienten in einem interdisziplinäres Board für Endokrine und Neuroendokrine Tumoren sowie in einem Hypophysenboard vorgestellt. Weiterführend werden betroffene Personen in enger Zusammenarbeit mit der Klinik für Neurochirurgie (bei Hypophysenerkrankungen) und der Klinik für Viszeralchirurgie (bei Nebennierenerkrankungen) einer individuellen Therapie zugeführt.
Cushing-Syndrom: Diagnose im USZ
Das Cushing-Syndrom ist eine seltene Erkrankung und bedarf besonderer klinische Erfahrung und Expertise sowie technische Voraussetzungen, um eine Diagnose rasch und sicher zu stellen und die richtigen therapeutischen Konsequenzen zu ziehen. In der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinischer Ernährung sind Spezialambulanzen für Nebenniere– und Hypophysenerkrankungen etabliert, in denen Betroffene nach neuesten Empfehlungen und Leitlinien behandelt werden. Die Klinik ist selbst federführend beteiligt an nationalen und internationalen Forschungsprojekten, die Patientinnen und Patienten Zugang zu den aktuellsten Entwicklungen in diesem Bereich ermöglichen.
Besteht der klinische Verdacht, dass Sie an einem Cushing-Syndrom erkrankt sind, werden wir zuerst durch eine gründliche Anamnese mit Ihnen zusammen herausfinden, ob Medikamente für eine exogene Form der Erkrankung verantwortlich sind. Falls dies nicht der Fall ist, werden wir den Kortisolspiegel in Ihrem Blut, Speichel und Urin messen. Ein zu hoher Wert ist das Hauptmerkmal des Syndroms.
Für den Dexamethason-Hemmtest (Kurztest) erhalten Sie am Abend das Glukokortikoid Dexamethason. Dieses signalisiert Ihrem Körper, dass er kein eigenes Kortisol mehr produzieren soll. Falls Sie am nächsten Morgen trotzdem einen erhöhten Kortisolwert im Blut haben sollten, ist dies ein guter Hinweis auf ein Cushing-Syndrom. Allerdings können auch Stress, Depressionen oder verschiedene Medikamente das Ergebnis verfälschen. Deshalb werden wir zur Sicherheit vermutlich das Hormon zusätzlich noch in Ihrem 24-Stunden-Urin und/oder in einem Speichel-Tagesprofil messen.
Sollte es Hinweise auf das endogene Cushing-Syndrom geben, müssen wir abklären, ob es sich um eine ACTH-abhängige oder eine ACTH-unabhängige Form handelt. Aus diesem Grund lassen wir die Konzentration des Hormons ACTH im Blutserum bestimmen:
- Liegt ein niedriger ACTH-Spiegel vor, dann könnte beispielsweise ein Tumor an der Nebennierenrinde das adrenale Cushing-Syndrom verursacht haben.
- Sollte der ACTH-Spiegel erhöht sein, steckt meist eine gutartige Geschwulst der Hirnanhangsdrüse (Morbus Cushing) dahinter. Allerdings können auch bösartige Tumore (Karzinome) die Produktion von ACTH ankurbeln und so ein Cushing-Syndrom auslösen.
Im nächsten Schritt wird ermittelt, ob Tumore das Cushing-Syndrom ausgelöst haben. Dazu werden weitere Funktionsteste sowie bildgebende Verfahren wie Computertomografie, Röntgen, Angiografie oder Szintigrafie angewendet.
Cushing-Syndrom: Vorbeugung, Früherkennung, Prognose
Vorbeugen können Sie lediglich dem häufigeren exogenen Cushing–Syndrom, das Medikamente verursacht haben. Falls Sie wegen einer anderen Erkrankung, beispielsweise, Asthma oder rheumatoide Arthritis, ein Glukokortikoid (zum Beispiel Kortison) einnehmen müssen, sollte das unter strenger ärztlicher Kontrolle geschehen. Wichtig ist, dass die Therapie engmaschig von Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt überwacht wird und nur vorübergehend erfolgt.
