Überblick: Was ist eine Primär sklerosierende Cholangitis (PSC)?
Bei der primär sklerosierenden Cholangitis handelt es sich um eine seltene chronische Krankheit. Sie führt dazu, dass Ihre Gallengänge permanent entzündet sind. Gleichzeitig vermehrt sich krankhaft das Bindegewebe (Fibrose) das die Gallenwege umgibt, wodurch sie sich verengen und verhärten (Sklerose). Die Galle kann nicht mehr ungestört von der Leber in den Darm fliessen, sondern sammelt sich vor den Verengungen an. Dieser Gallestau heisst auch Cholestase.
Als Konsequenz gelangt zu wenig Galle in Ihren Dünndarm, sodass sie dort die Fettverdauung nicht unterstützen kann. Ausserdem haben Bestandteile der gestauten Galle eine giftige (toxische) Wirkung auf die Leberzellen, was dem Organ schaden kann. Die primär sklerosierende Cholangitis entwickelt sich meist langsam und mündet im Endstadium in eine Leberzirrhose.
PSC gehört zu den relativ seltenen Krankheiten. Die Angaben zur Häufigkeit schwanken, schätzungsweise sind zwischen vier und 16 von 100‘000 Menschen betroffen. Männer erkranken zwei- bis dreimal so oft wie Frauen. Eine primär sklerosierende Cholangitis bleibt häufig lange Zeit unbemerkt. Die Diagnose wird meist zwischen 30 und 50 Jahren gestellt.
Primär sklerosierende Cholangitis (PSC): Ursachen und Risikofaktoren
Warum die primär sklerosierende Cholangitis entsteht, ist noch unklar. Vermutlich jedoch gibt es mehrere Ursachen. Als gesichert gilt, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen. Sie führen womöglich in Kombination mit weiteren Einflüssen zu der Erkrankung. Welche Einflüsse das sind, darüber diskutieren Fachleute noch. Einige nehmen an, dass PSC durch eine fehlgeleitete Immunreaktion an der Schleimhaut der Gallengänge entsteht. Eine Rolle spielen dabei womöglich auch die Mikroorganismen im Verdauungstrakt.
Risikofaktoren entzündliche Darmerkrankungen
Augenfällig ist, dass bis zu 70 von 100 aller Betroffenen mit PSC auch unter einer chronisch-entzündlichen Darmentzündung leiden, vor allem Colitis ulcerosa, seltener Morbus Crohn. Umgekehrt erkranken ungefähr fünf Prozent aller Colitis ulcerosa-Betroffenen an einer PSC. Zudem tritt die seltene Krankheit häufig zusammen mit verschiedenen Autoimmunleiden wie der Autoimmun-Hepatitis oder dem Sjögren-Syndrom auf.
Bei psychischer Belastung
Jede körperliche Erkrankung kann auch mit psychischen Belastungen verbunden sein. Diese kann sich unter anderem in Sorgen, Anspannung, Gedankenkreisen oder Schlafstörungen zeigen und den Behandlungsverlauf erschweren. Falls Sie oder Ihre Angehörigen den Wunsch nach psychiatrisch-psychologischer Beratung und Unterstützung haben, stehen Ihnen unsere Fachleute im USZ gerne zur Verfügung.
Symptome: PSC bleibt oft lange unerkannt
Falls Sie an PSC leiden, zeigen Sie am Anfang der Erkrankung meist keine Symptome. Deswegen wird sie entweder als Zufallsbefund oder erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt.
Typische Anzeichen einer fortgeschrittenen primär sklerosierenden Cholangitis treten auf, wenn die Gallenwege soweit geschädigt sind, dass die Leber nicht mehr richtig arbeitet. Es kommt zu Symptomen wie:
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit
- Gewichtsverlust
- Juckreiz
- Druckempfindlichkeit und/oder Schmerzen im rechten Oberbauch
- Gelbsucht: Gelbfärbung der Haut und Schleimhäute (sogenannter Ikterus)
Primär sklerosierende Cholangitis: Diagnose bei uns
Ist die Entzündung der Gallenwege bereits fortgeschritten, können Beschwerden wie die Gelbsucht von Haut und Schleimhäuten oder Juckreiz am ganzen Körper erste Hinweise auf eine primär sklerosierende Cholangitis geben.
