Story

«Gemeinsam mehr erreichen»

Seit Januar 2022 ist die Pflege neu aufgestellt. Mirsada Bürki-Misirlic leitet den Bereich Spezialpflege, Stephan Schärer die Pflege stationär. Ein Gespräch darüber, was sie antreibt, wie sie ihre neue Rolle verstehen und welche Ziele sie verfolgen.

Seit Anfang Jahr haben Sie eine neue Funktion, die es so vorher gar nicht gab. Was bedeutet diese Veränderung für Sie?
Stephan Schärer: Unsere Aufgabe wird strategischer als bisher. Es wird darum gehen, den Bereich weiterzuentwickeln. Zudem gilt es, die Zusammenarbeit mit den Ärztlichen Co-Direktoren und den Leitenden Betriebswirtschaft in der Bereichsführung neu aufzubauen.
Mirsada Bürki-Misirlic: Das sehe ich ähnlich. Wir werden neu die strategischen Entscheide mitprägen und letztlich damit auch die Entwicklung der Pflege mitgestalten können. Darauf freue ich mich sehr.

Welche Vorteile sehen Sie in der neuen Organisation der Pflege?
MBM: Die spezialisierten Fachbereiche rücken näher zusammen. Das gilt es zu nutzen, um die Zusammenarbeit weiter zu verbessern, und zwar sowohl zugunsten der Mitarbeitenden als auch für unsere Patientinnen und Patienten.
StS: Pflege führt neu Pflege, das ist für uns eine grosse Chance, denn daraus ergeben sich neue Möglichkeiten. Synergien werden besser zum Tragen kommen.
MBM: Das Silodenken ist noch zu ausgeprägt, wir denken und handeln heute noch zu stark innerhalb der einzelnen Abteilungen. Jede für sich funktioniert zwar gut, aber wir wollen ja den Beruf als Ganzes weiterentwickeln und als Arbeitgeber insgesamt attraktiver werden.
StS: Diese Zersplitterung führt dazu, dass innovative Ideen und Umsetzungen zum Teil Insellösungen geblieben sind. Wir wollen voneinander lernen, gute Ideen breiter nutzbar machen.

Sie werden sehr grosse Bereiche führen. Welche Art der Führung streben Sie an?
MBM: Mir ist eine wertschätzende Kooperationskultur extrem wichtig, Statusdenken ist mir fremd. Gute Kommunikation ist dabei zentral: transparent, offen, direkt. Jeder Bereich hat seine eigenen Stärken, von denen wir gegenseitig profitieren und lernen können. Darin liegt aus meiner Sicht ein riesiges Potenzial.
StS: Wir haben hochkompetente Mitarbeitende, Profis in ihrem jeweiligen Gebiet. Ich sehe diese als Sparringpartner. Natürlich werden wir in unserer Rolle auch Leistung einfordern, Veränderungen anstossen. Aber der Weg dorthin führt über die Diskussion, das Lernen voneinander und den Einbezug der vorhandenen Kompetenzen.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Bereiche gesetzt?
StS: Ganz grundsätzlich möchte ich die Pflege und damit zugleich deren Attraktivität stärken. Denn der Fachkräftemangel ist real. Dabei gilt es, die Mitarbeitenden in ihrem Job zu befähigen, ihre Kompetenzen anzuerkennen und einzubeziehen. Ein zentraler Aspekt liegt aus meiner Sicht zudem in der Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit. Und zwar im Sinne eines respektvollen Umgangs auf Augenhöhe zwischen allen Berufsgruppen.
MBM: In der spezialisierten Pflege akzentuiert sich der Fachkräftemangel ganz besonders. Am USZ betreiben wir eine hochspezialisierte Medizin mit äusserst komplexen Patienten. Die Ansprüche an die Mitarbeitenden sind in den letzten Jahren stetig gestiegen, zum Beispiel auch in der Kommunikation mit Angehörigen. Umso wichtiger ist die von Stephan angesprochene Befähigung der Mitarbeitenden.
StS: Wir werden uns dafür einsetzen, dass wir Mitarbeitende halten, aber auch neu gewinnen und zurückholen. Das betrifft Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Teilzeitarbeit, aber auch Modelle wie Trainee-Programme für Wiedereinsteigerinnen oder Schnuppermöglichkeiten in anderen Berufszweigen. Das USZ bietet enorm viele Möglichkeiten, ist ein hochspannender Betrieb – das wollen wir aufzeigen und mehr Pflegende für uns gewinnen.

Gibt es konkrete Punkte, die Sie angehen und verbessern möchten?
MBM: Mir ist wichtig, dass wir unsere Prozesse noch stärker auf die Patienten abstimmen. Man muss sich vorstellen: Oft kommt eine Patientin über den Notfall zu uns, gelangt von dort in einen OP, danach auf die Intensivstation, die Intermediate Care und schliesslich eine Bettenabteilung. Dazwischen hat sie vielleicht Untersuchungen in der Radiologie oder eine Therapie. Unsere Patienten erleben das Haus quasi einmal quer durch. Deshalb müssen wir den Schnittstellen grosse Beachtung schenken.
StS: Ich sehe darin auch grosses Potenzial. Es braucht zweifellos spezifisches Wissen für die einzelnen Bereiche. Aber wir können anderes standardisieren, beispielsweise den Ablauf einer Visite. Solche Prozesse könnten einheitlich gestaltet sein, damit wir uns nicht damit aufhalten, sondern auf die Individualität der Patienten eingehen können.

In der Pandemie stand die Pflege so stark im Fokus wie nie zuvor. Wie haben Sie diese Zeit erlebt und was nehmen Sie daraus mit?
MBM: Herausfordernd, in jeder Hinsicht. Physisch wie psychisch. So kranke Menschen zu betreuen, ist äusserst anspruchsvoll. Die Angst in den Gesichtern, das Ringen nach Luft. Und auf dem Heimweg wähnt man sich auf einem anderen Planeten, in der sich Menschen verhalten, als gäbe es dieses Virus nicht. Dieses Spannungsfeld war und ist für die Mitarbeitenden sehr anspruchsvoll.
StS: Die unglaubliche Dynamik ist etwas vom Prägendsten und damit einhergehend die mangelnde Planbarkeit. Es hat aber auch sehr vieles ausgelöst, die Entscheidungszyklen wurden kürzer, die Wege direkter. Anders wäre es gar nicht gegangen. «Agil» ist einer unserer Werte: Hier haben wir tatsächlich agil geführt. Das war auch eine tolle Erfahrung. Wir sollten dieses Momentum beibehalten!
MBM: Sehr schön war die gute Zusammenarbeit, alle haben am gleichen Strick gezogen, einander geholfen. Wir von der Anästhesie- und Aufwachraumpflege mussten eine IMC führen. Wir wurden dabei von der IPS-Pflege beim Aufbau der Station super unterstützt, aber beispielsweise auch von den Physiotherapeutinnen, den Facility-Mitarbeitenden, der Logistik usw. Sehr wertvoll war zudem die Zusammenarbeit mit den Ärzten und namentlich den Bettenstationen, von denen wir viel lernen konnten. Wir haben plötzlich viel besser verstanden, welche Arbeiten und Kompetenzen andere haben. Das fördert das gegenseitige Verständnis und den Respekt. Auch das sollten wir uns unbedingt bewahren. Wir beide werden gemeinsam alles daransetzen.