Überblick: Was ist eine Myositis?
Die Myositis ist eine Entzündung der Skelettmuskulatur. Der Name leitet sich so ab: „Myo“ steht für Muskel und die Endung „itis“ bedeutet Entzündung. In die Gruppe der Myositiden fallen mehrere Arten von Muskelentzündungen. Die Polymyositis (PM), Dermatomyositis (DM), immunvermittelte nekrotisierende Myopathie (IMNM) und die Einschlusskörperchenmyositis (inclusion body myositis = IBM) sind die wichtigsten Formen der Muskelentzündung, die nicht durch Erreger (Bakterien, Viren oder Parasiten) bedingt sind. Die genauen Ursachen dieser Muskelerkrankungen sind noch nicht geklärt. Bekannt ist aber, dass das Immunsystem bei der Entstehung eine Rolle spielt. Es greift aus bislang unbekannten Gründen körpereigene Strukturen an und zerstört sie – in diesem Fall sind es die Muskeln. Man spricht von Autoimmunerkrankungen, wenn das Immunsystem auf diese Weise fehlgeleitet ist Daneben kommen Myositiden im Rahmen anderer Krankheiten vor, etwa bei Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoide Arthritis, dem primären Sjögren-Syndrom oder dem Systemischen Lupus Erythematodes.
Die Symptome der Myositis sind Kraftverlust und Schwäche der Muskeln, oft im Bereich des Körperstamms. Auch Muskelschmerzen und Muskelschwund kommen oft vor. Zusätzlich zur Muskulatur können auch Haut, Gelenke, Gefässe oder innere Organe wie die Lunge oder das Herz betroffen sein. Das führt dann zu weiteren Symptomen.
Es gibt verschiedene Möglichkeit der Behandlung bei einer Myositis. Ziel ist es, die Aktivierung des Immunsystems, die Entzündung und Schäden verursacht, zu stoppen oder abzumildern. Dazu kommen Medikamente, die das Immunsystem modulieren zum Einsatz. Diese werden mitunter auch als Immunsuppressiva bezeichnet. Die Muskulatur lässt sich mit Hilfe der Physiotherapie wieder kräftigen.
Myositis – Häufigkeit und Alter
Die Myositis, die durch autoimmune Prozesse bedingt ist, ist eine vergleichsweise seltene Erkrankung. Fachleute schätzen, dass weltweit rund 2 bis 7 von 1‘000‘000 Einwohnern pro Jahr daran erkranken.
Die Myositis kann Menschen unterschiedlichen Alters treffen. Sie kann im Kindes-, aber auch im Erwachsenenalter auftreten. Frauen sind häufiger betroffen als Männer mit Ausnahme der Einschlusskörperchenmyositis, Diese tritt meist jenseits des Lebensalters von 50 Jahren auf.
Myositis: Ursachen und Risikofaktoren
Autoimmune Myositis: Immunsystem ausser Kontrolle
Bei den autoimmunen Myositiden ist das Immunsystem ausser Kontrolle geraten: Es attackiert fälschlicherweise körpereigene Strukturen – in diesem Fall primär die Muskeln, aber zum Teil auch Haut, Gelenke, Gefässe oder innere Organe wie Herz und Lunge, seltener den Darm. Wird dieser Angriff nicht gestoppt, kann es zur Schädigung der Muskulatur oder anderer Strukturen/Organe kommen. Weitgehend unbekannt ist, warum das Abwehrsystem so übermässig reagiert. Eine genetische Veranlagung, die bereits bei Geburt vorhanden ist, trägt wahrscheinlich dazu bei.
Welche Formen der Myositis gibt es?
- Dermatomyositis (DM): Hier liegt häufig parallel eine Haut- und Muskelbeteiligung vor. Man nimmt an, dass sich der Angriff des Immunsystems bei der Dermatomyositis in erster Linie gegen die Blutgefässe richtet, die für die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung der Haut und Muskeln zuständig sind. Die Gefässschädigung beeinträchtigt dann die Blutversorgung. So nehmen die Haut und Muskeln auf indirektem Weg Schaden.
