Die Forschung in diesem Gebiet zielt darauf ab zu untersuchen, ob Narkosegase eine Schutzwirkung haben, dies einerseits bei ausgedehnten Eingriffen, andererseits bei Tumorchirurgie.
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass volatile Anästhetika, z.B. Sevofluran, Isofluran oder Desfluran Organe wie Lunge, Leber, Herz und auch das Gehirn wirksam vor Gewebeschäden schützen, die durch ischämische Reperfusion verursacht werden. Die meisten der bisher durchgeführten Studien setzten den Fokus auf die Analyse von Entzündungsmediatoren sowie von Gewebemarkern. Hingegen sind bisher kaum ausreichende Informationen über die klinische Relevanz oder die Umsetzung dieser schützenden Effekte auf klinische Resultate vorhanden.
Um den Gewebeschutz durch volatile Anästhetika zu untermauern, haben wir eine gross angelegt, randomisierte kontrollierte Multizenter Studie durchgeführt. 460 Patienten und Patientinnen mit einem Lungeneingriff mit intraoperativer Ein-Lungen-Beatmung wurden in die Studie eingeschlossen. Das Vorgehen der Ein-Lungen-Beatmung, das die zu operierende Lunge zur Verbesserung der chirurgischen Situation ruhigstellt, bringt gleichzeitig jedoch eine Situation von Hypoxie-Reoxygenierung bzw einer Ischämie-Reperfusion mit sich.
Die Patienten und Patientinnen wurden zufällig einer bestimmten Anästhesiegruppe zugeteilt und entsprechend entweder mit dem volatilen Anästhetikum Desfluran oder dem intravenös verabreichten Anästhetikum Propofol narkotisiert. Die wichtigsten postoperativen Komplikationen (Wiedereingriff mit oder ohne Anästhesie, Ein- oder Mehr-Organ-Versagen sowie die Mortalität) wurden als primärer Endpunkt definiert und gemessen. Dieselben Endpunkte wurden nochmals 6 Monate nach Eingriff evaluiert (sekundäre Endpunkte). Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital St. Gallen und dem Kantonsspital Münsterlingen sowie dem Universitätsspital Basel und dem Universitätsspital Bern durchgeführt.
Das Ergebnis dieser klinischen Studie ist von grosser Wichtigkeit und wird uns in Zukunft vielleicht erlauben, bei thoraxchirurgischen Eingriffen mit Ein-Lungen-Beatmung die „beste Wahl“ der Anästhesiemethode zu bestimmen (Prozess der Veröffentlichung laufend).
Beck-Schimmer B, Bonvini J, Braun J, Seeberger M, Neff TA, Risch TJ, Stüber F, Vogt A, Weder W, Schneiter D, Filipovic M, Puhan M
Which anesthesia regimen is best to reduce morbidity and mortality in lung surgery?
Anesthesiology, 2016; 125(2):313-21
Der Mechanismus der Metastasenbildung ist ein komplexer Prozess, in welchem das Immunsystem eine signifikante Rolle spielt. Perioperativer Stress verursacht insbesondere bei Krebspatienten und -patientinnen eine Immunsuppression, und viele Studien zeigen zudem, dass Anästhetika die Immunantwort – und somit möglicherweise auch die Tumorausbreitung – direkt beeinflussen können. Jedoch fehlte bisher ein stabiler ‚Surrogatemarker’, der den Einfluss der Anästhesie auf die Tumorausbreitung aufdeckt. Die Haupthypothese dieser Studie begründet sich darauf, dass der Nachweis von zirkulierenden Tumorzellen (circulating tumour cells, CTC) beim Mammakarzinom zu diesem Zweck eingesetzt werden kann.
In dieser prospektiven randomisierten kontrollierten Studie wird der Einfluss inhalativer- (Sevofluran) versus intravenöser (Propofol) -Narkose auf die CTC beim Mammakarzinom als primärer Endpunkt definiert. Andere Indikatoren, die in der metastatischen Kaskade möglicherweise eine zentrale Rolle spielen wie die Anzahl und Aktivität von Immunzellen oder die Tumorausbreitung in den Achsellymphknoten, werden als sekundäre Endpunkte berücksichtigt.
Mit dieser randomisierten kontrollierten Studie wird untersucht, ob die Anästhetika Desfluran (volatiles Anästhetikum) sowie Propofol (intravenöses Anästhetikum) bei Patienten und Patientinnen nach Resektion eines Adenokarzinoms des Pankreas einen Einfluss auf die Anzahl zirkulierender Tumorzellen (CTC) in der postoperativen Phase haben (primärer Endpunkt). Während die Studie beim Mammakarzinom ausschliesslich auf die unmittelbare postoperative Phase fokussiert, wird die Anzahl zirkulierender Tumorzellen bei diesem Studiendesign bis zu einem Jahr verfolgt und insbesondere auch mit dem Tumorverlauf verglichen (sekundäre Endpunkte).
