Story

Interview mit Lungenexpertin Silvia Ulrich

Silvia Ulrich erzählt von ihrer Faszination für das USZ, von ihren Patienten, die meist an mehreren Krankheiten leiden, und warum die Pneumologie mit der Pandemie viel sichtbarer wurde.

Silvia Ulrich, Sie sind seit über 20 Jahren am USZ – was fasziniert Sie an diesem Unternehmen?

Das USZ hat eine extrem anregende Atmosphäre, wir sehen die spannendsten Krankheitsbilder, suchen interdisziplinär die beste Behandlung für unsere Patienten und betreiben Forschung auf hohem Niveau. Wir sind zudem ein super Team. Jeden Tag habe ich mit engagierten, tollen Menschen zu tun, die sich für das USZ einsetzen, und zwar quer durch alle Disziplinen und Berufsgruppen. Ich hätte nie woanders arbeiten wollen.

Das USZ befindet sich in einem grossen Veränderungsprozess. Wie wollen Sie persönlich die Unternehmenskultur mitprägen?

Von grosser Bedeutung ist für mich, Vorbild zu sein. Wichtig ist für mich, die Menschen ins Zentrum zu stellen, und zwar sowohl die Patientinnen und Patienten als auch die Mitarbeitenden. Ich möchte jede und jeden Einzelnen fördern, dafür sorgen, dass alle ihren Platz und Erfüllung im Berufsleben finden. Wer sieht, dass er oder sie geschätzt wird, ist motiviert und hilft mit, am Karren zu ziehen. So gewinnen alle.

Haben sich die Erwartungen der Mitarbeitenden an Arbeit und Führung verändert?

Was ich sehe: Heute hat kaum mehr jemand eine Person im Rücken, die ihn oder sie komplett freispielt. Die Mitarbeitenden sind Fachleute in ihrem Gebiet, versorgen aber auch Kinder oder pflegen Eltern, müssen ihren Haushalt alleine schmeissen oder haben sonstige Verpflichtungen. Wir sind deshalb als Arbeitgeber und Vorgesetzte gefordert, uns zu verändern, eine gewisse Flexibilität zu bieten. Und das lohnt sich! Denn zum einen braucht das USZ diese Menschen, und zum anderen haben wir enorm engagierte junge Leute hier. Wenn man ihnen Gestaltungsraum gibt, dann sind sie nach wie vor bereit, weit Überdurchschnittliches zu leisten.

Was ist Ihnen persönlich wichtig in der Führung?

Mir ist sehr wichtig, dass sich die Mitarbeitenden wahrgenommen fühlen, dass sie merken, sie können mitgestalten und ihre Fähigkeiten ausleben. Daher ist eine Führung «top down» für mich nicht das Richtige. Man muss zuhören können. Trotzdem können wir auch gute Initiativen manchmal wegen der angespannten finanziellen Lage nicht umsetzen. Da ist Kreativität gefragt.

Wo sehen Sie Herausforderungen?

Unsere Patienten leiden meist an mehreren Krankheiten und benötigen spezialisierte Ärzte und Pflegende, aber auch teure Therapien. Manche sind heute sehr gut informiert und haben hohe Erwartungen. Andere wiederum müssen wir sehr sorgfältig aufklären und in den Therapien eng begleiten. Dieser grosse Aufwand der hoch spezialisierten Medizin ist heute in der Vergütung schlicht nicht abgedeckt.

Was sind denn die häufigsten Erkrankungen, die Sie behandeln?

Unsere Klinik ist national und international für diverse Krankheitsbilder als Zentrum anerkannt. So zum Beispiel zur Abklärung und Behandlung der pulmonalen Hypertonie und komplexen Dyspnoe, worüber wir auch intensiv forschen. Wir betreuen zudem sehr viele Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Cystischer Fibrose, einer Erbkrankheit, aber auch solche mit häufigen Lungenkrankheiten wie Asthma oder der chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit (COPD). Ein Schwerpunkt sind zudem schlafassoziierte Atemstörungen.

Haben sich die Krankheitsbilder in den letzten Jahren verändert?

Wir sehen eine Zunahme von toxisch geschädigten Lungenerkrankungen wie COPD, bei der das Rauchen die grösste Rolle spielt. Generell sind viele Krankheitsbilder komplexer geworden, da Patienten etwa eine COPD und eine Herzinsuffizienz haben und zusätzlich eine schlafassoziierte Atemstörung und eine pulmonale Hypertonie. Da braucht es viel Fachwissen, um die geeignetste Behandlungsstrategie zu wählen.

Spielen Umwelteinflüsse wie die Luftqualität eine Rolle?

Einen direkten Zusammenhang zwischen einer Erkrankung und der Umwelt herzustellen, ist in der Regel schwierig. Wir sehen aber tatsächlich bei Blutuntersuchungen, dass Nichtraucher im städtischen Umfeld mit hoher Verkehrsbelastung erhöhte Werte von Kohlenmonoxid-Hämoglobin aufweisen. Und wir wissen, dass COPD-Erkrankungen weltweit zunehmen. Darum kämpfen wir auch für Prävention – allem voran für das Nichtrauchen, setzen uns aber auch für die Einhaltung der Luftreinhalteverordnung und für Massnahmen
gegen den Klimawandel ein.

Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf Ihr Fachgebiet?

Die Pneumologie ist wegen der Pandemie stärker sichtbar geworden, zu Beginn wegen der Lungenentzündungen, später vor allem wegen Long COVID. Unsere Long-COVID Sprechstunde ist immer noch stark ausgebucht. Wir sehen viele Patientinnen und Patienten, die mit chronischer Müdigkeit kämpfen, aber auch einige mit Lungenfibrosen, bei denen das Lungengewebe nachhaltig geschädigt ist.

Was kann man in diesen Fällen tun?

Das Lungengewebe erholt sich leider nur beschränkt. Gewisse Patientinnen benötigten vorübergehend eine sogenannt nichtinvasive Beatmung, wobei die Lunge in ihrer mechanischen Funktion unterstützt wird, und vor allem eine hochdosierte Sauerstofftherapie. Häufig ist die Sauerstofftherapie über eine längere Zeit notwendig, und es braucht eine langwierige Rehabilitation.

Umso mehr zum Schluss die Frage: Was kann ich meiner Lunge Gutes tun, wie kann ich sie trainieren?

Fitte Menschen und Nichtraucher haben ganz grundsätzlich eine bessere Lebenserwartung. Fit bleiben heisst dabei nicht unbedingt, ins Fitnesscenter zu gehen. Es geht vielmehr darum, sich im Alltag genügend zu bewegen, also zum Beispiel zu Fuss vom Hauptbahnhof ans USZ gehen oder die Treppen benützen statt den Lift. Alles, was dem Herzen guttut, ist auch für die Lunge wertvoll und umgekehrt.

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