Das menschliche Gehirn wächst schnell und differenziert sich zum Ende der Schwangerschaft und während der ersten drei Lebensjahre weiter aus. Dabei entwickelt es sich von einem relativ undifferenzierten und pluripotenten Organ zu einem hochgradig spezifizierten und organisierten. Das Ergebnis dieser Entwicklungsreifung hängt stark von einer Reihe von Umwelteinflüssen ab, einschließlich der Ernährung, welche die endgültige Plastizität des erwachsenen Gehirns stark beeinflusst.
Eine wachsende Zahl von Forschungsergebnissen zeigt, dass verschiedene Nährstoffe das Gehirn formen und auch die Funktionen des Gehirns für das spätere Leben nachhaltig beeinflussen. In unserer Forschung untersuchen wir die Rolle, die verschiedene Nährstoffe der Muttermilch während der Entwicklung des Gehirns spielen. Dabei fokussieren wir uns ,auf den Myelinisierungsprozess und die späteren Auswirkungen dieses Prozesses auf Verhalten und Kognition.
Muttermilch enthält eine einzigartige Zusammensetzung bioaktiver Komponenten und gilt allgemein als Goldstandard für die Säuglingsernährung. Die laufende Forschung auf dem Gebiet der pädiatrischen Ernährung zielt darauf ab, Komponenten der Muttermilch zu identifizieren, die dem Neugeborenen physiologische Vorteile verleihen und Milchersatzprodukten (Formulamilch) hinzugefügt werden können.
Zu den Nahrungsbestandteilen, die sich derzeit in der Konzentration zwischen Muttermilch und Milchersatzprodukten unterscheiden, gehören Oligosaccharide.
In unserer Forschung untersuchen wir die Wirkung von Sialinsäure auf die Neuroentwicklung, insbesondere auf die Myelin- und Synapsenbildung sowie die neurale Übertragung. Unser Ziel ist es außerdem, die klinisch relevante Dosis zu identifizieren, bei der sialinsäurehaltige Milch die neurologische Entwicklung unterstützen könnte.
In den ersten Lebensjahren wird die kindliche Entwicklung besonders von Ernährung, Erziehung und Familiendynamiken beeinflusst. Langfristige Effekte frühkindlicher Ernährung oder eines warmen und feinfühligen Erziehungsverhalten konnten teilweise bis ins Jugendalter nachgewiesen werden. Allerdings sind die Entwicklungsverläufe eher unbekannt und das Zusammenspiel von Ernährung und Erziehungsverhalten ist bislang kaum untersucht worden. Insbesondere ist nur wenig über zeitliche Dynamiken bekannt: Sind beispielsweise Säuglinge besser gelaunt oder leichter zu beruhigen, wenn Sie an dem Tag mehr oder häufiger etwas gegessen haben? Welche Nährstoffe wären dabei besonders wichtig? Ausserdem gibt es nur wenig Forschung zur Rolle von Vätern für die frühkindliche Ernährung und Entwicklung.
Das Forschungsprojekt LEARN untersucht in einer prospektiven Geburtskohortenstudie die kindliche Entwicklung, Ernährung sowie mütterliches und väterliches Erziehungsverhalten zu unterschiedlichen Zeitpunkten (3, 6, 12, 24 Monate). Diese Zeitpunkte werden durch 13-tägige Abendbefragungen und einer kontinuierlichen Dokumentation der kindlichen Entwicklung in einer App unterstützt. Auf diese Weise werden mehrere Zeitskalen (Tage, Monate, Jahre) berücksichtigt, um unterschiedliche Entwicklungsverläufe zu beschreiben.
Das EveryPrem-Projekt evaluiert das neue, internationale Instrument «INTER-NDA». Mit «INTER-NDA» soll der Stand der Neuroentwicklung von 2-jährigen Kindern bestimmt werden, die vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren wurden. Um die Güte von «INTER-NDA» zu überprüfen, sollen die Ergebnisse mit aktuellen Entwicklungstests verglichen werden. Ziel der Studie ist es, die Wirksamkeit, den mittelfristigen Patientennutzen und die Gesundheitskosten dieses neuen neurologischen Entwicklungstests für alle Kinder im Alter von 2 Jahren zu bewerten, die zwischen 2019-2021 mit weniger als 37 Schwangerschaftswochen am Universitätsspital Zürich geboren wurden.
Diese Studie adressiert einen wichtigen ungedeckten Bedarf für Kinder, die zwischen 32 und 37 Wochen geboren wurden, die derzeit im Alter von 2 Jahren keinerlei neurologische Nachsorge erhalten, aber auch das Risiko einer gestörten neurologischen Entwicklung als Folge einer Frühgeburt aufweisen.
Projekthomepage an der Universität Oxford