Der weit selteneren Form des endogenen Cushing–Syndrom können Sie hingegen nicht vorbeugen. Das gleiche gilt für eine Früherkennung des Cushing-Syndroms. Sie ist für die exogene Variante möglich, wenn die Therapie genau überwacht wird. Für die endogene Form gibt es keine Möglichkeit der Früherkennung, auch weil die Symptome so vielfältig sind.
Prognose Cushing Syndrom
Die Prognose des exogenen Cushing-Syndroms ist gut. Entscheidend ist, das auslösende Arzneimittel abzusetzen oder seine Dosis zu reduzieren. Das sollte in Absprache mit der Ärztin oder dem Arzt passieren. Für das endogene Cushing-Syndrom gilt, dass die Prognose davon abhängt, wie gut die auslösende Erkrankung, meist ein Tumor, sich behandeln lässt.
Der Verlauf des Cushing-Syndroms hängt davon ab, welche Ursache es hat. In den meisten Fällen sorgt eine Behandlung für eine günstige Prognose: Die Erfolgsrate liegt zwischen 50 und 80 Prozent.
- Tritt es als Nebeneffekt einer Langzeitbehandlung mit bestimmten Medikamenten, beispielsweise einem Glukokortikoid, als Nebenwirkung auf, verschwindet es wieder, wenn Sie das Arzneimittel absetzen.
- Durch eine frühzeitige Behandlung relativ gut heilbar ist das Syndrom auch, wenn eine gutartige Geschwulst der Hypophyse (Hirnanhangdrüse) es verursacht hat (der sogenannte Morbus Cushing).
- Ebenfalls relativ gut heilbar ist das Cushing-Syndrom, durch ein gutartiges Nebennierenadenom.
- Weniger positiv ist die Prognose, wenn ein Nebenierenkarzinom oder ein anderer maligner Tumor die Ursache war.
Cushing Syndrom Komplikationen
Das Cushing-Syndrom kann verschiedene Komplikationen verursachen, die unter anderem den Knochen- und den Muskelstoffwechsel betreffen und in einer Osteoporose oder langanhaltenden Muskelschwäche manifestieren. Bleibt es unbehandelt können Betroffene nach Monaten oder Jahren sogar daran sterben – zum Beispiel durch Infektionen, Blutsalzveränderungen oder Folgen eines Bluthochdrucks. Falls sie psychische Symptome entwickeln, besteht ohne Behandlung ausserdem eine erhöhte Suizidgefahr.
Werden nach einer langfristigen Therapie mit Glukokortikoiden diese rasch und unkontrolliert abgesetzt kann eine lebensbedrohliche Nebennierenunterfunktion verbleiben, die durch eine weitere – niedrig dosierte – Hormonersatzbehandlung therapiert werden muss.
Selbsthilfegruppen
Der Austausch mit Gleichbetroffenen kann bei der Bewältigung einer Krankheit eine grosse Unterstützung sein. Beratung auf der Suche nach einer geeigneten Selbsthilfegruppe erhalten Sie bei Selbsthilfe Zürich. Selbsthilfe Zürich und das Universitätsspital Zürich sind Kooperationspartner im nationalen Projekt «Gesundheitskompetenz dank selbsthilfefreundlicher Spitäler».
Cushing-Syndrom: Die Behandlung richtet sich nach der Ursache
Die Therapie des Cushing-Syndroms hängt von seinem Auslöser ab. In jedem Fall ist das Ziel der Behandlung, den erhöhten Kortisolspiegel zu normalisieren. Meist wird dies durch Operationen erreicht, in selteneren Fällen oder überbrückend durch Medikamente. Es kann bis zu mehreren Monaten dauern, bis sich die Folgen des Cushing-Syndroms zurückbilden.
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