Wundpflege und Verbandmaterial
Hydroaktive Wundprodukte
Die modernen Verbände erlauben heute eine massgeschneiderte Wundbehandlung. Viele Produkte sind darauf ausgelegt, in der Wunde ein feuchtes Klima aufrechtzuerhalten. Dies ist Voraussetzung dafür, dass
sich die Hautzellen teilen können und dadurch die Wunde aufgefüllt und gedeckt wird. Einige Produkte haben auch eine desinfizierende Wirkung, um Bakterienwachstum zu reduzieren. Andere Verbände fördern die spontane Ablösung von Belägen und von totem Gewebe. Viele sind so beschichtet, dass sie nicht mit der Wunde verkleben. Einige sind nach aussen hin dicht, sodass man damit problemlos duschen kann.
Unterdrucktherapie
Besonders grosse oder tiefe Wunden können zu Beginn auch mit einem Vakuumverband behandelt werden: Die Wundtherapeuten polstern die Wunde mit einem Schaumstoff oder einer Kompresse aus, kleben darüber eine luftdichte Plastikfolie und erzeugen dann mit einer Saugpumpe im Bereich der Wunde einen Unterdruck. Dadurch werden Schadstoffe im Wundsekret kontinuierlich abgesaugt, und die Wunde wird dazu stimuliert, ein kräftiges Granulationsgewebe zu entwickeln. Dies ist wiederum die Voraussetzung für eine langsame, spontane Abheilung vom Rand her oder für eine beschleunigte Heilung durch eine Hautverpflanzung.
Hautverpflanzung
Wenn die natürliche Wundheilung gar keine Fortschritte macht, kann eine Hautverpflanzung die Heilung in einem einzigen Schritt zustande bringen. Hierfür muss das Wundbett gut vorbereitet werden (siehe auch Unterdrucktherapie). Danach entnimmt man am Oberschenkel unter örtlicher Betäubung ein sehr dünnes Hauttransplantat und verpflanzt es auf die Wunde am Unterschenkel. Die transplantierte Haut heilt innert fünf bis zehn Tagen vollständig ein. Die Entnahmestelle am Oberschenkel gleicht einer Schürfwunde, die innerhalb von zwei bis drei Wochen gänzlich heilt. Manche Personen haben Angst vor möglichen Schmerzen bei der Hautverpflanzung. Diese Angst ist verständlich, aber unnötig. Im Gegenteil: Die Wunde am Unterschenkel schmerzt nach der Hauttransplantation viel weniger. Die Entnahmestelle am Oberschenkel kann einige Tage leicht brennen und erholt sich danach rasch. Solange eine gute Wundvorbereitung gewährleistet wird, liegt die Erfolgsrate einer Hautverpflanzung bei 80–90%. Sobald die transplantierte Haut am Unterschenkel eingeheilt ist, muss das Resultat mit einer optimalen Pflege weiter stabilisiert und schliesslich auch langfristig erhalten werden.
Hautäquivalente
Für schwer zu heilende Wunden wurden mehrere biologische Produkte entwickelt. Unter anderem gibt es Produkte aus menschlichen Hautzellen, die die Wundheilung besonders wirksam unterstützen. Diese Produkte sind kostspielig und benötigen gute Fachkenntnisse über ihre Anwendung. Viele westeuropäische Länder – auch die Schweiz – bilden daher in speziellen Weiterbildungskursen Fachexperten für Wundheilung aus.
Kompressionstherapie
Eine kontinuierliche Kompressionsbehandlung mit elastischen Binden oder mit Kompressionsstrümpfen ermöglicht erst die Abheilung des venösen Ulcus cruris. Die Heilungsrate für mittelgrosse Wunden mit einem Durchmesser von 1–5 cm beträgt nach drei Monaten 50–70% und nach sechs Monaten 80–85%. Die Kompressionsbehandlung der Beine mit elastischen Binden oder Strümpfen ist eine der wichtigsten Massnahmen in der Behandlung des Ulcus cruris und in der Vorbeugung gegen Rückfälle. Leider wird sie nicht immer richtig verordnet und durchgeführt. Vor allem Personen mit einem venösen Ulcus cruris, aber auch Patientinnen und Patienten mit einem gemischten venös-arteriellen Ulcus cruris profitieren von der Kompressionsbehandlung.
Kompressionsverband
Zu Beginn wird das geschwollene (ödematöse) Bein mit elastischen Binden gewickelt, bis sich der Beinumfang innerhalb einiger Tage normalisiert.
Vor der Bandagierung wird zunächst die Wunde gesäubert und mit einer geeigneten Wundauflage abgedeckt.
Die Haut in der Wundumgebung muss optimal gepflegt und feucht gehalten werden. Der Kompressionsverband ist leicht gepolstert und aus mehreren Schichten aufgebaut. Die nötige Festigkeit wird so in Ruhe und beim Gehen gewährleistet, und ein Lockern oder Abrutschen wird verhindert. Es braucht Übung und Erfahrung, um einen Kompressionsverband fachgerecht anzulegen.
