Stuhlinkontinenz-Behandlung

Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten bei Stuhlinkontinenz. Welche Behandlung genau in Frage kommt, hängt immer von der jeweiligen Ursache und vom Grad der Darmschwäche ab. Manchmal lässt sich die Ursache beheben oder wir können zumindest die Folgen der Stuhlinkontinenz abmildern. Ziel der Behandlung ist es immer, den Stuhlgang wieder in den Griff zu bekommen (keine Verstopfung, keinen Durchfall) und, die Beckenbodenmuskulatur zu stärken sowie die Lebensqualität zu verbessern.

Mögliche Ursache der Stuhlinkontinenz

Es gibt zahlreiche Ursachen welche zu einer Stuhlinkontinenz führen können. Am häufigsten ist die Stuhlinkontinenz Folge von Geburtsverletzungen (Dammriss) welche sich Jahre oder Jahrzehnte später in einer Vernarbung und dadurch Schwäche des Schliessmuskels äussert. Auch proktologische Vorerkrankungen können durch wiederholte Verletzungen am Schliessmuskel langfristig in einer Stuhlinkontinenz resultieren. Wenn der Stuhlgang tendenziell zu flüssig ist, ist er zudem für den Schliessmuskel deutlich schwieriger zu kontrollieren als gut geformter Stuhlgang. Die Ursache von wiederkehrendem Durchfall und flüssigem Stuhlgang sind wiederum sehr vielfältig: Übermässiger Alkoholkonsum und Kaffeegenuss, Fruchtsäfte, Milch bei Laktoseintoleranz und künstliche Süssstoffe sind nur Beispiele von möglichen Ursachen.  Auch Voroperationen am Darm (zB. Magenbypass), bakterielle Fehlbesiedlungen des Darms, hormonelle Über- oder Unterfunktionen sowie Mangelzustände von Blutsalzen können den Stuhlgang dünnflüssig machen.

Selbstbehandlung

Folgende Therapien können Sie selbst durchführen, um die Stuhlinkontinenz zu bessern:

  • Nehmen Sie ausreichend Ballaststoffe zu sich und trinken Sie genügend, damit die Ballaststoffe auch gut quellen können.
  • Am besten machen Sie sich regelmässige Notizen und führen ein Ernährungs- und Stuhltagebuch. So finden Sie heraus, welche Nahrungsmittel und Getränke sich positiv oder negativ auswirken. Dann können Sie Ihre Ernährungsweise eventuell anpassen.
  • Beckenbodentraining: Absolvieren Sie einen Kurs zur Beckenbodengymnastik. Speziell geschulte Physiotherapeutinnen und -therapeuten zeigen Ihnen Übungen, die Ihren Beckenboden stärken. So bessert sich oft auch die Stuhlinkontinenz. Das Beckenbodentraining ist auch ein wirksamer Schutz vor Inkontinenz aller Art – ob Harn- oder Stuhlinkontinenz.

Abklärungen

Bei einer neu aufgetretenen Stuhlinkontinenz empfehlen wir folgende Untersuchungen:

  • Darmspiegelung (Koloskopie) bei der Gastroenterologie
  • Funktionsdiagnostik mittels Manometrie
  • Ultraschalluntersuchung des Schliessmuskels um allfällige Vernarbungen und Verletzungen darzustellen
  • Bei einer gleichzeitig bestehenden Stuhlentleerungsstörung kann eine MR Defäkographie zusätzliche Informationen zum Verständnis der Problematik helfen

Konservative Behandlung

Am Anfang jederr Therapie der Stuhlinkontinenz steht die Stuhlregulation, welche zum Ziel hat, die Konsistenz des Stuhlgangs zu verbessern und dadurch die Zeit der Stuhlpassage im Darm zu verlängern. Zuweilen ist ein Stuhltagebuch sinnvoll, um den Zusammenhang zwischen Nahrungsmitteln und dünnem Stuhl beziehungsweise Stuhlverlust erkennen zu können.

Für eine normale Stuhlkonsistenz ist ein hoher Faseranteil in der Nahrung unverzichtbar. Dies kann durch Früchte, Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte erreicht werden. Zur «Eindickung» des Stuhlgangs kann 1-2 Teelöffel Flosamenschalen oder Metamucil® hilfreich sein. Eingenommen mit wenig Wasser bindet es die Flüssigkeit im ansonsten wässrigen Stuhlgang. ). Besteht trotz dieser Massnahmen weiterhin zu weicher Stuhl beziehungsweise eine zu hohe Stuhlfrequenz, kann Loperamid (Imodium®) hilfreich sein.

Physiotherapeutische Beckenbodenrehabilitation ist eine etablierte Therapie bei Stuhlinkontinenz. Nach einer gezielten Untersuchung der Beckenbodenmuskulatur zeigt Ihnen die in Beckenbodenrehabilitation spezialisierte Physiotherapeutin ein befundbasiertes Trainingsprogramm. Die Muskelkräftigung ist ein Prozess, der tägliches Üben erfordert und mehrere Monate dauern kann.
Zur Normalisierung der Darmfunktion kommen Verhaltensstrategien und zusätzlich, je nach Bedarf, auch apparatives Biofeedback, Elektrostimulation oder Ballontraining zum Einsatz.

Chirurgische Therapie

Wenn die konservative Behandlung, sprich nicht-operativen Therapien keine entscheidende Verbesserung der Kontinenz nach sich zieht kann, eine Operation als Therapie in Erwägung gezogen werden. Bei der Wahl der richtigen Form von Chirurgie müssen die Ursache der Stuhlinkontinenz, deren Ausprägung und die Erwartung beziehungsweise der Wunsch der Patientin oder des Patienten berücksichtigt werden.