- Polymyositis (PM): Das Immunsystem schädigt wahrscheinlich die Muskelfasern direkt. Spezielle weisse Blutkörperchen – die zytotoxischen T-Zellen – dringen in die Muskelfasern ein und schädigen sie.
- Einschlusskörpermyositis (IBM): Auch hier werden die Muskelfasern direkt geschädigt. Der Name rührt daher, dass sich unter dem Mikroskop im Zellinneren abgelagerte Eiweisse (Einschlusskörperchen) erkennen lassen. Es ist nicht klar, ob zuerst eine Entzündung vorhanden ist, die dann über die Zeit zum Abbau des Muskelgewebes führt oder ob der Abbau der Muskulatur und die Bildung der Einschlusskörperchen reaktiv eine Entzündung hervorrufen.
- Immunvermittelte nekrotisierende Myositis (IMNM): Bei dieser Form der Myositis treten sehr ausgedehnte Muskelschäden auf.
Ausserdem kommt die Myositis noch in Verbindung mit anderen Autoimmunerkrankungen vor wie z.B. dem Systemischen Lupus Erythematodes (SLE), der Mischkollagenose, der systemischen Sklerose, dem primären Sjögren-Syndrom oder der rheumatoiden Arthritis.
Mitunter können immunvermittelte Myositiden auch im Kontext von bösartigen Tumorerkrankungen auftreten oder durch Medikamente getriggert werden.
Erregerbedingte Myositis: Infektionen als Ursachen
Eine Muskelentzündung kann auch bei Infektionen auftreten. Einige Beispiele:
- Viren (z.B. Influenza, HIV)
- Bakterien (z.B. Tetanus, Lepra, Syphilis)
- Parasiten (z.B. Schistosoma (Bilharziose), Schweinebandwurm (Zystizerkose)).
Symptome: Myositis verursacht oft Muskelschwäche oder -schmerzen
Die autoimmunen Myositiden entwickeln sich häufig schleichend. Die Symptome nehmen mit der Zeit zu, wenn die Erkrankung weiter fortschreitet. Vielen Myositiden gemeinsam ist ein allgemeines Krankheitsgefühl, manchmal leichtes Fieber, Muskelschmerzen wie bei einem Muskelkater sowie Muskelschwäche. Es können noch weitere Symptome hinzukommen, die andere Stellen des Körpers betreffen.
Folgende Anzeichen können auf eine Muskelentzündung hindeuten:
- Muskelschwäche und Muskelschwund – betroffen sind die Muskeln am Rumpf und an den Extremitäten in der Nähe der Körpermitte
- Muskelschmerzen
- Bewegungseinschränkungen: Probleme beim Treppensteigen oder Aufstehen von einem Stuhl oder beim Heben oder Tragen von Gegenständen, Stolpern, Stürze, Fallenlassen von Gegenständen
- Schluckstörungen, wenn die Schlundmuskulatur betroffen ist.
Allgemeinsymptome können ebenfalls auftreten:
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit
- Gewichtsverlust
- Fieber oder erhöhte Temperatur
Symptome, die auf die Beteiligung anderer Strukturen / Organe hinweisen können:
- Gelenkschmerzen
- Raynaud-Syndrom (Störung der Blutzirkulation v.a. in Fingern und Zehen, die zur Verfärbung und zu Schmerzen führen kann)
- Hautausschlag (gesteigerte Empfindlichkeit gegenüber UV-Licht), Kalkansammlungen unter der Haut
- Atemnot
- Trockener Husten
- Herzrasen/-stolpern
- Verdauungsprobleme / Bauchschmerzen.
