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Genanalysen bei Embryonen

Bei vererbbaren Krankheiten oder nach Fehlgeburten kann ein Gentest des Embryos die Chancen auf ein gesundes Kind verbessern.

Die Möglichkeit, Embryonen gezielt auf genetische Veränderungen zu untersuchen, bevor sie in die Gebärmutter der Frau übertragen werden, steht seit den 1990er-Jahren zur Verfügung. «Die ‹Designerbabys›, die viele damit verbinden, gibt es nicht», stellt Brigitte Leeners, Direktorin der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am USZ aber gleich klar. Vielmehr erhöht die Präimplantationsdiagnostik (PID) für viele Paare die Chance auf ein nicht betroffenes Kind.
Die PID ist eine Kombination modernster Verfahren der Fortpflanzungsmedizin mit den neuesten Methoden der genetischen Diagnostik. Dabei wird ein Embryo vor der Übertragung in die Gebärmutter gezielt auf genetische Veränderungen untersucht. Dafür werden im Labor der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie nach einer künstlichen Befruchtung, bei der ein einzelnes Spermium direkt in die entnommene Eizelle eingesetzt wurde, aus den dabei entstandenen Embryonen am fünften oder sechsten Entwicklungstag (Blastozysten-Stadium) vorsichtig einige Zellen entnommen. Die Blastozysten werden darauf eingefroren, bis das Resultat der genetischen Untersuchung bekannt ist. Untersucht werden die entnommenen Zellen dann von spezialisierten Genetikerinnen und Genetikern der Universität Zürich.
Mit verschiedenen Verfahren werden beispielsweise Abschnitte der DNA aus den Embryonen mit DNA-Sequenzen abgeglichen, die für bestimmte Krankheiten bekannt sind. Auffälligkeiten wie Bruchstellen und Abweichungen in der Struktur oder in der Zahl der Chromosomen deuten auf Schädigungen hin oder sind ein klarer Nachweis dafür. Sobald das Ergebnis vorliegt, werden mit dem Paar die weiteren Schritte geplant. Unter anderem wird die Gebärmutterschleimhaut mit Hormontabletten so vorbereitet, dass der Embryo ideale Bedingungen für die Einnistung hat.

PID ist streng geregelt

Mithilfe der PID kann die Übertragung schwerster, familiär gehäufter, genetischer Erkrankungen vermieden, die Chancen auf eine Schwangerschaft verbessert und das Risiko für eine Fehlgeburt gesenkt werden. Die Paare, die die Klinik für eine Beratung aufsuchen, kommen denn auch vor diesem Hintergrund.
Bei der Mehrzahl dieser Paare ist bekannt, dass in der Familie gehäuft genetisch bedingte Erkrankungen auftreten. Sie wollen mittels PID die Übertragung dieser Krankheit auf ein Kind vermeiden. Bei anderen Paaren sind wiederholte Fehlgeburten der Anlass, mithilfe einer PID den Grund dafür herauszufinden und damit die Aussicht auf eine Schwangerschaft und die Erfüllung ihres Kinderwunsches zu verbessern.
«Die genetische Untersuchung richtet sich an der medizinischen Situation des Paares aus», erklärt Brigitte Leeners. «Ist keine Ursache bekannt, weshalb es mit der Schwangerschaft nicht klappt, wird der Embryo auf die häufigsten Auffälligkeiten und Erkrankungen untersucht, um durch eine Auswahl genetisch unauffälliger Embryonen das Risiko einer Fehlgeburt zu reduzieren. Ist eine bestimmte genetische Erkrankung bekannt, wird gezielt nur nach dieser gesucht, oder in Kombination mit den häufigsten Auffälligkeiten.»
Der erste Schritt sind jedoch gründliche Abklärungen und eine umfassende Beratung der Paare. Die Erfolgsaussichten, Risiken und Grenzen der PID werden dabei klar benannt. In der Schweiz ist die PID zudem streng geregelt. Jeder einzelne Fall muss individuell daraufhin geprüft werden, ob diese Diagnostik medizinisch sinnvoll ist und gemäss den Vorgaben des Fortpflanzungsmedizingesetzes durchgeführt werden darf. Am USZ wird jeder Fall in einem interdisziplinären PID-Board besprochen. Eine PID nur auf Wunsch des Paares ist in der Schweiz nur zugelassen, um chromosomale Auffälligkeiten zu testen, jedoch nicht, um auf spezifische Erbkrankheiten zu testen.

Min Xie, Leiterin des Kinderwunschlabors der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie, führt eine ICSI (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) durch.

Keine absolute Sicherheit

«Wenn wir die PID zur Vermeidung der Übertragung schwerster, familiär bekannter, genetischer Erkrankungen einsetzen, überweisen wir die Paare im Rahmen der Vorbereitung zu einer genetischen Abklärung und Beratung.» Der Entscheid für eine PID bringt auch eine enorme psychische Belastung mit sich, weiss Brigitte Leeners aus Erfahrung. Es ist deshalb wichtig, dass sich die Paare intensiv damit auseinandersetzen. Dafür wird auch ein psychologisches Coaching angeboten und empfohlen, das zur Entlastung beitragen kann. Besonders wichtig ist es, dass die Paare sich schon vorab mit der Therapie auseinandersetzen und wie sie mit dem Resultat der Untersuchung umgehen wollen. Ist der Embryo betroffen, wird er in der Regel nicht transferiert. Über den Transfer der nicht betroffenen Embryonen entscheiden die werdenden Eltern. Möglich ist aber auch, dass es Auffälligkeiten und Störungen gibt und der Embryo nur teils betroffen ist. Ob er dann eingesetzt wird, entscheidet ebenfalls das Paar. Wie viele Behandlungen durchgeführt werden, entscheidet das Behandlungsteam zusammen mit dem Paar. Jedoch werden nur die Abklärungskosten von den Krankenkassen übernommen.
Zu den Grenzen der Präimplantationsdiagnostik gehört auch, dass trotz modernster und sorgfältigster Analysen die Tests nie eine absolute Sicherheit geben können. «Eine 100-Prozent- Sicherheit gibt es dabei nicht», hält Brigitte Leeners fest. «Wir empfehlen den Paaren deshalb, nach Eintritt einer Schwangerschaft das Resultat der PID mit einer entsprechenden Untersuchung bestätigen zu lassen.»

Die Fachperson

Brigitte Leeners, Prof. Dr. med.

Klinikdirektorin, Klinik für Reproduktions-Endokrinologie

Tel. +41 44 255 50 01

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