Was ist Cerebralparese?
Cerebralparese ist keine Erkrankung im eigentlichen Sinne, sondern darunter werden viele Symptome zusammengefasst, die mit einer frühkindlichen Schädigung des sich entwickelnden Gehirns zusammenhängen. Das Ausmass der Beeinträchtigungen hängt davon ab, welche Bereiche des Gehirns gelitten haben. In der Schweiz leben etwa 3’000 Kinder und 12’000 Erwachsene mit Cerebralparese. Geheilt werden kann diese Form der Hirnschädigung nicht, wohl aber lassen sich mit multidisziplinären Therapiemassnahmen Symptome lindern und Verbesserungen erreichen.
Die Cerebralparese wurde erstmals im 19. Jahrhundert von dem englischen Orthopäden William John Little beschrieben, Fachleute nennen sie daher auch Little Desease. Darunter zusammengefasst werden Schäden, die entstehen, wenn das frühkindliche Hirn in seiner Entwicklung behindert wird. Meistens ist die Bewegungsregion in der Grosshirnrinde betroffen. Einheitlich definieren lässt sich das Krankheitsbild der Cerebralparese nicht, am häufigsten sind Bewegungsstörungen, aber auch Verhaltensauffälligkeiten, Epilepsie und geistige Beeinträchtigungen können dazugehören. Die Symptome lassen sich gruppieren und zu sogenannten Syndromen zusammenfassen:
- spastische Syndrome mit starken Verkrampfungen, nicht kontrollierbaren Bewegungen und Lähmungen aufgrund zu hoher Muskelspannungen
- dyskinetische Syndrome mit unwillkürlichen und unkontrollierten Bewegungen
- kongenitale (von Geburt an) Ataxiesyndrome mit geringen motorischen Fähigkeiten
- Hypotonie-Syndrome mit geringer Muskelspannung, was zu Sehnen-, Muskel-, Knochen- und Gelenkverformungen führen kann.
Die Hirnläsion kann verschiedene Ursachen haben. Zu den schädigenden Ereignissen während der Schwangerschaft, des Geburtsprozesses oder nach der Geburt zählen:
- Komplikationen mit der Nabelschnur
- Infektionen oder Erkrankungen
- Hirnblutungen
- Sauerstoffmangel
- Unfälle
Meist ist der gesamte Körper betroffen von der Bewegungsstörung (Tetraparese), es kann aber auch nur eine Körperhälfte beeinträchtigt sein (Hemiparese) oder nur ein Körperteil (Diparese). Die körperlichen Beeinträchtigungen können von leichten motorischen Schwierigkeiten bis zu schweren Einschränkungen reichen. Manche Kinder mit Cerebralparese haben auch geistige Behinderungen, Seh- oder Hörstörungen oder zeigen Verhaltensauffälligkeiten. Eine Cerebralparese bleibt ein Leben lang bestehen, aber die Bewegungsstörungen können durch entsprechende Therapien gemildert werden.
Cerebralparese: Ursachen und Risikofaktoren
Eine Cerebralparese kann aufgrund verschiedener Ereignisse entstehen, die zeitlich während der Schwangerschaft (pränatal), bei der Geburt (perinatal) oder nach der Geburt (postnatal) liegen. Schwangerschaftskomplikationen, die eine Cerebralparese auslösen können, sind:
- mangelhafte Sauerstoffversorgung (Hypoxie)
- Vergiftungen durch Medikamente, Alkohol, Kohlendioxid
- Infektionskrankheiten wie Röteln, Toxoplasmose, Zika-Virus
- Plazentainsuffizienz
- Blutgruppenunverträglichkeit
- genetische Störungen
Während der Geburtsphase kann das kindliche Hirn geschädigt werden durch
- Plazentaablösung
- Frühgeburt
- Sauerstoffmangel
- Geburtstrauma und Hirnblutungen
- Nabelschnurprobleme
Frühgeborene Kinder, bei denen die zarten Gefässe im Gehirn leicht einbluten, haben ein höheres Risiko, eine Cerebralparese zu bekommen, als reif geborene Kinder. Nach der Geburt kommen als weitere Ursachen vor:
Je nachdem, welche Hirnregion geschädigt wurde, können die Ausprägungen der Cerebralparese ganz unterschiedlich sein. Wirklich vorbeugen kann man einer Cerebralparese nicht. Wichtig ist es in jedem Fall, dass Sie alle Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft wahrnehmen, damit eine eventuelle Unterversorgung des Embryos so früh wie möglich festgestellt und therapiert werden kann. Auch sollten Sie in der Schwangerschaft und Stillzeit keinerlei Alkohol zu sich nehmen, um die Hirnentwicklung des Babys nicht zu schädigen.