Die Blut-Hirn-Schranke ist von vitaler Bedeutung für die Homöostase des Gehirns. Sie setzt sich zusammen aus Endothelzellen, Astrozyten und Perizyten. Die Funktion der Blut-Hirn-Schranke kann durch unterschiedliche Mechanismen gestört sein, so durch eine Blutung nach Ruptur eines Aneurysmas, Ischämie, Trauma oder durch eine schwere Infektion. In diesem Projekt untersuchen wir den Einfluss von Sevofluran auf die Blut-Hirn-Schranke nach Subarachnoidalblutung im Zellmodell sowie in vivo. Wir vermuten, dass Sevofluran einen protektiven Effekt auf die Funktion und Struktur der Blut-Hirn-Schranke haben könnte. Ein spezieller Fokus dieser aktuellen in vivo Studie ist dabei der Sicherheitsaspekt. Bis anhin hat man klinisch volatile Anästhetika bei akuter Läsion von Gehirngewebe äusserst restriktiv eingesetzt, da der Hirndruck durch die Anästhetika steigen könnte und demzufolge der Schaden erhöht würde. Dies soll daher ebenso im Rahmen dieses Projektes untersucht werden.
Seit einigen Jahren werden volatile Anästhetika auch für die Sedation von Patienten und Patientinnen auf Intensivstation eingesetzt. In klinischen Studien konnte ein Benefit des kurzfristigen Einsatzes volatiler Anästhetika in Bezug auf Entzündungsprozesse im Lungengewebe gezeigt werden. Inwieweit diese Effekte auch auf die Langzeitanwendung bei schweren Entzündungszuständen im Rahmen einer Sedation übertragbar sind, ist bis dato nicht bekannt.
In einem in vitro und in vivo Modell untersuchen wir daher den möglichen protektiven Effekt einer Langzeitsedation mit Sevofluran im akuten Lungenschaden (acute lung injury, ALI; acute respiratory distress syndrome, ARDS). Im in vitro Modell sollen erste Erkenntnisse zum Verlauf und möglicher grundlegender Mechanismen detektiert werden. Diese sollen im Anschluss auf die in vivo Situation übertragen werden. Hauptaspekte hierbei sind pulmonale Entzündungsmediatoren, zelluläre Veränderungen sowie klinisch relevante Parameter wie Oxygenierung. Die Resultate sollen Grundlage für eine geplante klinische Studie bieten.
Kellner P, Müller M, Piegeler T, Eugster P, Booy C, Schläpfer M, Beck-Schimmer B
Sevoflurane abolishes oxygenation impairment in a long-term rat model of acute lung injury
Anesth Analg, 2017; 124(1):194-203
Schwerwiegende Erkrankungen der Koronargefässe und daraus resultierende Herzinfarkte sind in den industrialisierten Ländern zu einer der häufigsten Todesursachen geworden und belasten das Gesundheitssystem zunehmend. Um beim akuten Koronarsyndrom die erneute Durchblutung – also die Reperfusion von Myokard zu gewährleisten, gibt es verschiedene Möglichkeiten, dies therapeutisch zu erreichen. Mit der Reperfusion des betroffenen Areals kommt es in diesem Zusammenhang jedoch immer zu einem Entzündungsprozess mit myokardialem Schaden.
In den letzten Jahren konnten verschiedene Studien zeigen, dass der Gebrauch von volatilen Anästhetika protektive Effekte aufweist, insbesondere bei grossen Eingriffen in der Herzchirurgie. Im Rahmen dieser Studie beschäftigen wir uns mit dem myokardialen Ischämie-Reperfusions-Schaden und den möglichen kardioprotektiven Eigenschaften von Hexafluoroisopropanol (HFIP), einem Metaboliten von Sevofluran. Im in vivo Modell induzieren wir eine Stenose einer Koronararterie, welche nach einer definierten Zeit wieder reperfundiert wird. Ziel ist es zu evaluieren, ob es durch die Gabe von HFIP zu einem geringeren Gewebeschaden kommt.
Seit einigen Jahren beschäftigen wir uns damit zu evaluieren, ob nicht nur volatile Anästhetika protektiv sind, deren Anwendung ausschliesslich auf ein entsprechendes Umfeld wie Operationseinheit oder Intensivstation beschränkt ist, oder ob deren wasserlösliche Metaboliten wie Hexafluoroisopropanol (HFIP) ohne anästhetischen Effekt gleichsam wirksam sind. Die Anwendung von HFIP hätte somit den Vorteil, dass die anästhetische Wirkung wegfällt und zudem die Substanz intravenös appliziert würde.
