Fachartikel

Angeborene Stoffwechselerkrankungen

Publiziert am 13. Juni 2023

Die meisten angeborenen Stoffwechselerkrankungen werden früh, oft sogar bereits im Neugeborenenscreening erkannt. Angeborene Stoffwechselerkrankungen – häufig spricht man auch von Stoffwechselstörungen – sind chronische Krankheiten. Mit Medikamenten und einer spezifischen Ernährung lässt sich jedoch die Mehrheit der Stoffwechselstörungen gut behandeln. Wichtig ist die regelmässige Kontrolle, um mögliche Komplikationen früh zu erkennen. Am USZ besteht für betroffene Personen eine spezielle Sprechstunde. Laura Horka, Oberärztin in der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und klinische Ernährung erläutert das Angebot für Betroffene und behandelnde Ärztinnen und Ärzte.

Frau Horka, die Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und klinische Ernährung bietet eine Spezialsprechstunde für Patientinnen und Patienten mit angeborenen Stoffwechselerkrankungen an. Was zeichnet diese Krankheiten aus?

Von einer Stoffwechselerkrankung oder -störung sprechen wir, wenn die normale Verarbeitung von Nahrung oder Reserven im Körper gestört ist, weil ein bestimmtes Enzym, das für einen bestimmten Stoffwechselschritt nötig ist, nicht funktioniert. Da es viele unterschiedliche Stoffwechselschritte gibt, gibt es auch viele unterschiedliche Stoffwechselstörungen mit ganz unterschiedlichen Symptomen. Häufig betreffen die Symptome einer Stoffwechselerkrankung mehrere Organe. Angeborene Stoffwechselstörungen sind nicht heilbar, viele Stoffwechselstörungen können mit Medikamenten oder einer speziellen Diät gut therapiert werden.

Warum und für wen bietet das USZ eine spezielle Sprechstunde für angeborene Stoffwechselerkrankungen an?

Angeborene Stoffwechselerkrankungen werden meistens sehr früh diagnostiziert und Kinder mit Stoffwechselstörungen werden von den Pädiatern betreut. Ursprünglich richtete sich die Sprechstunde deshalb auch an Erwachsene mit angeborenen Stoffwechselstörungen, die einfach der Pädiatrie «entwachsen» waren. Die meisten unserer Patientinnen und Patienten haben denn auch eine bekannte Diagnose und kommen regelmässig zu uns in die Sprechstunde, sobald sie das Erwachsenenalter erreichen und das Kinderspital nicht mehr für sie zuständig ist.

 

Sie sprachen von den meisten Patienten mit Diagnose. Das heisst, es gibt auch Patientinnen und Patienten, die erst am USZ abgeklärt werden?

Es gibt immer wieder Patientinnen und Patienten, bei denen Symptome erst im Erwachsenenalter auftreten oder die Stoffwechselstörung erst dann erkannt wird. In die Sprechstunde kommen deshalb auch neu diagnostizierte Erwachsene sowie zunehmend Patienten mit unerklärten oder unklaren Beschwerden zur Abklärung. Zudem werden bei neu diagnostizierten Kindern Familienabklärungen durchgeführt. Angeborene Stoffwechselstörungen sind meistens vererbt. Dann abzuklären, ob weitere Familienmitglieder betroffen sind, ist sinnvoll, gerade bei Stoffwechselstörungen, die nicht so einfach zu erkennen sind.

 

Melden sich die Patientinnen und Patienten selbst an oder werden sie überwiesen?

Es ist beides möglich. Manche melden sich selbst an oder werden von der Helpline Seltene Krankheiten an uns verwiesen. Die meisten Patienten und Patientinnen werden wie erwähnt vom Kinderspital überwiesen oder auch von ihrem Hausarzt oder ihrer Hausärztin zur Abklärung oder Betreuung bei bekannter Diagnose. Manche Patienten, vor allem, wenn sie weiter weg wohnen, kommen einmal pro Jahr zur Kontrolle ans USZ. Dazwischen läuft der Austausch mit dem Hausarzt oder von uns direkt zu den Patienten und Patientinnen, oft über E-Mail. Uns ist es ein Anliegen, für sie unkompliziert erreichbar zu sein, wenn sich Fragen stellen.

Welchen Austausch gibt es unter den Fachspezialisten und den Kliniken?

Wir arbeiten sehr eng mit dem Universitären Kinderspital Zürich und dem dortigen Stoffwechsel-Team zusammen und tauschen uns regelmässig mit diesem aus. Damit stellen wir einen guten Übergang sicher, wenn die Patientinnen und Patienten als Jugendliche ans USZ wechseln. Wir sind aber auch mit Stoffwechselexpertinnen und -experten in der Schweiz und weltweit vernetzt. Und natürlich besteht eine intensive Zusammenarbeit mit unseren spezialisierten Ernährungsberaterinnen und -beratern sowie mit Kolleginnen und Kollegen anderer Fachgebiete im USZ, darunter der Kardiologie, Pneumologie, Anästhesie und Neurologie und nicht zu vergessen mit dem Balgrist für die Orthopädie. Für gewisse Krankheiten, bspw. Morbus Fabry, gibt es interdisziplinäre Boards. Dank dieses Netzwerks können wir Patienten auch direkt an Spezialistinnen und Spezialisten überweisen, etwa zur genetischen Abklärung oder zu einer Beratung bezüglich Familienplanung.

 

Und die Spezialsprechstunde ist also der Zugang zu diesem Kompetenznetzwerk?

Das kann man so sagen. Einige Stoffwechselstörungen sind sehr selten, bei vielen davon gibt es nur wenige Betroffene und Patientinnen und Patienten in der Schweiz. Vor allem für diese und deren behandelnde Ärztinnen und Ärzte ist die zentrale Behandlung von Vorteil und sinnvoll. Sie profitieren von der gebündelten Expertise und Erfahrung, sowohl von der ärztlichen Versorgung her, wie auch bei Ernährungsberatung. Oft sind auch aufwändige Therapien nötig, die in der Schweiz zum Teil nicht zugelassen sind, was viel Kommunikation mit der Krankenkasse bedeutet, um sie den Betroffenen zu verschaffen. Wenn immer wir darin einen Vorteil für einen Patienten oder eine Patientin sehen, versuchen wir, das möglich zu machen. Nicht zuletzt bieten wir auch die Teilnahme an verschiedenen Studien und Registern an.

Laura Maria Horka, Dr. med.

Oberärztin, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung

Tel. +41 44 255 36 20
Spezialgebiete: Angeborene Stoffwechselkrankheiten