Treppensteigen oder Joggen ist plötzlich viel anstrengender als gewohnt: Viele Betroffene klagen noch Monate nach einer Covid-19-Erkrankung über Belastungseinschränkungen. Dieses Gefühl lässt sich durch Studien objektivieren.
Eine Erkrankung mit dem Coronavirus Covid-19 verläuft häufig tückisch: Nachdem das Ärgste überstanden ist, kommt die Krankheit innerhalb weniger Wochen zurück – zum Beispiel in Form von Brust- oder Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Atemnot. Dies kann auch dann geschehen, wenn der akute Verlauf äusserst milde war. „Zum Glück sind tragische Fälle, wie dass jemand ein halbes Jahr nach einer Erkrankung sein Pyjama nicht allein anziehen kann, selten“, sagt Christian Clarenbach, Leitender Arzt an der Klinik für Pneumologie am USZ. Vielmehr erreiche die Krankheit nach etwa acht Wochen einen zweiten Höhepunkt, gehe dann aber allmählich zurück. Dies würden Studien aus den USA und Grossbritannien zeigen. „Viele Patienten sind erleichtert, wenn ich ihnen die typischen Kurven des Langzeitverlaufs bei Covid-19 zeige.“
Das Universitätsspital Zürich bietet Patienten mit Langzeitfolgen von Covid-19 eine interdisziplinäre Sprechstunde an. „Es geht darum, andere Ursachen auszuschliessen und Patienten auf ihrem Weg zurück zu begleiten“, so Clarenbach. Ausserdem helfe die Sprechstunde dabei, die Krankheit besser zu verstehen. Rund 200 Betroffene haben die Ärzte mittlerweile gesehen. Die meisten klagen über Belastungseinschränkungen. „Ältere Patienten spüren die fehlende Energie beim Treppensteigen, Jüngere auf ihrer Joggingrunde.“ Das Gefühl, nicht mehr so fit zu sein wie vor der Erkrankung, lässt sich objektivieren. Vor allem bei Patienten mit schwerem Verlauf, besteht noch vier Monate nach einer COVID-19-Erkrankung eine Funktionseinschränkung der Lunge. Das zeigte jüngst eine schweizweite Studie, in der Clarenbach mitwirkte.
Kleine Schritte auf dem Weg zurück
Hausärzte können Patienten für die Spezialsprechstunde „Post-Covid“ an das USZ überweisen (postcovid@usz.ch). In der Regel sind zu diesem Zeitpunkt erste Abklärungen (etwa zu internistischen Erkrankungen als Ursache) schon gemacht. Am USZ finden dann weitere interdisziplinäre Abklärungen statt. Ein medizinischer Grundcheck zeigt, ob Lunge oder andere Organe beeinträchtigt sind. Auch Gedächtnis- und Geschmackstests können angeordnet werden. „Gerade für die Kommunikation gegenüber Arbeitgeber und Versicherung kann es von Vorteil sein, das Leiden zu objektivieren“, so Clarenbach.
Profitieren sollen natürlich vor allem die Patienten selbst. Diese sind häufig beruflich und privat stark gefordert und über den schleppenden Heilungsverlauf verunsichert oder verärgert. „Es gibt zwar kein medikamentöses Wundermittel, aber einige wirksame Therapien, die auf dem Weg zurück helfen“, so Clarenbach. Als Beispiel nennt er die ambulante Nachsorge von spezialisierten Physiotherapeuten sowie die Energiemanagement-Schulung für Patienten mit Fatigue. Etwas vom Wichtigsten im Umgang mit Post-Covid nimmt Clarenbach vorweg: „Weil die eingeschränkte Belastungsfähigkeit oft das Hauptproblem ist, sollten die Patienten kleine Schritte machen, statt sofort wieder voll an die Grenze zu gehen.“ Dies gelte nicht nur für die Joggingrunde, sondern auch für Berufe, die körperlich anstrengend sind. Dort könne es Sinn machen, mit lediglich 20 Prozent einzusteigen und das Pensum dann sequentiell zu steigern.