Diagnose Myositis
Weil sich die Symptome zu Beginn der Erkrankung häufig schleichend entwickeln und unspezifisch sind, können bis zur Diagnosestellung Monate bis Jahre vergehen. Die Diagnose „Myositis“ ist eine Herausforderung. Es gibt eine Vielzahl nicht-entzündlicher Muskelerkrankungen, die mit ähnlichen Symptomen einhergehen, zum Beispiel erblich bedingte Muskelabbauerkrankungen, Stoffwechselstörungen der Muskulatur oder Medikamentennebenwirkungen. Um andere Muskelkrankheiten als Ursache der Beschwerden ausschliessen zu können, ist ein detailliertes Fachwissen nötig. Die Diagnostik umfasst verschiedenste Untersuchungen, an der am USZ Fachleute mehrerer Fachrichtungen beteiligt sein können, insbesondere aus der Rheumatologie, der Neurologie, der (Neuro-)Pathologie und der Dermatologie.
Die Diagnostik beginnt immer mit dem Gespräch zu Ihrer Krankengeschichte (Anamnese).
Folgende Fragen stellen wir Ihnen
- Welche Symptome haben Sie genau?
- Wo sind die Beschwerden lokalisiert?
- Wie ausgeprägt sind die Symptome?
- Wann haben Sie die Beschwerden erstmals bemerkt?
- Sind Erkrankungen bei Ihnen bekannt? Wenn ja: Welche?
- Gibt es Krankheiten in Ihrer Familie? Falls ja: Welche?
- Nehmen Sie regelmässig Medikamente ein? Wenn ja: Welche und seit wann?
Im Anschluss folgt eine körperliche Untersuchung. Wir tasten die Muskeln und Gelenke ab und prüfen, ob es Auffälligkeiten gibt. Ausserdem testen wir die Beweglichkeit und die Kraft der Extremitäten, um Einschränkungen aufzuspüren. Weiteren Aufschluss gibt eine Hautuntersuchung. Wir begutachten Ihr Gangbild, indem wir Sie im Raum einige Schritte gehen lassen und prüfen die Reflexe und das Berührungsempfinden. Zudem hören wir das Herz und die Lunge ab und untersuchen auch den Bauch und die Nieren. Zusätzlich prüfen wir die Durchblutung, indem wir die Pulse tasten. Die Messung von Blutdruck und Temperatur kann auch Teil der Untersuchung sein.
Zur Routine gehört auch eine Blutuntersuchung. Dabei bestimmen wir unter anderem:
- die Entzündungszeichen wie C-reaktives Protein (CRP), die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und die Anzahl an Leukozyten,
- bestimmte Muskelwerte: Wichtig ist die Kreatinkinase – ein Enzym, das zerstörte Muskelfasern freisetzen. Der Wert lässt Rückschlüsse auf die Aktivität der Erkrankung zu. Auch die Werte für Laktatdehydrogenase, Aspartat-Aminotransferase (AST) oder Alanin-Aminotransferase (ALT) sowie Myoglobin und Troponin helfen uns weiter.
- Bestimmte Autoantikörper, die für die Myositis typisch sind, zum Beispiel Anti-Mi2, Anti-Jo1-Antikörper, Anti-SRP, Anti-c1NA-Antikörper.
Dann folgen in der Regel weitere Untersuchungen. Die wichtigsten sind:
- Muskelkraft- und Funktionstest: Mittels international standardisierter und validierter Tests erfassen wir Einschränkungen von Muskelkraft und Ausdauer und können dies für Therapieentscheide berücksichtigen.
- Magnetresonanztomografie (MRT = Kernspintomografie): Radiologinnen und Radiologen setzen dabei starke Magnetwellen ein und nehmen den Körper „scheibchenweise“ auf. So erhalten sie detaillierte Schnittbilder verschiedener Körperregionen. Muskeln lassen sich hiermit gut darstellen und man kann Veränderungen wie Entzündung oder Abbau aufdecken.
- Elektromyografie: Eine Untersuchung, bei der mit Hilfe einer dünnen Nadel die elektrische Aktivität einzelner Muskelgruppen bestimmt wird.
