Neurochirurg im OP schaut auf den Bildschirm

Story

Bei seinen Operationen zählt jeder Millimeter

Giuseppe Esposito operiert Patienten am Gehirn. Eine anspruchsvolle Arbeit, die präzise Vorbereitung und höchste Konzentration erfordert. Wie der Leitende Arzt in der Klinik für Neurochirurgie sich und sein Team auf eine solche Operation vorbereitet, wie er den neurochirurgischen Nachwuchs ausbildet und was die Neurochirurgie mit der Luftfahrt gemeinsam hat, lesen Sie im Interview.

Giuseppe Esposito, was versteht man unter Neurochirurgie?

Die Neurochirurgie ist eine faszinierende chirurgische Disziplin. Wir operieren Patientinnen und Patienten mit Gehirntumoren, Hirnaneurysmen, Gefässmissbildungen, Hirnblutungen oder Schlaganfällen. Auch Eingriffe an verengten Halsschlagadern und an der Wirbelsäule zählen zu unserem Spektrum. Diese Operationen erfordern feinste chirurgische Präzision, wir sprechen von der sogenannten Mikrochirurgie. Dabei wird unter dem Mikroskop operiert. Es geht dann um Millimeter oder sogar weniger. Eine sorgfältige Vorbereitung ist daher essenziell.

Wie sieht die Vorbereitung aus?

Vor einer neurochirurgischen Operation ist es wichtig, die individuelle Anatomie des Patienten perfekt zu kennen. Dafür nutzen wir fortgeschrittene Bildgebungen wie die Computertomografie oder die Magnetresonanztomographie, inklusive dreidimensionaler Rekonstruktionen. Heute verwenden wir auch Hologramme und Augmented Reality, um uns optimal vorzubereiten. Jede Operation benötigt eine gründliche Planung, von der Lagerung des Patienten bis hin zur Wahl der Operationsinstrumente. Diese Planung ist auch hinsichtlich der interdisziplinären Zusammenarbeit während der Operation wichtig, um die Teamarbeit zu optimieren.

Und dann geht die Operation los?

Nicht ganz. Vor dem Start geht das gesamte Operationsteam, bestehend aus Fachpersonen aus den Bereichen Neurochirurgie, Anästhesie, Operations- und Lagerungspflege, eine Checkliste im Operationssaal durch. Einerseits, um den Ablauf nochmals zu besprechen, und andererseits, damit das ganze Operationsteam den gleichen Wissensstand hat. Ähnliches machen auch Piloten vor dem Start eines Flugzeugs.

Das klingt alles sehr umfassend und zeitintensiv. Wie ist der Ablauf bei Notfalloperationen?

Ja, allerdings. Der Zeitdruck ist dann eine Herausforderung für das ganze Team. Das USZ ist ein hochspezialisiertes Zentrum für solche notfallmässigen Operationen, bei denen es um Leben und Tod geht. Daher sind wir es gewohnt, auch mit wenig Zeit sehr gut vorbereitet zu sein und alle geforderten Abläufe trotzdem einzuhalten.

Sie haben gesagt, ein Millimeter kann in der Neurochirurgie entscheidend sein. Das ist für die Chirurgin oder den Chirurgen ja auch ein extremer Druck. Wie gehen Sie damit um?

Das ist unser Job! Wir müssen extrem gut vorbereitet sein, uns sicher fühlen und genau wissen, wo wir operieren. Es bedeutet auch, dass wir hochspezialisiert sind und intensiv trainieren. Während der Operation nutzen wir diverse Instrumente wie fortschrittliche Operationsmikroskope und die Neuronavigation, um präzise arbeiten zu können.

Wie wird man Neurochirurg? Haben Sie schon früh gewusst, dass Sie diesen Beruf ergreifen wollen?

Während meines Medizinstudiums fand ich die Neuroanatomie sehr faszinierend und ich entschied mich für die Neurochirurgie. Um Neurochirurg zu werden, braucht man viel Fleiss, Leidenschaft und Motivation. Man muss viel lernen und die chirurgischen sowie die bei uns in der Neurochirurgie speziell geforderten mikrochirurgischen Fähigkeiten jahrelang trainieren. Ebenfalls kann die Unterstützung eines Mentors von grosser Bedeutung sein. Ich persönlich habe enorm viel von meinem Mentor und Klinikdirektor Luca Regli gelernt.

Gutes Stichwort: Wie können die chirurgischen Fähigkeiten trainiert werden?

Primär erfolgt die Weiterbildung durch die Teilnahme der Assistenzärztinnen und -ärzte an den Operationen. Um die mikrochirurgischen Fertigkeiten zusätzlich trainieren zu können, haben wir ein Mikrochirurgie-Labor eingerichtet, das Zurich Microsurgery Lab. Dort trainieren wir mit innovativen und hyperrealistischen Simulationsmodellen. Diese Modelle simulieren die Situation exakt wie im Operationssaal. Das erlaubt es den jungen Chirurginnen und Chirurgen, ihre Fähigkeiten in einem sicheren Umfeld zu entwickeln. Auch organisieren wir jährlich mehrere Mikrochirurgie-Kurse, an denen Chirurgen aus der ganzen Schweiz und Europa teilnehmen, um ihre chirurgischen Fähigkeiten zu verfeinern.

Haben Sie eigentlich Angst oder Respekt vor Operationen?

Angst nicht, aber ich habe Respekt vor jeder Operation und vor allem vor den Patienten. Jede Operation ist dazu da, den Patienten bestmöglich zu behandeln und zu versorgen. Wir sind immer hoch konzentriert, um jede Operation so effizient und komplikationslos wie möglich durchführen zu können.

Verantwortliche Fachperson

Giuseppe Esposito, PD Dr. med.

Leitender Arzt, Klinik für Neurochirurgie

Tel. +41 44 255 37 90
Spezialgebiete: Vaskuläre Neurochirurgie (Aneurysmen, AVM, dAVF), Hirnrevascularisation (Hirnbypass-Chirurgie, Carotis-Endarterektomie, Moyamoya), Mikroneurochirurgie von Hirntumoren und Schädelbasischirurgie

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