Arzt arbeitet an Proben im Labor

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Fortschritte im Leuchtturmprojekt Krebs-Mikrobiom: Darmbakterien als Schlüssel zur Präzisionsonkologie

Das Krebs-Mikrobiom-Projekt untersucht, wie die Zusammensetzung des Darmmikrobioms, also die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Darm, die Wirksamkeit von Immuntherapien beeinflusst. Ziel ist die Entwicklung neuer Behandlungsansätze für refraktäre Tumoren – Tumoren, die nicht auf Standardtherapien ansprechen.

Die Darmflora kann darüber entscheiden, ob eine Immuntherapie bei Krebserkrankungen erfolgreich ist oder nicht

Aktuelle Studien belegen, dass die Zusammensetzung der Milliarden von Bakterien, die unser Darmmikrobiom bilden, einen direkten Einfluss auf die Wirksamkeit bestimmter Therapien hat. Im Krebs-Mikrobiom-Projekt verfolgt ein interdisziplinäres Team unter der Leitung von Michael Scharl, Professor für Gastroenterologie und Hepatologie am Universitätsspital Zürich, das Ziel, die entscheidenden Bakterien und molekularen Mechanismen zu identifizieren, um die Ansprechraten auf Immuntherapien verbessern. Das Projekt wird seit 2022 durch das CCCZ mit CHF 1.65 Mio. als eines von vier CCCZ Leuchtturmprojekten gefördert und kann bereits nach den ersten zwei Jahren wichtige Meilensteine erreichen.

Erste Studie erfolgreich beendet

In den ersten zwei Jahren wurde die klinische Studie zur Machbarkeit der fäkalen Mikrobiota-Transplantation (FMT) erfolgreich abgeschlossen. FMT ist ein Verfahren, bei dem Stuhl von einem gesunden Spender, oder in diesem konkreten Fall von einem Spender, der in der Vergangenheit hervorragend auf eine Krebs-Immuntherapie angesprochen hatte, in den Darm eines Patienten, resp. einer Patientin übertragen wird, um die Darmflora zu verbessern und so die Effektivität der Therapie zu steigern. Diese Studie richtete sich an Patienten und Patientinnen mit soliden Tumoren, die nicht auf Immuntherapien ansprachen. Insgesamt wurden vier Stuhlspender und 14 FMT-Empfänger in die Studie eingeschlossen.

„Mit FMT eröffnen wir Patienten neue Möglichkeiten, die bisher nicht von herkömmlichen Therapien profitieren konnten.“

Michael Scharl, Leitender Arzt, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie

Ein besonderes Augenmerk lag auf Patienten mit Aderhautmelanom, einer seltenen und aggressiven Form von Krebs, die in der Aderhaut des Auges auftritt. Für diese Indikation wurde FMT bisher nicht beschrieben. Die Ergebnisse zeigen beeindruckende Erfolge: FMT verstärkte bei einem Teil der Patienten  die Wirksamkeit der Immuntherapie und stoppte das Fortschreiten der Erkrankung. Diese Ergebnisse markieren einen bedeutenden Meilenstein in der Behandlung immuntherapie-refraktärer Patienten. Die Erkenntnisse dieser ersten Studie haben zur Konzeption einer Nachfolgestudie geführt, die sich auf Patienten mit kutanen Melanomen (einer Form von Hautkrebs) und Aderhautmelanomen konzentriert.

Innovative Forschungsansätze und translationale Fortschritte

Flankiert werden die klinischen Studien von wissenschaftlichen Experimenten, die den Zusammenhang von Bakterien und Immunsystem untersuchen. Diese translationalen Analysen, die darauf abzielen, Forschungsergebnisse für den klinischen Alltag nutzbar zu machen, umfassen verschiedene spezialisierte Methoden. Dazu gehören Metagenomik-Analysen, die die genetische Information aller Mikroorganismen in einer Probe untersuchen, um deren Zusammensetzung und Funktion zu verstehen. Ebenso gehören Metabolomik-Analysen dazu, die die Stoffwechselprodukte (Metaboliten) in biologischen Proben analysieren, um biochemische Prozesse zu entschlüsseln. Ergänzt werden diese Methoden durch Zytokin-Analysen, die Signalproteine untersuchen, welche von Immunzellen ausgeschüttet werden und eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Entzündungs- sowie Immunreaktionen spielen sowie von Einzelzell-Analysen der Immunzellen selbst.

Diese Analysen identifizierten vielversprechende Muster, die als Biomarker – messbare biologische Merkmale – für die Stratifizierung von Patienten dienen könnten. Stratifizierung bedeutet, Patienten basierend auf spezifischen Merkmalen in Gruppen einzuteilen, um gezielte und personalisierte Therapien anzubieten.

Parallel dazu wurden Mausmodelle verwendet, um ein mechanistisches Verständnis der positiven Effekte von FMT auf molekularer Ebene zu gewinnen. Diese funktionellen Studien liefern neue Einblicke in die komplexen Wechselwirkungen zwischen Mikrobiom und Immunsystem.

Neue Plattformen und interdisziplinäre Zusammenarbeit

Ein zentraler Fortschritt des Projekts ist die Entwicklung einer Mikrobiomanalyse-Plattform, die präzise Analysen des Mikrobioms ermöglicht, selbst bei Proben mit geringer bakterieller Biomasse. Diese Plattform dient als Grundlage für weitere Forschungskooperationen innerhalb des CCCZ.

Langfristige Vision: Massgeschneiderte Mikrobiom-Therapien

Das Krebs-Mikrobiom-Projekt zielt darauf ab, personalisierte Therapien zu entwickeln, die auf der gezielten Auswahl spezifischer Bakterienstämme basieren. Langfristig könnten diese in Form von z.B. Mikrobiom-Tabletten verabreicht werden, um die Wirkung von Immuntherapien zu verstärken.

Prof. Dr. Michael Scharl, führender Gastroenterologe und Experte für Mikrobiomforschung, erklärt: „Die Zusammensetzung des Mikrobioms ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Immuntherapien. Mit FMT eröffnen wir Patienten neue Möglichkeiten, die bisher nicht von herkömmlichen Therapien profitieren konnten.“

Das Krebs-Mikrobiom-Projekt zeigt eindrucksvoll, wie innovative Ansätze und interdisziplinäre Zusammenarbeit die Krebstherapie revolutionieren können. Mit seinen Fortschritten ebnet es den Weg für eine neue Ära der Präzisionsonkologie – personalisiert, datenbasiert und zukunftsorientiert. Mehr Informationen: https://umzh.uzh.ch/projekt/microbiome#lesen

Verantwortliche Fachperson

Michael Scharl, Prof. Dr. med.

Leitender Arzt, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie

Tel. +41 44 255 85 48
Spezialgebiete: Immuntherapie-assoziierte Kolitis, Kolorektales Karzinom, Mikrobiom