Wenn Sie mit Symptomen, die auf die Krankheit hinweisen, ärztlichen Rat aufsuchen, wird man zuerst eine Anamnese vornehmen, Ihnen also Fragen zur Krankheitsgeschichte inklusive eventueller Vorerkrankungen stellen. Bedeutsam ist unter anderem, ob Sie möglicherweise an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung leiden. Hintergrund ist, dass 70 Prozent der Menschen mit PSC ein entsprechendes Darmleiden haben, insbesondere Colitis ulcerosa, unter Umständen auch Morbus Crohn.
Blutuntersuchung
Wenn die Gallenwege entzündet sind und die Galle nicht mehr gut abfliessen kann, entsteht ein Gallestau (Cholestase). Meist sind dann bestimmte Blutwerte erhöht, die sogenannten Cholestaseparameter (etwa Gamma-GT, alkalische Phosphatase und Bilirubin).
Ein spezieller Leberwert, der eindeutig eine primär sklerosierende Cholangitis anzeigt, existiert allerdings nicht. Erhöhte Leberwerte können zwar einen Hinweis auf PSC geben, genügen aber nicht für eine eindeutige Diagnose – denn auch viele andere Erkrankungen bedingen erhöhte Leberwerte.
Ultraschall
Mittels Ultraschall können wir Leber und Gallenwege inspizieren. Dadurch kann es gelingen, eine mögliche PSC von anderen Leiden abzugrenzen. Verfestigt sich der Verdacht, müssen für eine präzise Diagnose die Gallenwege genauer untersucht werden. Hierbei stehen uns hauptsächlich zwei Methoden zur Verfügung: ERCP und MRCP.
MRCP (Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie)
Bei der MRCP (Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie) handelt es sich um eine Kernspintomografie der Leber und der Gallenwege. Liegt eine primär sklerosierende Cholangitis vor, sieht man oft perlschnurartige Unregelmässigkeiten der abgebildeten Gallenwege. Veränderungen der Gallenwege, die an eine Perlenkette erinnern, sind typisch für PSC: Die durch die Entzündung verengten Abschnitte wechseln sich mit sackförmigen Erweiterungen ab. Sie entstehen, wenn sich die Galle vor den Verengungen staut.
Zeigt die MRCP einen unklaren Befund oder sind Engstellen zu erkennen, die behandelt werden sollten, führen wir zum Teil im Anschluss eine ERCP durch.
ERCP (endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikografie)
Mittels ERCP gelingt es, die Gallengänge, die Gallenblase recht detailliert darzustellen. Die ERCP hilft nicht nur der Diagnose. Man kann sie auch zur Therapie nutzen, indem bestehende Verengungen eines Gallenwegs während des Eingriffs gedehnt werden.
Vor der ERC erhalten Sie ein Schlaf- oder Beruhigungsmittel, weswegen Sie von der Spiegelung nichts mitbekommen. Wir führen einen flexiblen Schlauch, das Endoskop, durch Ihren Mund ein und schieben es durch den Magen bis in den Zwölffingerdarm zur sogenannten Vaterschen Papille, wo Hauptgallengang und Bauchspeicheldrüsengang münden. Das Endoskop ist mit einer Lichtquelle und einem optischen System versehen. Es wird nun ein Kontrastmittel in das Gallengangsystem gespritzt. Anschliessend fertigen wir eine Röntgenaufnahme des Bereichs an. So können wir die für PSC typischen Vernarbungen und Verengungen der Gallengänge erkennen und auch Tumore entdecken.
Zusätzlich kann eine Leberpunktion hilfreich sein. Dabei entnehmen wir mithilfe einer Punktionsspritze etwas Lebergewebe und lassen dieses im Labor untersuchen.
Forschungsschwerpunkt am USZ
Das USZ hat einen Forschungsschwerpunkt für PSC und ist zudem das Leitende Zentrum für die Schweizer PSC Kohortenstudie (SwissPSC).
Primär sklerosierende Cholangitis: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose
Es ist nicht möglich, einer primär sklerosierenden Cholangitis vorzubeugen. Je früher die Krankheit allerdings entdeckt wird, desto besser können Spätfolgen der Erkrankung erkannt und behandelt werden.