Kompressionsstrumpf
Kompressionsstrümpfe kommen zum Einsatz, wenn das Bein nicht mehr geschwollen ist und wenn das Ulcus cruris nicht zu stark nässt. Bei Patientinnen und Patienten mit einem venösen Ulcus cruris oder mit einem gemischten venös-arteriellen Ulcus cruris kommen spezielle Ulcus-Kompressionsstrümpfe zum Einsatz, bestehend aus einem etwas schwächeren Unterstrumpf und einem starken Oberstrumpf. Die Patientinnen und Patienten können den Unterstrumpf Tag und Nacht anbehalten. Den Oberstrumpf ziehen sie hingegen am Morgen beim Aufstehen an und abends zum Schlafen wieder aus. Es ist nicht nötig, bis zum Oberschenkel zu komprimieren. Zur Behandlung eines offenen Beines genügen Kompressionsstrümpfe, die bis unterhalb des Knies reichen. Oberschenkelstrümpfe sind meistens nicht nötig. Es gibt unterschiedliche Kompressionsstärken, wobei Personen mit einem Ulcus cruris eine Klasse II oder III tragen sollten. Das betroffene Bein sollte entweder bei der Ärztin oder beim Arzt, im Orthopädiefachgeschäft oder in der Apotheke am Morgen früh vermessen werden, damit ein gut sitzender Kompressionsstrumpf bestellt werden kann. Beine mit einer ungewöhnlichen Form benötigen einen Kompressionsstrumpf nach Mass. Es lohnt sich, das An- und Ausziehen des Strumpfes im Fachgeschäft einzuüben. Jede Packung mit einem Paar Kompressionsstrümpfen enthält eine Gleitsocke als Anziehhilfe. Ungefähr 40% aller Patientinnen und Patienten haben jedoch Mühe mit dem An- und Ausziehen des Kompressionsstrumpfs. Für diese häufig vorkommende Situation steht ein ganzes Sortiment unterschiedlicher Anziehhilfen zur Verfügung (siehe unten).
Anziehhilfen
Kompressionsstrümpfe sind oft nicht einfach anzuziehen. Die Industrie hat deshalb in den letzten Jahren unterschiedliche Hilfsmittel entwickelt, die das An- und Ausziehen deutlich erleichtern. Am häufigsten werden Gleitsocken verwendet, über die der Kompressionsstrumpf einfacher angezogen werden kann. Die Gleitsocken können mit einer rutschfesten Bodenmatte kombiniert werden. Grundsätzlich verbessern Gummihandschuhe die Griffigkeit beim An- und Ausziehen. Betroffene, welche sich nicht gut bücken können, können den Strumpf über ein Metallgestell aufspannen, um dann in den Strumpf hineinzusteigen. Neu ist auch eine Rollmanschette erhältlich, mit die sich der Strumpf ohne Kraftaufwand auf das Bein abrollen lässt. Diese Manöver wollen eingeübt sein.
Vermeidung von Rückfällen
Schon nach einem Jahr hat rund ein Drittel der Betroffenen wieder eine neue Wunde – einen Rückfall. Besonders gefährdet sind Patientinnen und Patienten mit einem abgeheilten venösen oder einem abgeheilten gemischten venös-arteriellen Ulcus cruris. Die wichtigste Gegenmassnahme, um einen Rückfall zu vermeiden, ist das konsequente Tragen eines Kompressionsstrumpfs während des Tages.
Wenn Sie nicht in der Lage sind, den Strumpf selber anzuziehen und/oder einen ganzen Tag zu tragen, müssen Sie überprüfen, ob der Strumpf angepasst oder durch ein anderes Produkt ersetzt werden soll. Es ist sehr wichtig, dass Sie in dieser Situation nicht lockerlassen, bis Sie mit einem passenden Produkt versorgt sind. Bei Personen mit einer besonders dünnen Haut empfiehlt es sich, die Beinkanten (Schienbein), die oft angeschlagen werden, mit Schaumgummi zu schützen. Wenn Druckpunkte im Schuhwerk die Ursache für die Wundentstehung sind, muss durch die Anpassung von orthopädischem Schuhwerk eine Druckentlastung angestrebt werden. Zusätzlich ist eine konsequente Hautpflege ein wichtiger Eckpfeiler in der Prävention von neuen Wunden. Hautpflegeprodukte mit einem kleinen Anteil an Harnstoff und/oder Milchsäure sind für die Rückfettung und Befeuchtung der obersten Hautschichten besonders geeignet. Die Behandlung von chronischen Ekzemen kann den kurzfristigen Einsatz kortisonhaltiger Hautsalben notwendig machen. Diese ersetzt aber nie eine gute Basistherapie mit regelmässiger Hautpflege. Ihre Hausarztpraxis, das nächstgelegene Wundambulatorium an Ihrem Wohnort, Ihre Quartier-Spitex und auch wir, die Dermatologische Klinik des Universitätsspitals Zürich, beraten Sie gerne.