Kinder mit Lymphödemen wurden bis anhin konservativ behandelt: mittels Kompression und Lymphdrainage. Prof. Nicole Lindenblatt und ihr Team haben das erste Mal in der Schweiz ein Kind operativ behandelt. Mit Erfolg.
Lymphödeme sind sicht- und tastbare Flüssigkeitsansammlungen im Zwischenzellraum. Sie entstehen, wenn das Lymphgefässsystem die Lymphe nicht ausreichend abtransportieren kann. In der Folge entstehen stetig zunehmende Schwellungen. Die klassische Therapie, eine Kompressionsbehandlung bzw. Lymphdrainage, fördert zwar den Abfluss der Lymphe, kann aber die Ursache nicht beheben. Hier setzt die gezielte Transplantation von Lymphknoten an. 2015 wurde am USZ der erste Lymphknotentransfer bei einem Erwachsenen in der Schweiz durchgeführt. Bei Kindern ist diese Operation bis jetzt nicht etabliert.
Ein Novum bei Kindern
Nicole Lindenblatt, leitende plastische Chirurgin und stellvertretende Direktorin der Klinik für plastische und Handchirurgie am USZ, ist spezialisiert auf mikrochirurgische Operationen. «Als wir vom erstbehandelnden Spital angefragt wurden, das Lymphödem des Kindes zu behandeln, haben wir dies am Vascular Anomalies Board besprochen, das vom Zentrum Kinderhaut des Universitäts-Kinderspitals Zürich organisiert wird. Daraufhin haben wir entschieden, die Operation gemeinsam am USZ durchzuführen», erzählt sie. Die Spezialisten waren sich einig, dass der Fall schwerwiegend genug ist, um die operative Behandlung zu wagen. «Die üblichen Behandlungen mittels Kompression oder Lymphdrainage sind für Kinder besonders unangenehm», sagt Dr. Isabelle Luchsinger, Leiterin der Spezialsprechstunde Lymphödeme und Oberärztin für Dermatologie am Kinderspital Zürich.
Lymphknoten minimalinvasiv transferiert
Der Eingriff dauerte insgesamt fünfeinhalb Stunden. Zunächst haben Prof. Christian Gutschow, Viszeralchirurg am USZ, und Prof. Ueli Möhrlen, Viszeral- und Thoraxchirurg am Kinderspital Zürich, ein Lymphknotenpaket laparoskopisch aus dem Bauchraum gelöst. Dieser Teil der Operation war beim Kind erheblich komplexer als bei einer erwachsenen Person. Im Anschluss wurde das entnommene Lymphknotenpaket durch Nicole Lindenblatt unter dem Mikroskop an die Gefässe in der Leiste des erkrankten Beins angeschlossen. Die Gefässe sind zwischen einem und zwei Millimeter dick. «Wir haben minimalinvasiv operiert», so Christian Gutschow. Das bedeutet für die Betroffenen weniger Schmerzen und kosmetisch bessere Resultate. «Eine besondere Herausforderung war, dass das Kind einen inkompletten situs inversus hat», sagt Nicole Lindenblatt. Das bedeutet, dass die Organe im Bauch seitenverkehrt angeordnet sind. Auch mikrochirurgisch war die Operation anspruchsvoll, weil alle Gefässe noch kleiner sind als bei Erwachsenen: Die Arterie misst z.B. nur gerade 1.5 bis 2 Millimeter.
Diagnose und Nachbehandlung am Kinderspital Zürich
Nach der Operation wurde das Kind im Kinderspital Zürich weiterbehandelt. Nach wenigen Tagen Spitalaufenthalt konnte es nach Hause entlassen werden. «Bei der ersten Nachkontrolle nach knapp zwei Wochen berichtete das Kind, dass am betroffenen Bein die Hosen schon zu weit sind», so Isabelle Luchsinger. Auch Nicole Lindenblatt konnte schon einen Effekt feststellen. Das Bein ist bereits messbar schlanker geworden, die Flüssigkeit im Bein hat um 370ml abgenommen, was darauf hindeutet, dass die neuen Lymphknoten wahrscheinlich schon Flüssigkeit aus dem Gewebe abtransportieren. Ob alles optimal verlaufen ist, wird sich allerdings erst nach einigen Monaten zeigen. «Es dauert eine Weile, bis sich neue Lymphgefässe gebildet haben», erklärt Nicole Lindenblatt. Das Team schaut sich in der Zwischenzeit weitere Kinder an, die für diese Operation in Frage kommen.