Behandlung der Parkinson-Krankheit mit Medikamenten
Auch wenn wir heute das Übel noch nicht an der Wurzel anpacken können, stehen uns viele sehr gute Therapien zur Symptomlinderung – sogenannte symptomatische Therapien – zur Verfügung. Hier sind an erster Stelle die Dopamin-Ersatz-Medikamente zu nennen:
Das Levodopa (Madopar®, Sinemet®, Carbidopa®/ Levodopa®), das im Körper zu Dopamin umgebaut wird, und die Dopaminagonisten (Sifrol®, Requip®, Neupro®), die an Dopamin-Rezeptoren binden. Diese Strategie des Dopamin-Ersatzes macht man sich schon seit den 1970er- Jahren zunutze, und sie wird bis heute erfolgreich angewandt.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Die einfache Einnahme von Pillen oder Kapseln führt zu einer Verbesserung der Lebensqualität. Im Falle des Levodopas ist das im Grunde auch ein «natürlicher» Ansatz – ähnlich einer Ersatztherapie bei Diabetes, der aufgrund eines Insulinmangels mit Insulin behandelt wird.
Durch die Dopamin-Medikamente wird das Dopamin ersetzt, das mit der Krankheit verloren gegangen ist. Entsprechend verbessern sich die Symptome, die auf den Dopaminmangel zurückzuführen sind.
Chancen und Risiken
Das Ausmass des Ansprechens ist variabel und – so wie die Krankheit selbst – sehr individuell. Aus Erfahrung wissen wir, dass das Zittern häufig schwerer zu behandeln ist als die Bewegungsverlangsamung und Steifigkeit. Das bedeutet, dass oft höhere Medikamentendosierungen benötigt werden oder, in seltenen Fällen, gar kein befriedigendes Ansprechen erreicht werden kann. Ausserdem sprechen motorische Beschwerden der Körpermitte häufig weniger gut an als jene in der Körperperipherie. Das sind vor allem die Sprechstörung, die Schluckstörung und die Gleichgewichtsstörung. Das ungenügende Ansprechen kann entweder dadurch erklärt werden, dass der Ort, wo das Dopamin wirken sollte, aufgrund der Krankheit ebenfalls gestört ist. Alternativ ist es auch möglich, dass diese Symptome gar nicht auf einen Dopaminmangel zurückzuführen sind.
Auf der anderen Seite entfalten Dopamin-Medikamente oftmals nicht nur eine positive Wirkung auf die Motorik, sondern auch auf nicht-motorische Beschwerden, bei denen der Dopaminmangel eine Rolle spielt. So kann eine gute Medikamenteneinstellung unter Umständen auch die Psyche, den Schlaf oder die gestörte Schmerzwahrnehmung verbessern. Wenn dem so ist, wissen wir im Umkehrschluss, dass diese Beschwerden zumindest teilweise auf den Dopaminmangel zurückzuführen sind.
Welche Dosis eines Dopamin-Medikaments die richtige ist, muss individuell ausprobiert beziehungsweise eingestellt werden. Es gibt keinen Bluttest, der anzeigt, wieviel Dopamin fehlt. Insofern gibt es auch keine für alle Patientinnen und Patienten geltende Grenze für eine zu hohe oder tiefe Dosis. Ziel ist, die Menge an Dopamin zu ersetzen, die fehlt: Bei zu viel Dopamin steigt das Risiko für Nebenwirkungen. Bei zu wenig Dopamin wird unnötig Lebensqualität «verschenkt».
Die wichtigsten Nebenwirkungen bei zu hohen Dosen sind Überbewegungen, Halluzinationen und Impulskontrollstörungen.
Man kann vereinfacht sagen: In diesem Moment ist das Gehirn von zu viel «Schmiermittel» überflutet. Statt unter- ist man überbeweglich; statt antriebslos, fühlt man sich übermässig angespannt und angetrieben.
Die Gedanken und Gefühle sind so leicht und schnell, dass dies zu Fehlwahrnehmungen (Halluzinationen) und Verhaltensveränderungen (Impulskontrollstörungen) führt.
