In einer Studie zeigen Leberchirurgen des UniversitätsSpitals Zürich (USZ) aussichtsreiche Resultate eines umstrittenen chirurgischen Verfahrens. Dieses macht sich zu Nutze, dass der gesunde Teil der Leber im Körper nachwächst, wenn man die Blutzufuhr zum kranken Teil kappt. Von der Technik profitieren insbesondere Patienten, deren Tumoren weit fortgeschritten sind.
Lebertumoren gehören weltweit zu den häufigsten Tumorerkrankungen. Jetzt weisen Ärzte rund um Prof. Dr. Pierre-Alain Clavien, Direktor der Klink für Viszeral- und Transplantationschirurgie des UniversitätsSpitals Zürich, in einer Studie nach, dass vor allem Patienten mit grossen Lebertumoren in einem weit fortgeschrittenen Stadium von der Operationstechnik «ALPPS» profitieren. Diese Patientengruppe hatte bisher keine Behandlungsmöglichkeiten und entsprechend geringe Überlebenschancen.
Die Leber wächst nach
«ALPPS» steht für «Associating Liver Partition and Portal Vein Ligation for Staged Hepatectomy». Es handelt sich um ein Operationsverfahren, das sich zu Nutze macht, dass die menschliche Leber im Körper nachwächst, wenn man einen Teil davon chirurgisch entfernt. In einem ersten Eingriff trennen die Chirurgen das kranke vom gesunden Lebergewebe mit einem Schnitt. Gleichzeitig wird die Blutzufuhr zum vom Tumor befallenen Teil der Leber gekappt. Dadurch wird der intakte Teil der Leber stärker durchblutet und wächst innerhalb einer Woche um bis zu 100% nach. Zwei Wochen nach der ersten Operation entfernen die Ärzte in einem zweiten Eingriff den kranken Leberteil (vgl. Schema). Da der noch funktionierende Teil der Leber zu diesem Zeitpunkt gewachsen ist, können die Chirurgen bis zu zwei Drittel des Lebervolumens entfernen – mehr, als dies mit herkömmlichen Operationsverfahren möglich war. Ohne die ALPPS-Methode würde das gewünschte Wachstum des gesunden Leberteils komplexe Manipulationen und längere Wartezeiten erfordern. Entwickelt wurde ALPPS im Jahr 2012 an der Universität Regensburg durch Prof. Dr. Hans Schlitt. Gleichzeitig zur Erstpublikation hat das Team von Prof. Dr. Pierre-Alain Clavien in einem Editorial die Operation vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen positiv beurteilt und den Namen ALPPS vorgeschlagen. Seither wurde die Operation in diversen Spitälern weltweit durchgeführt und weiterentwickelt, unter anderem am USZ. Hier erforschen die Bauchchirurgen seit über zwei Jahren die Faktoren, die zum Leberwachstum führen.
Weltweit 202 Patientengeschichten analysiert
ALPPS wurde wegen der hohen Komplikationsrate stark kritisiert. Die nun von den USZ-Forschern in der renommierten Fachzeitschrift «Annals of Surgery» präsentierten Daten zeigen jedoch für bestimmte Patientengruppen ein anderes Bild. Die Ärzte haben in einem Fallregister im Internet die Erfahrung der Chirurgen aus der ganzen Welt ausgewertet. Die Daten umfassen 202 Patientengeschichten aus 42 Spitälern – von Buenos Aires bis nach Sibirien. Das Resultat: In 97% der Fälle konnte durch ALPPS der gesamte Tumor entfernt werden. «Hervorragend im Vergleich mit anderen Operationsmethoden ist vor allem, dass 59% der Patienten mit Ablegern von Dickdarmkrebs in der Leber ein Jahr nach dem Eingriff noch immer tumorfrei waren», sagt Prof. Pierre-Alain Clavien. Daneben habe sich auch gezeigt, dass nicht mehr Patienten mit Ablegern von Dickdarmkrebs in der Leber starben oder Komplikationen entwickelten, als dies bei alternativen Methoden der Fall gewesen ist.
Auch wenn derzeit noch keine Langzeitdaten vorliegen, ist das Team um Prof. Pierre-Alain Clavien zuversichtlich, dass sich ALPPS bewähren wird. Die Ärzte bereiten derzeit eine multizentrische randomisierte Studie vor, um die Effektivität der Methode bei der Behandlung von weit fortgeschrittenen Lebermetasten des Dickdarmskrebses noch genauer zu untersuchen. Von der neuen Operationstechnik profitieren die Patientinnen und Patienten schon heute. So etwa eine Mittdreissigerin, die eigens für die Operation aus dem Ausland in die Schweiz gereist ist. Die Mutter von zwei Kindern hatte zuvor geringe Überlebenschancen. Heute, acht Monaten nach dem Eingriff, ist sie noch immer tumorfrei.
Publikationen:
Schadde E, ArdilesV, Robles-Campos R, Malago M, Machado M, Hernandez-Alejandro R, Soubrane O, Schnitzbauer A Raptis D, Tschuor C, Petrowsky H, De Santibanes E,Clavien Clavien P.-A.: „Survival and Safety of ALPPS – First Report of the International ALPPS registry. Ann Surg; November 2014.“
Schlegel A, Melloul E, Limani P, Tschuor C, Graf R, Humar B, Clavien P.-A.: „ALPPS: From human to mice highlighting accelerated and novel mechanisms of regeneration. Ann Surg 2014; November 2014.“
Ansprechpartner für Fragen:
Prof. Dr. Pierre-Alain Clavien
Direktor Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie, UniversitätsSpital Zürich
Tel.: +41 44 255 86 20; E-Mail: medien@usz.ch