Symptome: Cerebralparese
Als Symptome der Cerebralparese treten motorische Störungen und damit zusammenhängende Haltungsstörungen auf. Bei Säuglingen sind die Bewegungsdefizite oft noch nicht zu bemerken, eine geringe Körperspannung kann ein erstes Indiz sein. Meist wird die Erkrankung erst erkannt, wenn die Kinder anfangen, sich zu bewegen und krabbeln oder sich aufsetzen sollten. Durch den pathologisch veränderten Muskeltonus sind sie in ihrem Bewegungsmuster stark eingeschränkt. Das Krabbeln und Laufen können sie kaum lernen, weil sie nicht in der Lage sind, kontrollierte und koordinierte Bewegungsmuster auszuführen.
Die Bewegungsstörung kann spastisch, mit hoher, starrer Muskelspannung sein, oder hypoton, mit schlaffer Muskelhaltung. Sie kann auch mit Störungen im Bewegungsablauf verbunden sein (Athetose) oder die Kinder haben Schwierigkeiten bei der Koordination (Ataxie). Bei einer spastischen Bewegungseinschränkung ziehen die Muskeln die Beine beispielsweise sehr stark nach innen, infolgedessen wird der Fuss stark überstreckt und die typische Spitzfussstellung entsteht.
Neben den Bewegungsstörungen gibt es noch eine Reihe von anderen Symptomen, die auf eine Cerebralparese hinweisen bzw. damit in Zusammenhang stehen können:
- Seh- und Wahrnehmungsstörungen
- verzögerte Sprachentwicklung
- beschränkte Feinmotorik
- Epilepsie (Krampfanfälle)
Die geistige Entwicklung kann neben der motorischen Entwicklung beeinträchtigt sein, muss aber nicht. Gut die Hälfte der betroffenen Kinder hat eine normale oder nur verminderte Intelligenz und kann oft – mit entsprechender Unterstützung – eine Regelschule besuchen.
Für eine Cerebralparese typisch sind ausserdem nach innen gedrehte Arme, Beine und Hüften. Unmotivierte krampfartige Bewegungen gehören ebenfalls dazu. Das Sprechen kann schwierig sein, weil die Kinder die dafür notwendigen Muskelgruppen nur unzureichend unter Kontrolle haben. Durch die überspannten Muskeln versteifen mit der Zeit die Gelenke und die Wirbelsäule verkrümmt.
Diagnose Cerebralparese
Im Verdachtsfall werden wir zunächst klären, ob die Cerebralparese aufgrund einer Erkrankung, Verletzung oder Störung entstanden ist oder ob möglicherweise ein Karzinom, eine Entzündung oder eine Stoffwechselstörung die Bewegungsstörungen verursacht. Die Ergebnisse der regelmässigen Vorsorgeuntersuchungen können ebenfalls neurologische und orthopädische Anhaltspunkte geben, ebenso die Beschreibung von Schwangerschaft und Geburt. Wir werden das Kind genau beobachten, seine Körperhaltung und Bewegungsmuster, und wir werden uns von der Mutter das Schrei-, Fütterungs- und Sozialverhalten schildern lassen. Eine bildgebende Untersuchung des Schädels kann weitere Aufklärung liefern. Auch die Hirnströme können mit einem EEG gemessen werden, wenn Krampfanfälle vorkommen. Neurologische und neuro-orthopädische Untersuchungen können die Diagnostik ergänzen.
Cerebralparese – Behandlung
Die Behandlung der Cerebralparese ist immer multidisziplinär. Zwar lässt sich die Schädigung der Hirnregion nicht wieder rückgängig machen oder die unterbrochene Entwicklung aufholen, aber man kann mit gezielten Therapien für eine bestmögliche Entfaltung und für Lebensqualität sorgen.