Aufgrund intensiver Forschung wissen wir heute: Die Dopamin-Medikamente ändern den Krankheitsverlauf nicht. Das heisst, sie sind weder schädlich noch verhindern sie ein Fortschreiten der Erkrankung. Es geht allein um die Verbesserung der Lebensqualität.
Die Bewegungsstörungen
Auch wenn die motorischen Symptome gut auf die Dopamin-Ersatz-Medikamente ansprechen, nimmt der Nutzen der medikamentösen Therapie mit der Zeit häufig ab. Das passiert aus den folgenden Gründen:
- Die Dauer der Medikamentenwirkung nimmt mit der Zeit ab. Es kommt schneller zum Nachlassen der positiven Wirkung. Diese Phasen werden als «OFF-Phasen» bezeichnet – im Gegensatz zu den guten «ON-Phasen». Die Intervalle zwischen den Medikamenten-Einnahmen werden kürzer, um möglichst viele ON-Phasen zu haben.
- Wenn das Medikament im Gehirn anflutet, kommt es zunehmend zu Überbewegungen, sogenannten Dyskinesien, welche nicht unterdrückbar und durch unrhythmisches «Zappeln» (im Gegensatz zum rhythmischen Zittern) charakterisiert sind. Diese Überbewegungen stellen nun «schlechte ON-Phasen» dar und wechseln sich zunehmend mit den ebenso schlechten OFF-Phasen ab. Die guten ON-Phasen ohne Überbewegungen werden seltener. Wir sprechen von einer motorischen Wirkfluktuation. Im Zeitverlauf werden diese Fluktuationen stärker und unberechenbarer. Diese Wirkfluktuationen entstehen, wenn die eigenen Dopamin-produzierenden Zellen mit voranschreitender Erkrankung zunehmend schwinden und damit deren «Pufferkapazität» nachlässt. Plötzlich wird das An- und Abfluten der Tabletten, die selbst nur eine begrenzte Wirkdauer haben, spürbar: Ist das Dopamin aufgebraucht, kommt es zur Unterbeweglichkeit oder vermehrtem Zittern. Gelangt einmal zu viel Dopamin ins Gehirn, treten Überbewegungen auf. Wir sprechen hier von einem enger werdenden «therapeutischen Fenster». Hinzu kommt eine zunehmende Trägheit des Magens, denn häufig ist auch er von der Parkinson-Erkrankung betroffen. Dies führt dazu, dass Patienten die Medikamente zwar schön regelmässig einnehmen – diese dann aber teilweise lange im Magen verbleiben, bevor sie in den Dünndarm kommen, dort in den Blutkreislauf aufgenommen werden und in das Gehirn gelangen. Auch eine eiweisshaltige Ernährung und eine Veränderung der Darmstruktur kann die Aufnahme ins Blut negativ beeinflussen.
All dies macht die medikamentöse Behandlung zunehmend schwierig und unzuverlässig. Diese Wirkfluktuationen führen oft zu einer erheblichen Verschlechterung der Lebensqualität. Patientinnen und Patienten können den Tag nicht mehr gut planen, da sie nie wissen, ob und wann sie gut, unter- oder überbeweglich sein werden. Patientinnen und Patienten mit starkem Zittern können feinmotorische Aufgaben nicht mehr gut erledigen und ziehen sich unter Umständen aufgrund des Zitterns vermehrt zurück. In diesem Fall muss die Therapie angepasst werden, um einen möglichst stabil-guten motorischen Zustand zu erhalten. Medikamentös wird hier üblicherweise versucht, mehr Stabilität zu erreichen durch häufigere Tabletteneinnahmen (und damit kürzeren Intervallen dazwischen) oder durch Kombination von verschiedenen Präparaten.
Ausserdem bietet das Universitätsspital die Teilnahme an klinischen Studien an, welche die Symptome oder den Langzeitverlauf der Erkrankung günstig beeinflussen sollen. Interessierte können sich unter schlafforschung@usz.ch weitergehend erkundigen.