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Fertilitätserhalt bei keimzellschädigenden Behandlungen

Publiziert am 17. April 2024

Für den Fertilitätserhalt können vor keimzellschädigenden Therapien Eizellen, Eierstockgewebe sowie Hodengewebe und Spermien eingefroren und gelagert werden.

„Bei vielen Patientinnen und Patienten spielt die Frage nach der Beeinträchtigung der Fertilität durch die geplante Therapie bei Mitteilung der Diagnose eine grosse Rolle“, so Ruth Stiller, Oberärztin meV in der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am USZ. Spätestens wenn feststeht, dass bei Patientinnen und Patienten vor oder im fruchtbaren Alter eine Therapie keimzellschädigende Auswirkungen hat oder haben kann, ist die Möglichkeit zu einer späteren Elternschaft ein wichtiges Thema und sollte von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten angesprochen werden. „Mit dem Medical Freezing, dem Einfrieren von Eizellen oder Eierstockgewebe bzw. von Spermien oder Hodengewebe vor einer die Fruchtbarkeit einschränkenden oder sie abrupt beendenden Therapie, stehen uns heute bewährte Möglichkeiten zur Verfügung“, so Ruth Stiller.

Häufiger Beweggrund für die Kryokonservierung ist eine bevorstehende Chemo- oder Strahlentherapien bei Tumorerkrankungen. Aber auch wenn durch Medikamente, genetisch bedingt oder durch die operative Entfernung der Keimdrüsen die Fruchtbarkeit vorzeitig erlöscht, kann die Konservierung von Eizellen, Eierstockgewebe bzw. Spermien und Hodengewebe erwogen werden.

Gewinnen von Eizellen

Entscheidet sich eine Frau für eine Eizellentnahme und ist aus onkologischer Sicht genügend Zeit, ist der Prozess ähnlich dem Social Freezing. Ein wesentlicher Unterschied beim „Medical freezing“ besteht darin, dass die Therapie zyklusunabhängig, also ohne Abwarten der Periode begonnen werden kann, um möglichst rasch mit der Therapie der Grunderkrankung beginnen zu können. Die Patientin erhält während 10 bis 14 Tagen stimulierende Medikamente, um mehrere Eizellen in ihren Ovarien heranreifen zu lassen. Am optimalen Zeitpunkt für die Eizellentnahme wird in einem etwa zwanzigminütigen Eingriff unter Ultraschallsicht transvaginal mit einer feinen Nadel die Follikelflüssigkeit aus den einzelnen Eibläschen abgesaugt. Die darin enthaltenen reifen Eizellen werden eingefroren und können bei einem späteren Kinderwunsch aufgetaut und befruchtet werden.

Entnahme von Ovarialgewebe

Muss eine Krebstherapie innert weniger Tage beginnen, fehlt die Zeit für eine Stimulation mit anschliessender Gewinnung von Eizellen. „In diesen Fällen kann Eierstockgewebe operativ entnommen und eingefroren werden. Diese Option kann natürlich auch von Frauen gewählt werden, bei welchen eine Stimulation und Kryokonservierung von reifen Eizellen in Frage käme. Werden durch die Krebstherapie die Eierstöcke irreversibel geschädigt, kann nach Abschluss der Krebstherapie bei Kinderwunsch das Eierstockgewebe aufgetaut und reimplantiert werden.“ Diese Methode ist bei präpubertären Mädchen die einzige in Frage kommende fertilitätserhaltende Massnahme.

Bei der Kryokonservierung von Ovarialgewebe wird ein ganzes Ovar oder ein Teil davon chirurgisch entnommen, meistens über eine Bauchspiegelung. Die äussere Oberfläche (Cortex), welche die Oozyten enthält, wird vom Mark des Ovars entfernt und in ca. 5 x 5 mm grossen Stückchen kryokonserviert. Später kann dieses Gewebe aufgetaut und retransplantiert werden. Diese Methode führte erstmals 2004 zur Geburt eines Kindes. Weltweit wurden über diese Methode, die sowohl Spontanschwangerschaften wie auch reproduktionsmedizinisch unterstützte Schwangerschaften ermöglicht, ca. 300 Kinder geboren – mehrere davon sind durch Retransplantationen an der Klinik für Reproduktionsmedizin am USZ entstanden.

Konservierung befruchteter Eizellen und Embryonen

Besteht vor dem Beginn der keimzellschädigenden Therapie eine Sterilität, ist es rechtlich erlaubt, die gewonnenen Eizellen bereits zu befruchten, Embryonen entstehen zu lassen und diese zu kryokonservieren. Hier werden die gewonnenen reifen Eizellen durch In-vitro-Fertilisation (IVF) oder intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) d.h. dem Einbringen eines Spermiums direkt in die Eizelle, mit dem Sperma des Partners befruchtet. Die befruchteten Eizellen werden anschliessend entweder direkt oder einige Tage später als Embryonen eingefroren und für eine spätere Behandlung aufbewahrt. Die Stimulation der Ovarien mit der Gewinnung der Eizellen dauert circa zwei Wochen.

Medical Freezing für Männer

Bei Männern und Jungen können Spermien eingefroren werden. Weil die Entnahme jederzeit möglich und der Zugang zu den Spermien direkter ist, ist der Prozess einfacher und schneller als bei Frauen und Mädchen. Primär erfolgt die Gewinnung der Spermien via Ejakulation. Ist dieses krankheitsbedingt oder aus Altersgründen nicht möglich, ist die Gewinnung der Spermien aus dem Hodengewebe eine Alternative. Bei präpubertären Jungen ist die Kryokonservierung von Spermien aus dem Hodengewebe jedoch noch nicht so weit ausgereift wie die Nutzung von Ovarialgewebe bei präpubertären Mädchen.

Sichere und unbefristete Lagerung, Kostenübernahme 

Für die sichere Aufbewahrung sind alle Behälter der Kryo-Bank am USZ kontinuierlich an ein Alarmsystem angeschlossen und rund um die Uhr überwacht. Unbefruchtete und befruchtete Eizellen, Spermien sowie Embryonen von Frauen und Männern mit infektiösen Erkrankungen werden separat gelagert. „Unser Medical Freezing ermöglicht uns, unseren Patientinnen und Patienten nach Abschluss ihrer Behandlung alle Optionen offen zu halten. Noch vor wenigen Jahren war das nicht möglich. Eine keimzellschädigende Therapie bedeutet damit heutzutage nicht mehr das Ende der Fruchtbarkeit“, fasst Ruth Stiller die Vorteile zusammen.

Seit 2019 werden die Kosten für die fertilitätserhaltenden Massnahmen sowie die Lagerungskosten von Ovarialgewebe, Eizellen oder Spermien fünf Jahre von den Krankenversicherungen übernommen. Bestätigt sich nach 5 Jahren die bleibende Schädigung der Keimzellen, wird die Lagerungsgebühr weitere 5 Jahre von der Krankenkasse übernommen. Die Dauer der Lagerung ist gemäss Fortpflanzungsmedizingesetz der Schweiz bei Eizellen, Ovarialgewebe und Spermien unbeschränkt erlaubt.

Spezialsprechstunde Fertilitätserhalt Sie und Ihn

Ruth Stiller, PD Dr. med.

Leitende Oberärztin, Klinik für Reproduktions-Endokrinologie

Tel. +41 44 255 50 09
Spezialgebiete: Kinderwunsch, Fertilitätserhalt

Verantwortlicher Fachbereich