Story

Individualisierte Krebstherapien – nach langem Kampf vom Krebs befreit

Nach mehreren erfolglosen Behandlungen ist bei Barbara Marty und Manuel Schibli der Krebs verschwunden. Möglich machten es neuartige Therapien, die auf molekularen Analysen des Tumors beruhen.

Als Barbara Marty vor fünf Jahren die Diagnose Lungenkrebs erhält, ist sie wenig überrascht. „Ich kannte die Gefahren, sie stehen auf jeder Schachtel“, sagt die heute 67-Jährige ehemalige Raucherin. Doch sie ist sich sicher: „Ich überstehe das.“ Als ehemalige Berufspolitikerin ist es sich Marty gewohnt zu kämpfen. Doch der Krebs sollte ihr härtester Gegner werden: nach einer extrem belastenden Chemotherapie sowie einer Immuntherapie ist er zwar zurückgedrängt. Aber nicht besiegt. Als sie die Behandlungen nach über zwei Jahren endlich abbrechen und an ihren Arbeitsplatz zurückkehren möchte, erhält sie eine gute und eine schlechte Nachricht: auf der Lunge befinden sich nur noch einzelne Metastasen. Dafür sind nun die Lymphbahnen befallen.

Heute weiss die Krebsforschung: Jeder Tumor ist anders. Je genauer er analysiert werden kann, desto eher ist eine zielgerichtete und damit effektive Therapie möglich. „Wir können die Unterschiede im molekularen Profil von Tumoren immer besser erkennen“, sagt Professor Markus Manz, Direktor der Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie am Universitätsspital Zürich sowie Leiter des Comprehensive Center Zürich (siehe Kasten). „Im Idealfall finden wir individuelle Therapien, die nicht nur effizient sind, sondern auch die Nebenwirkungen minimieren.“

Bei Marty zeigte das molekulare Tumorprofil eine Mutation am sogenannten KRAS-Gen. Just für solche Patientinnen lief zu diesem Zeitpunkt eine internationale Studie mit einem neuartigen Medikament namens AMG 510. „Für mich ein Glücksfall“, so Marty, die einer Teilnahme zustimmte und seither acht Tabletten täglich einnimmt, regelmässig ihr Blut untersuchen sowie CT’s machen lässt. Und siehe da: der Krebs ist bis heute so gut wie verschwunden. „Ärzte, die meine Vorgeschichte nicht kennen, glauben mir nicht, dass ich je Krebs gehabt habe“, sagt sie. Kommt dazu, dass die Therapie bei ihr keinerlei Nebenwirkungen hat.

Blutkörperchen im Labor verändern

Von den neuen Möglichkeiten der gezielten Krebstherapie profitierte auch Manuel Schibli. Der 25-Jährige aus dem Kanton Aargau war ein überdurchschnittlich fitter junger Mann, als er vor rund vier Jahren die Diagnose Blutkrebs erhielt. Fünfmal pro Woche war er bis dahin ins Fitness gegangen, einmal nahm er gar an den Schweizermeisterschaften im Natural Bodybuilding teil. Doch auf einmal war er nicht mehr gleich leistungsfähig. Er fühlte sich schlapp, hatte Kopfschmerzen, manchmal wurde ihm schwarz vor Augen. Schibli ging zu seiner Hausärztin, liess sich Blut nehmen. „Wenig später kam ein Anruf: ich solle mich sofort in den Notfall begeben.“ Nichtsahnend packte er ein paar Kleider in eine Tasche und stieg ins Auto. Noch am selben Abend, einige Untersuchungen später, wurde er per Krankenauto verlegt und mit dem Rollstuhl empfangen. „Das war surreal. Ich fühlte mich ja ansonsten total gesund.“

Den Krebs bekämpfte Schibli zunächst mit einer Chemotherapie, schliesslich mittels Blutstammzelltransplantation. Die folgenden Tage im Spital bezeichnet er als schwerste Zeit seines Lebens. „Ich lag tagelang halbtot im Bett. Es fühlte sich an, als hätte ich Dämonen in meinem Körper.“ Aber nicht nur das: es sollte sich herausstellen, dass der Krebs wieder so stark zurückkam wie zu Beginn der Therapie.
Aufgrund der bei ihm gestellten Diagnose tat sich eine neue Möglichkeit auf. Schibli litt an der bei Erwachsenen relativ seltenen akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL). Gegen diese spezifische Form von Blutkrebs gibt es seit wenigen Jahren eine Immuntherapie namens CAR-T. Dabei werden dem Patienten bestimmte weisse Blutkörperchen – die T-Lymphozyten – entnommen, im Labor genetisch verändert und wieder eingeführt. Auf diese Weise wird das körpereigene Abwehrsystem dazu gebracht, die schädlichen Blutzellen zu zerstören.

Bei Schibli war die Therapie ein voller Erfolg: seit rund einem Jahr ist er krebsfrei. Er geht auch wieder regelmässig ins Fitness. „Die Prioritäten haben sich etwas verschoben“, räumt er ein. Statt nur Gewichte zu stemmen trainiere er öfters Ausdauer. „An schönen Tagen mit meinem neuen Rennrad.“ Weil sein Immunsystem aufgrund der Erkrankung eingeschränkt ist, nimmt Schibli mehrere Medikamente. Er zieht aus seinem langen Kampf gegen den Krebs aber viel Positives: „Die Krankheit hat dazu geführt, dass ich mental stärker und gelassener geworden bin.“

Manuel Schibli

Auch Barbara Marty sagt, dass sie viel gelassener lebe. Und dies, obwohl sie auch ohne Krebs physisch eingeschränkt ist. Sie leidet zusätzlich an der Lungenkrankheit COPD, einem „Raucherbein“ und einem „Charcot-Fuss“. Zudem braucht sie zweimal pro Woche die Spitex für eine Drainage. Trotz alledem sagt sie: „Ich habe den grösseren Teil des Lebens hinter mir. Umso mehr nehme ich mir Zeit, den Rest zu geniessen.“ Sie spricht von ihrem wilden Garten mit Blindschleichen und Molchen zuhause im Zürcher Oberland, ihren zwei Hunden und der Katze und vor allem von ihren drei erwachsenen Kindern. Mit ihnen hat sie sich kürzlich einen Lebenstraum erfüllt: eine Reise mit dem Wohnmobil quer durch Deutschland bis auf die Insel Rügen. „Spontan geht bei mir zwar nicht mehr“, sagt sie. „Aber ich bin sehr dankbar, dass es überhaupt noch geht.“

CCCZ: Universitäres Krebszentrum

Am Comprehensive Cancer Center Zürich (CCCZ) arbeiten Fachleute zahlreicher Disziplinen eng zusammen. Wir betreiben auch Forschung und Lehre und können dadurch besonders innovative Krebstherapien anbieten. Betrieben wird das CCCZ vom Universitätsspital Zürich und der Universität Zürich unter Einbezug der Universitätsklinik Balgrist und dem Universitäts-Kinderspital Zürich. Mit der ETH Zürich besteht eine enge Kooperation.

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Kontakt

Markus Manz, Prof. Dr. med.

Klinikdirektor, Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie

Tel. +41 44 255 38 99
Spezialgebiete: Leukämien, Lymphome, Plasmazellerkrankungen

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