In mehreren Arbeiten konnten wir zeigen, dass HFIP schwere systemische Entzündungszustände positiv beeinflusst. Im akuten sowie chronischen Sepsis Modell beispielsweise wurden Entzündungsprozesse – systemisch und in den einzelnen Organen – über HFIP gedämmt. Zudem steigert HFIP die Überlebensrate im in vivo Sepsis Modell von 20% auf 80%. In weiteren Versuchen wird nun evaluiert, welche Bedingungen für den Einsatz von HFIP beim Sepsis Patienten und Patientinnen erfüllt sein müssten, bzw wie eine erste Phase I Studie gestaltet werden könnte.
Urner M, Schläpfer M, Herrmann IK, Hasler M, Schimmer RR, Booy C, Roth Z’graggen B, Rehrauer H, Aigner F, Minshall RD, Stark WJ, Beck-Schimmer B
Insight into the beneficial immunomodulatory mechanism of the sevoflurane metabolite hexafluoro-2-propanol in a rat model of endotoxaemia
Clin Exp Immunol, 2015; 181(3):468-79c
Herrmann IK, Castellon M, Schwartz DE, Hasler M, Urner M, Hu G, Minshall RD, Beck-Schimmer B
Intravenous application of a primary sevoflurane metabolite improves outcome in murine septic peritonitis: first results
PLoS One, 2013; 8(8):e72057
Verschiedene Projekte in der Höhenforschung, in der die Höhen-bedingte Verringerung des Sauerstoffpartialdrucks (hypobare Hypoxie) zu einer Hypoxämie führt, konnten zeigen, dass die Durchblutung des Gehirns und die zerebrale Leistungsfähigkeit durch den Zusatz von CO2 verbessert wird. Ebenso wurden im Rahmen einer Simulation Pilotdaten bei Jetpiloten erhoben, die zeigen, dass im Falle einer Hypoxie die zerebrale Funktion nach vorgängiger Sauerstoffatmung unter Beimischung von 5% CO2 deutlich länger erhalten bleibt im Vergleich zu einem hypoxischen Gasgemisch ohne CO2. Darauf baut sich die aktuelle Hypothese auf, nämlich dass ein Zusatz von 5% CO2 auch unter normobaren Bedingungen protektiv sein kann und damit die Zeit verlängert, bis es zu einer signifikanten zerebralen Hypoxie kommt, gemessen über Nah-Infrarot Spektroskopie (NIRS). Falls diese Hypothese korrekt ist, könnte dieser Ansatz für Situationen ausgenutzt werden, in denen Individuen einer erhöhten Gefahr der zerebralen Hypoxie ausgesetzt sind.
In einem Cross-over Design wird diese Studie bei bariatrischen Patientinnen und Patienten durchgeführt, in Kollaboration mit der Schweizerischen Luftwaffe sowie Prof. Dr. med. Marco Bueter, Departement Viszeral- und Transplantationschirurgie, USZ. Diese Patienten und Patientinnen, die sich einer Magenoperation unterziehen und daher auch anästhesiert werden, haben ein vermindertes Lungenvolumen bezüglich funktionelle Residualkapazität, was mit einer geringeren Sauerstoffreserve einhergeht. Bei dieser Studie wird getestet, ob über eine kurzfristige Gabe von 5% CO2 dieser verminderten Reserve entgegengewirkt werden kann.
The volatile anaesthetic sevoflurane compared to propofol attenuates systemic inflammation, but does not modulate neuroinflammation in an experimental rat LPS model
Beck-Schimmer B*, Baumann L*, Restin T, Eugster P, Hasler M, Boyy C., Schläpfer M * shared first authorship
Eur J Anaesth, 2017; 34;764-75
Economic evaluation of pharmacological pre- and post-conditioning with sevoflurane compared to toal intravenous anesthesia in livers surgery: a cost analysis
Eichler K, Urner M, Twerenbold C, Kern S, Brügger U, Spahn DR, Beck-Schimmer B, Ganter MT
Economic evaluation of pharmacological pre- and post-conditioning with sevoflurane compared to toal intravenous anesthesia in livers surgery: a cost analysis
Anesth Analg, 2017; 124:925-33
Hypoxia of the growing liver accelerates regeneration
Schadde E, Tsatsaris C, Swiderska-Syn M, Breitenstein S, Urner M, Schimmer R,
Booy C, Roth Z’graggen B, Wenger RH, Spahn DR, Hertl M, Knechtle S, Diehl AM, Schläpfer M*, Beck-Schimmer B* * shared last authorship
Surgery, 2017; 162:666-79
Sevoflurane abolishes oxygenation impairment in a long-term rat model of acute lung injury
Kellner P, Müller M, Piegeler T, Eugster P, Booy C, Schläpfer M*, Beck-Schimmer B* * shared senior authorship
Anesth Analg, 2017; 124(1):194-203