Chirurgie gilt als beste Behandlungsmethode bei Bauchspeicheldrüsenkrebs. Erfolgt ein Eingriff nach «Kausch-Whipple», werden zunächst grossflächig Organe und Strukturen entfernt. Anschliessend müssen neue Verbindungswege gelegt werden. Die gesamte Behandlung erfordert das hochspezialisierte Expertenwissen vieler verschiedener Disziplinen.
Text: Helga Kessler
Mindestens sechs Stunden, häufig länger, dauert der viszeralchirurgische Eingriff nach «Kausch-Whipple», benannt nach den beiden Medizinern, die das Verfahren vor über 100 Jahren entwickelten. Zum Einsatz kommt es schweizweit bei 745 Patientinnen und Patienten. Pankreasresektionen einschließlich der Whipple-Operation gehören in der Schweiz zur hochspezialisierten Medizin, bei der 18 Zentren Leistungsaufträge für diesen Eingriff haben. Die Indikation ist meist ein Tumor im sogenannten Kopf der Bauchspeicheldrüse. Pankreaskrebs gilt als besonders bösartig, da er sich schnell über Blut, Lymphe und Nerven ausbreitet. Genau das erhöht die Schwierigkeit für den Chirurgen und das gesamte an der Behandlung beteiligte Team.
Resektion «en bloc»
«Wir operieren nur, wenn wir genau wissen, dass wir den Tumor vollständig entfernen können», sagt Viszeralchirurg Henrik Petrowsky. Das ist dann der Fall, wenn sich mit bildgebenden Verfahren, meist einer Computertomografie, keine Metastasen sowie keine lokalen Gefässinvasionen ermitteln lassen. Bleibt eine Unsicherheit, ob der Tumor bereits gestreut hat oder in lokale Gefässe eingewachsen ist, wird mit einer «neoadjuvanten» Chemotherapie vorbehandelt. Die Operation selbst ist sehr standardisiert und folgt genauen Regeln: En bloc, also an einem Stück, entfernt der Chirurg neben dem Pankreaskopf die Organe und Strukturen, die eng mit ihm verwachsen sind und in die der Tumor zuerst einwachsen kann: den Zwölffingerdarm, einen Teil des Magens, die Gallenblase und den unteren Teil des Gallengangs sowie benachbarte Lymphknoten. Stellt der Chirurg vor oder während der Operation fest, dass der Tumor bereits in grosse Gefässe wie etwa die Pfortader eingewachsen ist, wird auch das betroffene Gefässstück entfernt und rekonstruiert. Der Eingriff wird dadurch zunehmend komplex und risikoreich.
Schwierige Rekonstruktion
Auch der zweite Operationsschritt erfolgt standardisiert: Der Restmagen, der Gallengang und der Drüsengang des verbliebenen Pankreasschwanzes müssen wieder an den Dünndarm angeschlossen werden. Die Wiederherstellung der Verbindung zum verbliebenen Restpankreas ist besonders kompliziert, so der Viszeralchirurg José Oberholzer: «Technisch können wir sehr gute Verbindungen mit sauberen Nähten herstellen, entscheidend ist aber, wie weich oder fest das Pankreasgewebe ist.» Schliesslich soll der Drüsensaft mit seinen Verdauungsenzymen später nicht auslaufen und körpereigenes Gewebe zersetzen können. Die Bildung eines undichten Pankreasgangs (Fistel) nach der Operation gilt als ernst zu nehmende Komplikation. Gefürchtet sind zudem Blutungen und Infektionen.
Therapieresistente Tumore
Nach zehn Tagen im Spital können die meisten Patientinnen und Patienten mit der Rehabilitation beginnen. Nach zwei bis drei Monaten können sie fast wieder normal essen und trinken oder Sport treiben. Meist braucht es ergänzend keine Medikamente mehr. Dennoch ist eine Heilung nur sehr selten möglich. In bis zu 90 Prozent der Fälle kommt der Krebs in den nächsten Jahren zurück. «Das Pankreaskopfkarzinom gehört zu den Tumoren mit der schlechtesten Prognose», sagt der Onkologe Ralph Fritsch. Um die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs zu senken, werden die Operierten, sobald sie sich körperlich gut erholt haben, mit einer kombinierten «adjuvanten» Chemotherapie nachbehandelt. Pankreastumoren sind, so Ralph Fritsch, «sehr therapieresistent». Im Unterschied zu vielen anderen Krebserkrankungen seien weder Antikörper noch Immuntherapien oder molekulare Therapien verfügbar. Die Kombination von Chirurgie und Chemotherapie hält der Onkologe für «den momentan besten Weg». Hatte der Tumor keine Metastasen gebildet und konnte er chirurgisch komplett entfernt werden, steigt die Chance, die nächsten fünf Jahre zu überleben, auf bis zu 50 Prozent.
„Wir operieren nur, wenn wir genau wissen, dass wir den Tumor vollständig entfernen können“
Die grösste Drüse des Menschen
1,5 Liter Bauchspeichel produziert die mit 15 bis 20 cm Länge grösste Drüse des Menschen täglich. Darin enthalten sind Enzyme für die Verdauung von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen. Das Sekret fliesst über den Gallengang direkt in den Zwölffingerdarm, wo die Nahrung aufgeschlossen wird. Ist der Gang aufgrund eines Tumors stark eingeengt, kann dies eine Gelbsucht auslösen. Die Bauchspeicheldrüse bildet zudem die Hormone Insulin und Glukagon, die den Zuckerstoffwechsel regulieren.
Vertrauen geben
Für die in der Regel offen, über einen Querschnitt im Bauch, ausgeführte Operation sind neben den Chirurgen vor allem die Anästhesisten gefordert. Zwei periphere Zugänge sind zu legen, ein zentraler Venenkatheter, eine Periduralanästhesie für die Schmerzbehandlung nach der Operation, Intubation, Blasenkatheter etc. «Mehr können wir als Fachdisziplin nicht tun», sagt der Anästhesist Rolf Schüpbach, für den die Whipple-Operation «eine der vielseitigsten Anästhesien» ist. Wichtig sind ihm die vorbereitenden Gespräche mit den Patientinnen und Patienten, die er häufig erst am Vorabend der Operation führen kann. «Die meisten kennen ihre Prognose, sind ängstlich und traurig», sagt Rolf Schüpbach. Er setzt in der heiklen Situation auf Ehrlichkeit, Kompetenz und Empathie: «Wir erklären alles, was wir tun müssen, und versuchen das Vertrauen zu geben, dass wir uns so gut kümmern, wie wir das für uns selbst erwarten würden.»