Nach einer Nierentransplantation sind Patienten und Patientinnen zeitlebens auf Medikamente angewiesen, damit ihre Körper das fremde Organ nicht abstossen. Ihr Immunsystem wird dadurch geschwächt. Ein neues Verfahren könnte dies ändern. Als erste Klinik Europas hat das Universitätsspital Zürich einer Patientin nicht nur die Niere ihres Bruders, sondern auch Teile von dessen Immunsystem eingepflanzt. Nun lebt die Frau seit mehr als einem Jahr gänzlich ohne immunsuppressive Medikamente.
Wenn die Nieren nicht mehr funktionieren und damit die Giftstoffe nicht mehr aus dem Blut gefiltert werden, bleibt jeweils nur der Gang zur Dialyse oder schliesslich die Nierentransplantation. Damit das fremde Organ vom Körper akzeptiert wird, muss beim Patienten aber die körpereigene Abwehr in Form von immunsuppressiven Medikamenten stark unterdrückt werden.
Dies hat zur Folge, dass immunsupprimierte Patienten und Patientinnen deutlich anfälliger auf Infektionen aller Art sind, was ihre Lebensqualität generell einschränkt. Besonders gravierend ist, dass fast jeder zweite Empfänger eines fremden Organs während seines Lebens an Krebs erkrankt. „Die vielen Infektionen und Krebserkrankungen unter den Organempfängern sind gewissermassen der Preis für den Fortschritt in der Transplantationsmedizin“, sagt Thomas Fehr, Chefarzt der Inneren Medizin am Kantonsspital Graubünden und Konsiliararzt am Universitätsspital Zürich.
Ein ganz neuer, in den USA entwickelter Ansatz geht dieses Problem an der Wurzel an: Den Patienten und Patientinnen wird nicht nur das fremde Organ, sondern zugleich ein Stück des Immunsystem des Spenders oder der Spenderin in Form von Knochenmark-Stammzellen eingepflanzt. Die anfängliche Belastung der Therapie ist aufgrund der doppelten Transplantation natürlich grösser. Für den Empfänger oder die Empfängerin lohnt sich die Zusatzbelastung aber, denn die Medikamente können rasch reduziert und schliesslich möglicherweise ganz abgesetzt werden.
Das Universitätsspital Zürich hat dieses Verfahren vor Kurzem als erste Klinik Europas erfolgreich angewandt. Zwei Patientinnen wurden im Rahmen einer klinischen Studie, die auf den Ergebnissen aus den USA aufbaut, transplantiert. Die erste Patientin lebt seit mehr als einem Jahr ganz ohne immunsuppressive Medikamente. Bei der zweiten Patientin ist die Transplantation weniger lange her; sie benötigt nur noch ein einziges Medikament.
Die Wirkung des neuen Verfahrens war zuvor in einer breit angelegten Studie der Universität Stanford in unterschiedlichen Konstellationen untersucht worden. Die besten Resultate wurden erzielt, wenn der Spender oder die Spenderin von Niere und Stammzellen ein Geschwister war. In dieser Gruppe konnte bei 16 von 22 Patienten und Patientinnen die Immunsuppression vollständig aufgehoben werden. Bis die neue Methode eine Option für jeden wird, der ein Organ benötigt, ist jedoch noch viel weitere Forschung notwendig. Denn zurzeit braucht es nicht nur ein Geschwister, das bereit ist zu spenden, sondern auch dessen immunologische Übereinstimmung – was nur in rund jedem vierten Fall zutrifft. Aus diesem Grund wird die klinische Studie am Universitätsspital Zürich weitergeführt mit dem Ziel, das neue Verfahren für eine grössere Anzahl Patienten und Patientinnen anwendbar zu machen.