Auch die Früherkennung der Krankheit ist schwierig, da sie sich anfangs nicht bemerkbar macht. Allerdings vergrössert ein chronisch-entzündliches Darmleiden, vor allem Colitis ulcerosa, seltener Morbus Crohn, das Risiko an PSC zu erkranken. Sollten Sie also davon betroffen sein, lassen Sie bei uns regelmässig die Leberwerte prüfen und bei einem Verdacht die Gallenwege untersuchen. Unerklärlicher Juckreiz oder eine Gelbsucht von Haut und Schleimhäuten geben Hinweis auf eine Lebererkrankung oder eine fortgeschrittene primär sklerosierende Cholangitis. Holen Sie bei Beschwerden immer ärztlichen Rat ein, damit man die Ursache identifizieren kann.
Verlauf und Prognose
Eine primär sklerosierende Cholangitis entwickelt sich meist langsam und ist je nach betroffener Person sehr unterschiedlich. Die chronische Entzündung bedingt, dass sich Bindegewebe um die Gallengänge krankhaft vermehrt. Im Endstadium kann es zu einer kompletten Vernarbung der Leber und damit zu einer Leberzirrhose kommen. Dadurch kann das Organ seine Aufgaben nicht mehr erfüllen
Drohende Folgeschäden
Es können verschiedene Folgeschäden und Komplikationen auftreten – sie treffen aber nicht jeden mit PSC Erkrankten. Zu den möglichen Konsequenzen gehören:
- ein Mangel an fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K)
- rheumatische Beschwerden
- Osteoporose (Knochenschwund)
- akute Gallenweginfektionen (akute Cholangitis)
- Steine in Gallenblase und Gallengang
- Leberzirrhose
- Tumoren der Gallenwege, des Dickdarms, der Bauchspeicheldrüse, der Leber
Wenn Sie an PSC leiden, hat das ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten zur Folge. Deshalb sollten Sie regelmässig Früherkennungsuntersuchungen wahrnehmen:
- Eine jährliche Darmspiegelung im Fall einer zugleich bestehenden Colitis
- Alle sechs Monate eine Ultraschalluntersuchung der Leber im Wechsel mit einer MR Darstellung der Leber und Gallenwege. Zudem eine sechsmonatliche Bestimmung des Tumormarkers CA 19-9.
Prognose der PSC
Studien zufolge beträgt die durchschnittliche Überlebenszeit nach der Diagnose PSC etwa zehn bis 20 Jahre, wenn keine Lebertransplantation vorgenommen wird. Mit einer Lebertransplantation können viele Betroffene jedoch deutlich länger leben.
Da die primär sklerosierende Cholangitis sehr unterschiedlich verlaufen kann, variiert auch die Prognose von Fall zu Fall. Zudem kann man derzeit noch nicht sicher beurteilen, welche Auswirkungen die langfristige Gabe von Ursodeoxycholsäure auf die Prognose hat. Regelmässige Untersuchungen zur Früherkennung von bösartigen Tumoren im Darm und in den Gallenwegen können die Aussichten erheblich verbessern.
Derzeit testen Forschende, ob der Wirkstoff Nor-Ursodeoxycholsäure (norUDCA), eine chemische Abwandlung der Ursodeoxycholsäure, zu einer besseren Prognose führt. Ohne eine Lebertransplantation ist die Lebenserwartung geringer, wobei es sich hierbei um Durchschnittswerte handelt, die im Einzelfall erheblich abweichen können.
Die sogenannte small duct PSC, bei der zunächst nur die kleinen Gallenwege betroffen sind, hat meist eine günstigere Prognose. Frauen scheinen von dieser Erkrankung häufiger betroffen zu sein. Sie kann aber auch in eine klassische PSC übergehen. Die Häufigkeit dieser Variante der Krankheit wird derzeit noch untersucht.
Primär sklerosierende Cholangitis: Behandlung beugt Spätfolgen vor
Bislang gibt es kein Therapiekonzept, das die primär sklerosierende Cholangitis heilen könnte. Ziel der Behandlung ist es, den Verlauf der Krankheit positiv zu beeinflussen, die Lebensqualität zu verbessern und Spätfolgen vorzubeugen.
Im Mittelpunkt steht der Wirkstoff Ursodeoxycholsäure und die endoskopische Dilatation (Weitung) der verengten Gallenwege. Falls die PSC Ihre Leber bereits stark geschädigt oder sich ein bösartiger Tumor in den Gallenwegen entwickelt hat, ist meist eine Lebertransplantation nötig.
Bei einem operativen Eingriff wird vom Institut für Anästhesiologie das individuell auf Sie angepasste Anästhesie-Verfahren ausgewählt.