Story

Ein Kraftakt des Frauenkörpers

Während Schwangerschaft und Geburt leisten Frauenkörper extrem viel. Wir haben uns mit der Gynäkologin Romana Brun und der Hebamme Alexandra Kohler über die Frauengesundheit in diesem Ausnahmezustand unterhalten.

Werden am USZ nur Frauen mit Risikoschwangerschaften betreut?

Romana Brun: Nein, wir betreuen alle Frauen, die bei uns gebären wollen. Viele Paare kommen nach einer absolut problemlosen Schwangerschaft zu uns, weil sie sich für einen Ort entscheiden, der ihnen Sicherheit gibt bei unvorhersehbaren medizinischen Problemen während der Geburt. Diese können wir ihnen geben: Dank dem sehr gut ausgebildeten, professionellen und interdisziplinären Hebammen und Ärztinnenteam sowie der Neonatologie, die sich räumlich sehr nah beim Gebärsaal befindet, sind wir für alle Situationen gewappnet. Andere werden uns zugewiesen wegen einer drohenden Frühgeburt oder anderen medizinischen Problemen. Natürlich haben wir auch einen beachtlichen Anteil Frauen, die auf unsere hoch spezialisierte Medizin angewiesen sind, beispielsweise, wenn Mutter oder Kind einen Herzfehler haben. Bei uns werden zudem vorgeburtliche Operationen durchgeführt, etwa beim offenen Rücken.

Alexandra Kohler: Genau, unser Angebot ist sehr breit, und viele unserer Hebammen haben Zusatzausbildungen in Akupunktur, Tapen, Aromatherapie, Stillberatung. Vor der Geburt bieten wir Geburtsvorbereitungs- und Yogakurse an. Auch Seelsorgerinnen und Psychiater sind bei uns im Haus. So können wir auch Frauen betreuen, die ihr Kind verloren haben. Ausserdem bieten wir allen Frauen, die bei uns geboren haben, ein telefonisches Nachgespräch an. Etwa die Hälfte nimmt das Angebot an und spricht gerne mit uns nochmals über den Geburtsverlauf.

Zum Angebot der Geburtshilfe

Reduziert man mit einem Kaiserschnitt die gesundheitlichen Risiken der Frau, verglichen mit einer Spontangeburt?

AK: Es kommt auf den Grund für den Kaiserschnitt an, ob er insgesamt weniger gesundheitliche Risiken für die Frau birgt oder nicht. Die ersten drei Stunden nach der Geburt bleiben die Frauen im Gebärsaal, damit wir die Gesundheit von Frau und Kind engmaschig überwachen können. Wir bieten bei der Geburt eine Eins-zu-eins-Betreuung an, was ich sehr schätze.

RB: Ein Kaiserschnitt ist eine Operation mit allen Risiken, die eine Operation hat. Allerdings muss man die Situation ganzheitlich beurteilen: Das Thromboserisiko nach einem Kaiserschnitt ist höher als bei der Spontangeburt, und es kommt eher zu Wundheilungsstörungen. Nach einer vaginalen Geburt kommt es dafür eher zu einer Organsenkung. Im Alltag sehen wir ganz unterschiedliche Kaiserschnitte: vom geplanten, unkomplizierten bis zum schwierigen mit anspruchsvoller Kindsentwicklung. Aber auch für diese Fälle sind wir gewappnet. Wir üben beispielsweise regelmässig eine bestimmte Technik, um das Kind bei einem schwierigen Kaiserschnitt herausholen zu können.

Wo liegen die grössten Risiken für Mütter während der Schwangerschaft und der Geburt?

RB: 3.3 Prozent der Mütter in der Schweiz müssen im Zusammenhang mit der Schwangerschaft oder nach der Geburt auf der Intensivstation behandelt werden. Trotz moderner Medizin können Blutungen während und nach der Geburt gefährlich werden. Auch Thrombosen in den Gefässen oder der Fruchtblase sind gefürchtete Komplikationen. Solche Ereignisse lassen sich nicht voraussagen, weil es auch Frauen ohne Risikofaktoren oder Vorerkrankungen treffen kann. Wir sind aber gut darauf vorbereitet und trainieren Notfälle regelmässig im Simulationstraining. Aber trotzdem können es für uns intensive Situationen sein.

AK: Während einer Geburt ist mir immer bewusst, dass es zu Komplikationen kommen kann. Man muss ständig auf eine maximale Notfallsituation gefasst sein. Mir hilft es zu wissen, dass wir am USZ im richtigen Setting sind und alle Spezialistinnen und Fachexperten sofort verfügbar wären.

RB: In einer aktuellen Studie untersuchen wir gerade den Einfluss des «Gerinnungsfaktors 13» auf postpartale Blutungen. Das körpereigene Enzym scheint für die Blutgerinnung nach der Geburt viel wichtiger zu sein als bisher angenommen. Sollte sich der Ansatz als erfolgreich erweisen, könnte er auch international einen neuen Standard setzen für die Behandlung der gefährlichen postpartalen Blutungen.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit am USZ ist für Mutter und Kind ein Vorteil

AK: Genau, wir haben sehr kurze Wege, und auch in der Nacht sind alle Spezialistinnen und Fachexperten im Haus. So können wir zu jeder Uhrzeit innerhalb von Minuten im Gebärsaal sein oder eine regionale Betäubung (PDA) setzen, wenn dies gewünscht wird. Wir unternehmen sehr viel, um den Frauen am USZ eine möglichst natürliche Geburt zu ermöglichen.

RB: Zum Beispiel bieten wir äussere Wendungen an, wenn das Kind falsch liegt. Bei uns kann man auch Zwillinge spontan gebären, oder wir bieten vaginale Geburten bei Beckenendlage an – wenn das Kind also mit dem Gesäss nach unten liegt –, sofern das gewünscht ist und die Vorabklärungen unauffällig waren. Am USZ kann man auch nach einem Kaiserschnitt spontan gebären, wenn keine weiteren Risikofaktoren vorliegen.

AK: Erst kürzlich hat eine Frau bei uns geboren, die ihr erstes Kind im Geburtshaus zur Welt brachte. Sie war positiv überrascht, wie familiär das Geburtserlebnis bei uns war.

Was wird vor der Geburt alles für die Gesundheit der Frauen getan?

AK: Frauen mit dem Wunsch nach einer Spontangeburt werden bei uns in der 36. Woche zu einem Vorgesprächmit der Hebamme eingeladen. Da können sie ihre Wünsche platzieren und uns mitteilen, wovor sie Angst haben, damit wir bei der Geburt möglichst darauf eingehen können.

RB: Wir können die Frauen sehr individuell beraten und uns genug Zeit für sie nehmen. Bei einem vorzeitigen Blasensprung können die Frauen die ersten 24 Stunden auch nochmals nach Hause gehen. Zudem bieten wir neu auch die Möglichkeit der ambulanten sanften Geburtseinleitung mittels Ballonkatheter an, falls die Situation komplikationslos ist.

AK: Und auf der Pränatalstation, wo Frauen teilweise monatelang liegen müssen, kümmern wir uns ganzheitlich um die Gesundheit der Frauen. Nebst Hebammen und Pflegefachpersonen kümmern sich dort auch Physiotherapeuten und Ernährungsberaterinnen um die werdenden Mütter. Auch die psychische Gesundheit ist ein Thema.