Liegt der Grund der Inkontinenz in einem defekten Schliessmuskel, so kann der vorhandene Muskeldefekt vernäht werden (sogenanntes Sphinkterrepair). Diese Operation wird meist bei jüngeren Patienten und Patientinnen durchgeführt, typischerweise bei kürzlich zurückliegenden Schliessmuskelverletzungen nach Geburten. Diese Operation ist heikel und sollte nur in spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Die Erfolgsrate nach dieser Operation beträgt rund 50 %.

Eine eigentliche Revolutionierung der Therapie der Stuhlinkontinenz erfolgte 1995 mit der Sakralen Nerven Modulation (SNM) (auch Sakrale Nerven Stimulation (SNS)). Bei dieser Therapie werden die für die Kontinenz wichtigen Beckenbodennerven mittels Strom stimuliert. Dies führt vor allem zu einer verbesserten Empfindlichkeit des Enddarmes, sodass der Stuhl früher bemerkt wird. Diese Stimulierung geschieht für den Patienten oder die Patientin unbemerkt oder wird als feines Kribbeln im Bereich des Afters wahrgenommen. Die Operation läuft in 2 Phasen ab, einer Testphase und einer permanenten Phase. In der Testphase wird zunächst der Beckenbodennerv im Bereich des Kreuzbeines mit einer Nadel lokalisiert, um dann eine feine Elektrode in die Nähe des Nervs einzubringen. Danach erfolgt eine 2-3 wöchige Teststimulation zur Beurteilung des Therapieerfolges. Wird in dieser Testphase eine Verbesserung der Beschwerden um von mindestens 50 % erreicht, erfolgt die Implantation einer kleinen Batterie (ähnlich einem Herzschrittmacher) unter die Haut im Bereich der Beckenschaufel.

Die SNS wird nur an spezialisierten Zentren angeboten und gehört heute zu den vielversprechendsten Therapien der Stuhlinkontinenz. Bei unseren Patientinnen und Patienten können wir einen Erfolg von über 85 % verzeichnen. Die Indikation der SNS wird zusehends ausgeweitet. Sie beinhaltet nicht nur die Inkontinenz durch Schliessmuskelschäden oder Nervenschädigungen (z.B. bedingt durch Geburten, Multiple Sklerose etc.), sondern neuerdings auch die chronische, therapieresistente Verstopfung chronischen analen Schmerzen oder bei LARS (low anterior resection syndrom) nach Operationen wegen Enddarmkrebs.

 

Illustration des Beckens mit implantiertem Gerät.

 

Gerät, welches an der Beckenschaufel implantiert wird.

Mit freundlicher Genehmigung der Medtronic Schweiz AG

Die dynamische Gracilisplastik ist für Patienten und Patientinnen vorgesehen, bei denen übliche operative Therapien nicht zum Erfolg führten. Der Gracilismuskel ist ein feiner Muskel an der Oberschenkel-Innenseite, der bei dieser Operation freigelegt wird und als Schliessmuskel-Ersatz um den After geschlungen wird. Wie bei der SNM/SNS wird auch dieser Muskel mit Strom stimuliert, womit der Muskel unter Dauerspannung gesetzt wird und so den After verschliesst. Zwei von drei Patientinnen und Patienten profitieren von der Gracilisplastik im Sinne einer deutlichen Verbesserung der Kontinenz. Diese Operation ist technisch sehr anspruchsvoll und sollte deshalb nur an Kliniken durchgeführt werden, die über die entsprechende Erfahrung verfügen.

Wenn keine der genannten Massnahmen oder Operationen eine Verbesserung der Stuhlinkontinenz erbracht hat, kann auch ein künstlicher Darmausgang (Stoma) evaluiert werden. Hierbei wird der Dünndarm oder Dickdarm durch die Bauchdecke nach aussen geleitet und der Stuhlgang in einem Beutel aufgefangen.

Hilfsmittel bei Stuhlinkontinenz

Daneben gibt es einige Hilfsmittel bei Stuhlinkontinenz, die Ihnen den Alltag erleichtern und unangenehme Situationen vermeiden helfen. Beispiele sind:

  • Inkontinenzvorlagen und Netzhosen für die Vorlage
  • Inkontinenzhosen und Einlagen
  • Beutel, um den Stuhl aufzufangen
  • Analtampons aus Schaumstoff für den Enddarm

Unser spezialisiertes Team der Kontinenzberatung steht hier gerne zu Ihrer Verfügung.

Achten Sie bei Stuhlinkontinenz zudem auf eine gute Analhygiene. Denn eventuell verbliebene Stuhlreste können die Haut in der Analregion reizen und zu Entzündungen führen.

Verantwortliche Fachpersonen

Matthias Turina, Prof. Dr. med.

Chefarzt, Departement für Viszeral- und Transplantationschirurgie

Tel. +41 44 255 97 23
Spezialgebiete: Kolorektale und Proktologische Chirurgie

Michaela Ramser, MBA, Dr. med.

Leitende Oberärztin, Departement für Viszeral- und Transplantationschirurgie

Tel. +41 44 255 11 11
Spezialgebiete: Kolorektale und Proktologische Chirurgie

Heike Simmack

Clinical Nurse, Departement für Viszeral- und Transplantationschirurgie

Tel. +41 44 255 92 88
Spezialgebiete: Kolorektale Chirurgie

Für Patientinnen und Patienten

Sie können sich als Patientin oder Patient nicht direkt zu einer Konsultation anmelden. Bitte lassen Sie sich durch Ihren Hausarzt, Ihre Hausärztin, Ihren Spezialisten oder Ihre Spezialistin überweisen.

Für Zuweisende

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Tel. +41 44 255 92 88
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