- Muskelbiopsie: Diese Untersuchung kann notwendig werden, wenn die vorher genannten Tests keine eindeutige Diagnose erlauben. Hier wird unter lokaler Betäubung ein kleines Stückchen aus dem Muskel entnommen. In der Pathologie wird es anschliessend unter dem Mikroskop auf Veränderungen untersucht. Eine zuvor durchgeführte MRT kann Bereiche aufdecken, die sich gut für die Muskelbiopsie eignen. Die Biopsieergebnisse können helfen, entzündliche (autoimmune) von anderen Ursachen zu unterscheiden. Diese Informationen können sehr wichtig für die Therapieentscheidung sein.
Die endgültige Diagnose „Myositis“ lässt sich aus der Zusammenschau sämtlicher Untersuchungsergebnisse stellen.
Spezialabklärungen für Patientinnen und Patienten
Am USZ bieten wir Spezialabklärungen für Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf Myositiden an, die nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und internationalen Empfehlungen ausgerichtet sind. Wir sind Teil eines internationalen Forschungs- und Expertennetzwerks (Global Myositis Network)
- Interdisziplinäre Sprechstunde für entzündliche / autoimmune Myopathien
- Ambulantes Myositis-Assessment
- Stationäres Myositis-Assessment
Myositis: Vorbeugen, Früherkennung, Prognose
Die Ursachen und die Entstehungsweise der Muskelentzündung, die nicht durch Krankheitserreger bedingt ist, sind noch weitgehend unbekannt. Daher gibt es keine Vorbeugemassnahmen.
Auch spezielle Früherkennungsmassnahmen gibt es bei der Myositis nicht. Daher gilt der allgemeine Ratschlag: Holen Sie immer zeitnah ärztlichen Rat ein, wenn Sie unter Symptomen wie einem schweren Krankheitsgefühl, Muskelschmerzen oder Muskelschwäche leiden.
Verlauf und Prognose bei Myositis
Die Myositis ist eine chronische Erkrankung, die ohne Behandlung meist weiter voranschreitet. Allerdings lässt sich die Muskelentzündung durch eine rechtzeitige und ausreichende Behandlung oft aufhalten. Der Verlauf der Myositis ist sehr unterschiedlich und hängt von der Art, Schwere der Muskelschädigung und der Beteiligung weiterer Organe ab.
Häufig können wir durch Medikamente in der Mehrzahl der Fälle eine deutliche Besserung erzielen, manchmal sogar eine Symptomfreiheit. Dann können Betroffene einen nahezu normalen Alltag leben und die Lebensqualität bleibt erhalten.
Die Einschlusskörpermyositis besitzt dagegen eine ungünstigere Prognose. Nach fünf Jahren sind viele Betroffene auf Gehhilfen angewiesen, nach ungefähr zehn Jahren auf den Rollstuhl. Sie kann viele weitere Probleme mit sich bringen, etwa Schluckstörungen und Atemnot.
Myositis: Behandlung heisst Muskelentzündung bremsen und Muskelkraft wieder aufbauen
Aufgrund der oft alltagsrelevanten Beeinträchtigungen spielt die Erfassung sämtlicher Krankheitsmanifestationen und der Lebensqualität eine grosse Rolle. Am USZ ist daher das primäre Therapieziel die Erstellung eines individuellen Behandlungskonzepts, das neben einer medikamentösen Therapie auch einen angepassten Trainingsplan enthält. Fortschrittliche Therapien ermöglichen den meisten Patientinnen und Patienten mit Myositis eine Beschwerdereduktion und Verbesserung der Lebensqualität. Da die Erkrankungen so selten sind, sind keine Medikamente dafür zugelassen, obwohl deren Wirkung belegt ist. Wir setzen diese Medikamente daher nach Einholung der Kostengutsprache für die betroffene Person „off label“ ein. Dazu befähigt uns unser Expertenwissen für diese seltenen Erkrankungen und die detaillierte Fachkenntnis und Erfahrung mit diesen Therapien.