Scharfe Bilder wie nie zuvor dank eines winzigen Einkristalls. Der erste von weltweit drei Computertomographen mit neuer Photon-Counting-Technologie steht am USZ. Patienten profitieren von verbesserter Diagnostik und weniger belastenden Untersuchungen, der Hersteller von der Erfahrung der Praxisspezialisten am USZ.
Von aussen sieht der neue Computertomograph für Laien genauso aus, wie die bekannten, fast raumfüllenden CT-Geräte, mit denen dreidimensionale Bilder von Körperstrukturen gemacht werden können. Die Revolution wird erst beim Betrachten der Bilder des neuen CT sichtbar: gestochen scharfe feinste Strukturen in Knochen oder Gewebe, die bisher nur verschwommen oder gar nicht zu sehen waren.
Möglich macht dies ein winziger, nur stecknadelkopfgrosser Cadmiumtellurid-Einkristall (CdTe) in dem Gerät. Der in einem Labor gezüchtete Kristall hat die Eigenschaft, einzelne Röntgenstrahlen direkt in elektrische Impulse umzuwandeln. Herkömmliche Computertomographen verwandeln die Röntgenstrahlen in einem zweistufigen Prozess zuerst in sichtbares Licht, das von einem Lichtsensor detektiert wird und erst dann das Bild erzeugt. Durch diesen Zwischenschritt gehen wichtige Informationen über die Energie der Röntgenstrahlen verloren. Die Folge: Der Kontrast wird reduziert und die Bilder sind weniger scharf. Der neue Detektor wandelt Röntgenphotonen direkt in vollständig digitale elektrische Signale um, die dann ohne Informationsverlust gezählt werden. Durch dieses «Photon Counting» genannte Verfahren werden der Kontrast und die Bildschärfe markant besser – ein ähnlicher Effekt, wie die bessere Bildauflösung digitaler Fotos bei einer hohen Pixelzahl.
Die Erfahrung aus Praxis und Forschung liefert wertvolle Informationen zur Verbesserung
Seit Frühjahr 2021 war das erste von weltweit insgesamt drei Vorseriengeräten mit dieser neuen Technologie am USZ im klinischen Einsatz, bevor es am 15. November offiziell der Fachwelt vorgestellt wurde. Das USZ arbeitet seit vielen Jahren unter anderen mit Siemens Healthineers, dem Hersteller des Geräts, in der Forschung und Entwicklung zusammen. «Für die Verbesserung medizinischer Geräte sind die Erfahrung und die Bedürfnisse aus dem klinischen Betrieb unabdingbar. Unsere kritischen Rückmeldungen und systematischen sowie wissenschaftlichen Prüfungen fliessen so auch frühzeitig in die Weiterentwicklung ein» beschreibt Hatem Alkadhi, Leitender Arzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am USZ die Kooperation von Herstellern und den Spezialistinnen und Spezialisten aus der Praxis. Der Test eines Vorseriengeräts steht am Ende der Entwicklung. Die Geräte sind zugelassen und produktionsreif. In dieser Phase geht es darum, dass Fachpersonen noch über längere Zeit das neue Gerät im Klinikalltag einsetzen und praktische Erfahrungen damit sammeln, die für andere Neunutzer hilfreich sein können. Hatem Alkadhi und sein Team aus Radiologinnen, Radiologen und Medizinisch-technischen-Radiologie-Assistentinnen und -assistenten konnten schon mehrere solche Vorserienmodelle testen. Entsprechend erfahren sind sie darin, Probleme zu erkennen und zu beschreiben – und oft auch gleich einen Verbesserungsvorschlag zu liefern, etwa zu Anpassungen bei der Bedienung und dem Arbeitsprozess. Auch Ergebnisse aus der Forschung werden mit den Physikern bei Siemens Healthineers kontinuierlich geteilt und führen dann beispielsweise zur Verbesserung der Bildqualität. Gleichzeitig», so Alkadhi, «können unsere Patientinnen und Patienten schon lange vor der Markteinführung von den fortschrittlichsten Technologien profitieren. Zudem stehen uns die Geräte schon in dieser Phase für die Forschung zur Verfügung.» Auch für die Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte ist der Zugang zur Technik auf dem neuesten Stand eine wertvolle Bereicherung.
Präzisere Bilder verhelfen zu gezielter Behandlung
Das «Super-CT» hat sich in der Praxis bewährt: «Wir sehen mit dieser Technologie im CT erstmals Feinstrukturen in Organen, winzige Gehörknöchelchen oder Haarrisse in Knochen, die uns vorher verborgen blieben oder nur unscharf zu erkennen waren, weil die Technologie an Grenzen stiess.» Und diese frappant verbesserte Bildgebung werde sich in der Behandlung unmittelbar auswirken, ist Hatem Alkadhi überzeugt. Denn eine rein technische Spielerei ist der Einsatz von Photon Counting im medizinischen Bereich nicht. «Je präziser die Diagnose, umso genauer und zielgerichteter können Ärztinnen und Ärzte die Therapie ausrichten. Die Bildgebung trägt dazu entscheidend bei», so Alkadhi. Schärfere Bilder, das heisse etwa, dass schon im CT Tumor-Typen bestimmt werden können, oder Patientinnen und Patienten mit einem Herzleiden die Untersuchung mit einem Herzkatheter erspart bleiben könne, weil schon der CT die nötigen Informationen liefert. Verlaufskontrollen bei Gefäss- und Organerkrankungen sind damit aufschlussreicher. «Gerade bei Lungenerkrankungen ist das ein massiver Fortschritt, weil Lungengewebe mit dem Photon Counting CT noch besser abgebildet werden können.» Hatem Alkadhi sieht aber noch weitere Vorteile für die Patientinnen und Patienten: «Wir können in allen Untersuchungen so genannte multi-energy-Informationen aus den Bildern extrahieren. Das bedeutet, dass wir Zusatzinformationen über die Zusammensetzung von Gewebe und pathologischen Prozessen erhalten, die zum Nutzen der Diagnose und Therapie verwendet werden können. Darüber hinaus gibt es einen weiteren wichtigen Effekt für die Patienten: Die Strahlendosis für die Untersuchungen kann teilweise bis zu 40 Prozent reduziert und auch der Einsatz von Kontrastmittel markant verringert werden. Bei Menschen mit einem Nierenleiden oder bei jüngeren Patienteninnen und Patienten ist das eine wichtige und eminente Verbesserung.»