Nach 23 Jahren als Chefarzt der Frauenklinik am Kantonsspital Aarau kehrte Gabriel Schär im Oktober 2020 als Direktor der Klinik für Gynäkologie ans USZ zurück. Dorthin, wo er einst sein Studium der Gynäkologie aufgenommen hatte. Sein Ziel: die ausgezeichnete Arbeit der fünf zertifizierten Zentren für Frauenkrankheiten in den Fokus rücken und das USZ bei den Patientinnen zur ersten Adresse machen.
Gabriel Schär, wenige Meter von Ihrem Büro entfernt befindet sich der Hörsaal für die Vorlesungen in Gynäkologie. Welche Erinnerungen werden wach?
Während der Vorlesungen sass ich jeweils im hinteren Drittel der mittleren Reihe. Ich mochte es, den Kopf nicht abdrehen zu müssen. Tatsächlich kehre ich nun an jenen Ort zurück, wo alles begann. Selbst in den labyrinthischen Gängen des USZ kenne ich mich immer noch aus. Zudem habe ich hier einige Mitarbeitende wiedergetroffen, die schon vor 23 Jahren hier gearbeitet haben. Das spricht für das USZ als Arbeitgeber.
Wie war die Heimkehr an Ihre Alma Mater?
Vertraut und doch komplett anders. Nur die Räumlichkeiten im Haus «Nord1» sind dieselben geblieben. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Gynäkologie auch am USZ enorm entwickelt. Ich habe ein tolles Team angetroffen, das gut aufgestellt ist. Mir gefällt die Organisation in fünf zertifizierte Zentren. Das Gynäkologische Tumorzentrum, das Dysplasiezentrum (Zellveränderungen am Gebärmutterhals), das Brustzentrum, das Beckenbodenzentrum (Urogynäkologie) und nicht zuletzt das Endometriosezentrum (Befund von Gebärmutterschleimhaut ausserhalb der Gebärmutter) erfüllen höchste Ansprüche und sind gut geleitet.
Wie kam es, dass Sie mit 63 Jahren noch einen Wechsel ins Auge fassten?
Die Berufung ans USZ ist mir eine grosse Ehre. Als die Anfrage aus Zürich kam, hatte ich gerade meine Aufgaben als Chefarzt der Frauenklinik am Kantonsspital Aarau im Sinne eines geplanten Generationenwechsels an meinen Nachfolger übergeben. Ich war nicht mehr in Führungsaufgaben eingebunden, ausgeruht und verspürte grosse Energie, am USZ nochmals anzupacken. Reizvoll ist, dass wir am USZ in der medizinischen Entwicklung an vorderster Front sind. Mir gefällt die unmittelbare Nähe zur Forschung. USZ-intern gibt es viel professionellen Support. Dass ich zudem meine Lehrtätigkeit intensivieren kann, ist ein weiteres Plus.
Trotzdem bleiben Ihnen bis zu Ihrer ordentlichen Pensionierung nur zwei Jahre als Klinikdirektor.
Entsprechend sehe ich meine Rolle darin, eine verlässliche Klinikleitung sicherzustellen, die Organisation zu stärken, das Team zusammenzuschweissen und medizinische Weiterentwicklungen aktiv voranzutreiben. Ich möchte meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger ein Top-Team und eine gut funktionierende Klinik übergeben, die eine hochstehende medizinische Versorgung anbietet und bei den Patientinnen erste Wahl ist.
Wie werden Sie vorgehen?
Wenn wir gemeinsam als Team gut sind, sind wir als Klinik gut. Ich werde unsere hervorragenden Fachkräfte vermehrt ins Rampenlicht rücken, damit unsere fünf Zentren mehr Beachtung erhalten.
Wo sind die Stolpersteine?
Gerade weil mir das Team so wichtig ist, bin ich besorgt, inwiefern unsere Klinik aufgrund der anstehenden Bautätigkeiten am USZ in den nächsten Jahren zersplittert werden könnte. Ich werde mich intensiv für eine stimmige Lösung einsetzen, auch wenn die Planung bereits weit fortgeschritten ist.
Welche Auswirkungen haben die neuen Infrastrukturpläne des USZ auf die Gynäkologie?
Es ist absehbar, dass unsere Mitarbeitenden im Rahmen der Bautätigkeiten an unterschiedliche Orte ausweichen werden. So ist ein grosser Teil der ambulanten Sprechstunden in das neu eröffnete USZ Flughafen im «Circle» umgezogen. Für die Tagesklinik, unter anderem Anlaufstelle unserer Tumorpatientinnen für die Chemotherapie, wird eine Lösung gesucht. Ich möchte vermeiden, dass bisher genutzte Synergien künftig verloren gehen, und engagiere mich entsprechend.
Welches medizinische Gebiet betreuen Sie am USZ persönlich?
Ich widme mich den operativen Tätigkeiten in der Onkologie und möchte die Behandlung von gynäkologischen Tumorerkrankungen in Schwerpunkten weiterentwickeln. In den vergangenen Jahren hat sich gerade in Sachen Therapie einiges getan. In meinem zweiten Spezialgebiet, der Urogynäkologie, bei der es um Erkrankungen im tiefen Beckenbereich geht, bin ich am USZ auf ein Top-Team gestossen, was mich sehr freut. Ich werde voraussichtlich an vier Vormittagen operieren. Zwei Nachmittage sollen für die Sprechstunde zur Verfügung stehen. Selbst wenn wir aufgrund der COVID-19- Restriktionen etwas weniger operieren, finden insbesondere tumorbedingte Notfalloperationen natürlich weiterhin statt.
Was bedeutet Ihnen die Lehrtätigkeit an der Universität Zürich?
Ich finde es wertvoll, junge Menschen in ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung voranzubringen, selbst wenn die Vorlesungen derzeit online stattfinden. Meine wichtigste Botschaft an die angehenden Gynäkologinnen und Gynäkologen ist: Zuhören! Wie wir mit unseren Patientinnen umgehen, bestimmt nicht selten, wie die Behandlung verläuft.
Naturgemäss besteht in der Frauenheilkunde ein Fokus auf die Frau. Inwiefern schlägt sich das auch im Studium nieder?
Ganz deutlich. 70 Prozent der Studierenden sind Frauen. Noch widerspiegelt sich dies in den Spitalkadern nicht. Das dürfte sich aber in den nächsten Jahren ändern. Mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie beschäftigte ich mich schon an meiner alten Wirkungsstätte in Aarau. Partiell ist es mir dort gelungen, Frauen für Kaderpositionen zu gewinnen. Ich möchte den Frauenanteil auch am USZ weiter erhöhen. Können wir das Potenzial der Frauenärztinnen künftig stärker nutzen, wird die Klinik für Gynäkologie am USZ noch besser für die Zukunft gerüstet sein.