Unfruchtbarkeit ist ein komplexes Thema, das trotz technologischer Fortschritte von Tabus umgeben ist. Die Erfolgsrate bei Behandlungen stagniert, während die Patientinnen immer älter werden und damit die Erfolgsaussichten sinken. Prof. Dr. (I) Tommaso Cavazza, Assistenzprofessor der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am Universitätsspital Zürich (USZ), Leiter der Grundlagenforschung Embryonalentwicklung gibt Einblicke in seine Forschung und deren Einfluss auf die Reproduktionsmedizin.
Können Sie uns einen Einblick in die Forschung geben, die Sie und Ihr Team betreiben?
Prof. Cavazza: Wir wollen die Mechanismen der frühen Embryonalentwicklung verstehen, da viele Embryonen in diesem Stadium scheitern. Ein Projekt konzentriert sich auf nukleolare Konfigurationen, die auf Embryonen mit guten Wachstumschancen hinweisen könnten. Mit modernster Mikroskopie beobachten wir die Verteilung von Nukleoli und Chromosomen, um Rückschlüsse auf die Entwicklungsfähigkeit zu ziehen. Unsere Forschung zeigt, dass bestimmte Konfigurationen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zur Bildung widerstandsfähiger Embryonen mit guten Entwicklungschancen führen. Dies könnte genauere Vorhersagetools liefern, um den Behandlungserfolg zu verbessern und Frauen unnötige Behandlungen mit erhöhtem Risiko für Fehlgeburten zu ersparen.
Wie gehen Sie mit den ethischen Herausforderungen Ihrer Forschung um?
Prof. Cavazza: Wir arbeiten mit Embryonen von Rindern, da die Forschung an menschlichen Embryonen in der Schweiz verboten ist. Wir verwenden Materialien, die ansonsten verworfen werden, und vermeiden so das Opfern von Tieren für die Forschung. Es handelt sich um einen guten Kompromiss, da die biologischen Prozesse bei Rindern den menschlichen sehr ähneln und wir gleichzeitig ethisch verantwortungsvoll vorgehen können.
Welche Möglichkeiten eröffnet Ihre Forschung für die Reproduktionsmedizin?
Prof. Cavazza: Unsere Grundlagenforschung bildet das Fundament für künftige klinische Fortschritte. Im Rahmen des „Human Reproduction Reloaded“ Programms der Universität Zürich konzentrieren wir uns auf Genome Editing und die Anwendung von CRISPR-Technologien zur Verbesserung der Embryonenauswahl. Während wir bei der Auswahl gesunder Embryonen schnell vorankommen, wird die Entwicklung von Behandlungen zur Rettung genetisch auffälliger Embryonen mehr Zeit benötigen. Derzeit testen wir diese Techniken an tierischen Embryonen, um ihr Potenzial und ihre Sicherheit zu bewerten. Ein klinischer Einsatz liegt noch in weiter Ferne.
Was ist das Besondere an der Forschungsabteilung der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie des USZ?
Prof. Cavazza: Die enge Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschung und klinischer Praxis ist bemerkenswert. In vielen Fertilitätskliniken findet die Untersuchung von embryonalen Zellen nur am Rande statt und dient ausschliesslich der praktischen Umsetzung. Hier am USZ fliessen neueste Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung direkt in die klinische Praxis ein, und umgekehrt profitieren wir in unserer Forschung von den praktischen Erfahrungen aus der Klinik.
Weitere Informationen finden Sie auf den Webseiten der Reproduktions-Endokrinologie USZ, des Cavazza Lab und des Human Reproduction Reloaded Programms der Universität Zürich.